23. Mai 2019
Ob ein Stück Draht oder Gras, ein Milchzahn von Hund oder Pferd, Haarlocken, Kralle oder Asche: ein Erinnerungsstück vom geliebten Mensch oder Tier in Kunstharz ist für viele ein Objekt von unschätzbaren, emotionalen Wert. Schmuckstücke mit einer offensichtlichen oder versteckten Einbettung fertige ich daher regelmäßig als Auftragsarbeit an.
Abgesehen vom Kunstharz-Handwerk stellen diese Umsetzungen aber auch noch ganz eigene Anforderungen an die gewiefte Tüftelfrau. Meine Fähigkeiten in der Herstellung zierlicher Haarlocken aus Tierhaaren (und die sind manchmal ganz schon kurz) wurden in letzter Zeit durch Präparationskünste an den absonderlichsten Objekten weiter verfeinert.
Aber sieh selbst!
Dieser Beitrag wird nicht empfohlen für empfindsame Menschen, denen die Vorstellung von der Konservierung von Überbleibseln lebendiger Wesen komisch vorkommt.
Dieses schöne Stück ist ein Ring, der liebevoll aus Dünengras gewickelt wurde. Kein Wunder, dass man bei diesem empfindlichen Exponat den Wunsch hat, es so zu bewahren, dass man auch in einigen Jahren daran von Freude hat.
Für Barbara sollte der Grasring in einem runden Schmuckanhänger zusätzlich dekorativ und tragbar gemacht werden, dabei aber so zierlich wie möglich ausfallen.
Problem: der Ring war ziemlich unrund und ausgefranst und so ausladend, dass der Anhänger das Gegenteil von zierlich geworden wäre. In Abstimmung mit Barbara sollte der Ring also umgeformt werden. Selbstverständlich, ohne ihn zu zerbrechen. Mit manuellem Ziehen, Schieben und Drücken konnte ich allerdings nicht viel erreichen.
Der Ring wurde also fachmännisch und vorsichtig in ein Korsett aus Wolle eingeschnürt....
... und anschließend ca. 30 Minuten gewässert. Danach wurde er wieder getrocknet.
Das war sehr erfolgreich, denn ...
... wie man sehen kann, ist aus dem strubbeligen Ring ein ziemlich glatter Ring geworden, der außerdem etwas runder geworden ist. Puh!
Mir war neu, dass man durch Schnüren und Wässern so gute Erfolge bei der Grashalm-Modifikation erzielen kann, da war mir Barbar ein gutes Stück voraus. Sicherlich ist das eine Fähigkeit, die man bei anderen Fragestellungen auch erfolgreich einsetzen kann (auch wenn mir spontan nicht einfällt, was das für welche sein könnten).
Der frisch geshapte Grasling liegt auf der ersten gehärteten Harzschicht in der Silikonform zur Probe.
Der Ring wurde dann in drei Schichten mit transparentem Kunstharz gegossen.
Die nächsten Arbeitsschritte im Schnelldurchlauf von links nach rechts:
- gehärteter Gießling direkt aus der Form: zu dick und noch zu groß.
- im ersten Grobschliff wurden Umfang und Dicke angepasst
- nach drei weiteren Schleifdurchgängen das Endergebnis.
Durch die abgerundeten Kanten wirkt der Anhänger noch eleganter, zusätzlich wird der innenliegende Ring durch die Wölbung optisch vergrößert.
Kniffelig war auch die Bohrung, die aus Platzgründen auf der gerundeten Kante sitzen musste. Aber alles hat geklappt und so sieht der verschlankte und für die Ewigkeit unzerstörbare Grasring als Anhänger aus:
Bei meinem nächsten Beispiel geht es um die Anfertigung einer klobigen Perle mit einer großen Bohrung, die an einem Hundepfeifenband getragen wird.
Ich benutze dafür eine meiner Silikonformen für Möbelköpfe, die das passende Format hat. In die Perle sollte das kurze Fell von Sabines Hund eingebettet werden. Da ich davon nur sehr wenig zur Verfügung gestellt bekam, kam nur eine lose Anordnung in Frage. Ein Test mit einer dünnen, aber kompakten Haarschicht hat leider überhaupt nicht geklappt. Insofern blieb mir nur übrig, das Haar lose mit flüssigem Harz aufzugießen und das Beste zu hoffen.
