6. Oktober 2015
Der alchemistische Gedanke, aus Blei Gold zu machen, oder in meinem Fall, aus abgelegten Kleidungsstücken etwas ganz Neues und Schönes zu erfinden, reizt mich ganz ungemein.
Gerne nutze ich gemusterte oder bedruckte T-Shirts, weil die Aufdrucke meistens schön und witzig sind, wenn die Nähte am Shirt schon längst aufgegeben haben. Und da sich jetzt schon kühle Abend- und Morgenstunden bemerkbar machen, ist die Zeit genau richtig, wieder in die Upcycling-Schal-Produktion einzusteigen.
Für alle Nähfans gibt es hier und jetzt die Anleitung, wie man aus abgelegter Kleidung, wie T-Shirts, Jeans undweiteren stoffresten, einen phänomenalen Schal nähen und durch zusätzliche Stoffdrucke zu einem einzigartigen, textilen Kunstwerk aufpeppen kann. Die Drucke sind rein technisch gesehen nicht unbedingt nötig - aber sie werten das Nähergebnis optisch auf und sorgen dafür, dass der Schal wie ein Designerstück und nicht wie ein Bündel abgelegter T-Shirts aussieht.
Meine Idee: eine Loopschal, den man sich zweimal um den Hals legen kann. Weicher T-Shirt-Stoff auf der Innen- und standfester Stoff auf der Außenseite, damit der Schal schön voluminös und plusterig wird.
Das war nämlich das Manko meiner ersten Schals, die nur aus T-Shirt-Stoff zusammengesetzt sind: der Stoff klumpt beim Tragen zu einer flachen Wulst zusammen und wärmt dann nicht besonders.
How to start
Alle Kisten und Kästen aufklappen und alle in Frage kommende Reste, Schnipsel und Streifen zusammen mit den T-Shirts auf einen Haufen legen und abwägen, was besonders gut zusammen funktioniert - farblich, aber auch von der Materialstärke her.
Erstmalig habe ich mir vorgenommen, Jeans als "starken" Stoff mit zu verarbeiten. Allerdings habe ich auch gemerkt, dass Jeans recht schwer ist und habe daher nur ein halbes Hosenbein (am Knie abgeschnitten) in zwei Teilstücken zum Einsatz gebracht.
(Dass ich bei der Suche nach einer alten Jeans zwei Exemplare aufgestöbert habe, die mir zwischenzeitlich wieder passen, hat mich unmittelbar zu einer Jeans-Styling-Session und einem anschließenden Jeans-Shooting verleitet. Diese Einträge sind ab dem 19.10. online, ihr könnt also gespannt sein.)
Hier seht ihr meine Materialausbeute: Vier T-Shirts in den Größen S bis XL, ein Sweat-Ärmel, ein halbes Jeans-Hosenbein, ein Reststück grauer Polyesterstoff mit wattierter Rückseite, ein Streifen Wollstoff mit Hahnentrittmuster.
Ausgehend von meinen bisher genähten Schals habe ich folgendes Endformat festgelegt:
190 cm Länge, 35 cm Breite.
Der Stoff wird gedoppelt, also wird aus den Resten ein Stück zusammengepatcht, dass 190 cm lang und 70 cm breit ist.
How to cut
Es werden Stoffstücke benötigt, die mit Nahtzugabe 38 cm breit und egal wie lang sind. Da ich mit Reststoffen arbeite, die irgendwie groß sind, wird beim Zuschneiden der Fadenlauf des Stoffs geflissentlich ignoriert.
Ich fange mit dem kleinsten T-Shirt an. Ich schneide zunächst die Seitennähte auf und lege die Vorderseite möglichst plan auf eine Schneideunterlage. Perfekt: an der schmalsten Stelle ist das T-Shirt 38 cm breit. Mit dem Rollcutter schneide ich ein exaktes Rechteck aus der T-Shirt-Vorderseite, wobei der Saum und alle Nähte weggeschnitten werden. Das Stück geht etwa bis zur Mitte der Ärmel.
So verfahre ich mit allen T-Shirts, wobei ich die unifarbene Rückseiten für ein anderes Nähprojekt zur Seite lege. Beim XL-T-Shirt fällt links und rechts ein dicker Streifen weg, da ich den Aufdruck zentral in der Mitte des ausgeschnittenen Stücks platzieren möchte.
Auf einem ganz hauchdünnen Shirtstoff habe ich Vlieseline aufgebügelt - zur einfachen Verarbeitung und für mehr Volumen beim späteren Schal.
Auch aus den anderen Stoffresten werden 38 cm breite Rechtecke geschnitten. Manchmal ist es nur ein schmaler Streifen, manchmal ein langes Rechteck, wie es der Rest eben hergibt. Auf dem unteren Foto seht ihr den Stapel der zugeschnittenen Stoffstücke.
How to patch
Es werden im nächste Schritt zwei lange Streifen aus den Stoffstücken zusammengesetzt: ein T-Shirt-Streifen und ein Streifen mit den festen Stoffen. Dafür wird die Anordnung der Stoffe festgelegt.
Da die Schals aus verschiedenen Mustern und Materialien dann besonders gut aussehen, wenn möglichst viel Abwechslung herrscht, halbiere ich die langen Rechteckstreifen noch einmal und sortiere die Abfolge der Stoffe so, dass die verschiedenen Farben und Muster ausgewogen angeordnet sind: ein weniger spannender Stoff sollte von zwei auffälligen Stücken links und rechts flankiert werden.