Was die Umsetzung schwierig macht, ist das gigantische Loch, welches nachträglich in die gegossene Perle gebohrt wird.
Für den Dremel gibt es nur Bohrer mit 3,5 mm Durchmesser, hier sollten es aber 5 - 7 mm sein. Wer schon einmal versucht hat, eine Perle im Format 3 x 3 cm festzuhalten, während die Bohrmaschine mit 7.000 Umdrehungen rotiert, wird wissen, dass das hochgefährlich ist.
Also bleibt - wie meistens, wenn es kompliziert wird - der meditative Weg die einzige Lösung.
Und der heißt: erst dremeln und dann das Bohrloch in Kleinarbeit mit der Metallfeile zu weiten, bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist.
Mit einer Minibürste wird der Schleifstaub weggebürstet, damit man den Tunnel besser beurteilen kann.
Damit der Tunnel am Ende transparent wird, wird er nach dem Bohren und vor den nächsten Schleifschritten übrigens mit einer dünnen Schicht Harz-Gel eingepinselt.
Ganz schön viel Akt für eine Perle, aber das Ergebnis ist toll geworden.
Bei meinem dritten Beispiel geht es um meine Künste als Zahnpräparatorin. Für Cordula sollte der Milchzahn des Familienhundes in einem Prismenanhänger verewigt werden.
Aber oh weh: der dünne Zahn war beim Postversand zerbrochen. Was tun?
Hier sieht man den etwa 8 mm langen Zahn auf einem Arbeitssockel aus Knet.
Ein Glück, wenn man mit Kunstharz arbeitet, denn damit lässt sich ja bekanntlich alles mögliche zusammenkleben. Unter anderem auch Zähne.
Mit einem Tröpfchen Kunstharz wurden die Hälften zusammengefügt. Um die dunklen Verfärbungen in der Wurzel unkenntlich zu machen, wurde der Zahn nachträglich an der Öffnung mit einem Tropfen gefärbten Harz verfüllt.
Die Hilfskonstrunktion mit dem schwebendem Zahn und die verschiedenen Schleifschritte habe ich mir für diesen Blogbeitrag verkniffen (wens interessiert: bitte hier nachkucken). Ich hüpfe direkt zum Ergebnis mit dem nahezu makellosen Zahn. Kaum zu glauben, was man aus den Kalzium-Krümeln für ein hübsches Beißerchen zaubern kann.
Auch wenn ich bei den Erinnerungsstücken selten meiner kreativen Passion zu Farbe und Form frönen kann, lerne ich doch jedes Mal etwas dazu. Und: anders als beim Erwerb eines "nur dekorativen" Schmuckstücks begegnet mir oft eine sehr große Freude und Dankbarkeit seitens der Auftraggeber. Und das empfinde ich als wunderschön.
Alle meine Schmuckstücke werden mit Herzblut (und je nach zu schleifender Materialstärke auch mit echtem Blut) gezaubert. Trotzdem hört man öfter ein "Gibt es das auch in Grün?" und eher selten ein "Das ist ja toll geworden!".
Leider merke ich die "Amazonisation" als Online-Shop-Betreiber ganz deutlich. Günstige Preise, Express-Versand kostenfrei und Sonderwünsche binnen 24 Stunden lieferbar - das sind die Erwartungen, die mir von Kundenseite oft begegnen. Das ist weder leistbar noch rentabel, wenn man etwas so anachronistisches wie Handwerkskunst herstellt und das noch in Deutschland. Oft stellt die Ausbeutung anderer Menschen sicher, dass man hierzulande günstig und unkompliziert konsumieren kann. Zu dumm, das man diesen Umstand gerne vergisst und auf alle Shopping-Erlebnisse überträgt, ohne nachzudenken.
Wer mehr Erinnerungsstücke stöbern will, kuckt gerne hier nach!
Herzlich grüßt Dich
Edna Mo
Der Beitrag wird verlinkt bei Handmade on Tuesday