Dann nähe ich die Rechtecke nacheinander mit der Nähmaschine zusammen, wobei für die T-Shirt-Stoffe eine Jersey-Nadel und für die festen Stoffe eine Jeans-Nadel benutzt wird.
Hier gilt für die festen, fransenden Stoffe: alle 38-cm-Kanten werden vorab versäubert.
Für die Jersey-Stoffe gilt: langsam und ohne Zug nähen, da Jersey sich gerne verzieht, insbesondere, wenn unterschiedliche Fadenlauf-Richtungen miteinander vernäht werden. Dafür muss nicht versäubert werden.
Genäht wird: rechte Seite auf rechte Seite legen, steppen, Nachtzugabe auf eine Seite (die dünnere der beiden Materialien) umklappen, nochmal schmalkantig absteppen. Durch die doppelte Naht verbinden sich die unterschiedlichen Materialien deutlich besser miteinander, das sorgt für saubere Übergänge. Ich habe dafür ein kontrastfarbiges Garn in Türkis benutzt.
Wenn beide Streifen fertig genäht sind, wird je eine der langen Außenkanten mit dem Rollcutter begradigt. Dann werden beide Streifen auf der begradigten Kante rechts auf rechts gelegt und abgesteppt und im zweiten Schritt versäubert. Aufgeklappt ergibt sich dann ein großes Rechteck, dass an den Außenkarten noch etwas unregelmäßig sein kann. Für das Foto habe ich das große Stück etwas in Falten gelegt.
Die lange Kante wird nicht zusätzlich schmalkantig abgesteppt, da man diesen Arbeitsschritt an der zweiten Außenkante nicht nachvollziehen kann, so bleiben beide Außenkanten in der Optik identisch.
Da das Ganz noch sehr an Einzelteile von Kleidung erinnert, werden zusätzliche Muster und Motive mit Stofffarbe aufgedruckt.
How to print
Auch hier habe ich aus meinen vorherigen Schals gelernt: die Stoffe vorab zu bedrucken und dann erst zusammenzunähen, ist verschenktes Potential. Um eine wirklich ungewöhnliche Optik zu erzielen, ist es viel besser, die Drucke über die Nähte laufen zu lassen und über möglichst viele verschiedene Stoffstücke zu platzieren.
Das Arbeiten ist zwar etwas umständlicher, weil man eine große Arbeitsfläche benötigt und in steter Gefahr schwebt, Farbe dahin zu verkleckern wo sie nicht hingehört, aber es sieht einfach so viel besser aus.
Also: Tisch mit altem Tischtuch oder Folie abdecken (Stoffarbe drückt durch die dünnen Stoffe), und das Patch-Stück flach auflegen und gerade zuppeln.
Jetzt geht der schöne Teil los: alle Schablonen und Stempel rauskramen, die Stoffarben in Reichweite rücken, Schablonierpinsel und Schälchen bereitstellen, gute Musik auflegen, den Kittel überziehen und los gehts.
Für Newbies
Hier gibt es dieAnleitung zur Herstellung einer wiederverwendbaren Schablone, und hier eine Anleitung für die Arbeitsschritte zum Bedrucken von Stoff mit Schablone und Stoffarbe.
Wie ihr in den Fotos seht, habe ich alles mögliche zum Bedrucken genutzt: Kartonschablonen, Lasercut-Kunststoff-Schablonen und immer wieder völlig schön: große Zahlen.
Diese Karton-Zahlen gibt es als Dekoelemente in jedem Bastelladen zu kaufen, auch als Alphabet, und eignen sich sehr gut zum Bedrucken von Stoffen. Die Farbe wird dafür nicht aufgepinselt, sondern mit der Gummiwalze aufgerollt, weil das eine sehr schöne, fleckige Struktur ergibt, die genau so auf den Stoff übertragen wird.
Die Hantelscheiben benutze ich, um den flach gezogen Stoff zu fixieren. Alle Partien, die gerade nicht bearbeitet werden, werden mit alten Handtüchern oder Küchenkrepp abgedeckt, dadurch wird die Gefahr von unfreiwilligen Farbauftrag deutlich minimiert.
Da die Details später nur bruchstückhaft zu sehen sind, habe ich einige Ausschnitte aus den Druckbildern zusammengestellt. An dieser Stelle könnt ihr sehen, dass ich ganz schön detailverliebt bin und warum mir der Stoffdruck so einen irren Spaß bereitet. Es ist einfach zu herrlich, den Stoff wie ein Künstler als vorbereitete Leinwand zu nutzen und aus dem, was der Untergrund anbietet, mit den Drucken etwas dazu zu erfinden. Da sind mir wirklich ein paar schöne Kombinationen geglückt.
Das bedruckte Stoffstück trocknet einen Tag ganz durch, danach werden die Drucke mit dem Bügeleisen fixiert. Da das ein ziemlich großer Lappen ist, hat mir mein Mann, der beste aller Heldbären, für die Totalansicht Modell gestanden. So kann man ganz gut sehen, wie die "überlaufenden" Drucke auf den Stoffstücken platziert wurden.
How to pimp
Aber es geht noch besser. Um weitere interessante Details zu integrieren, habe ich ein paar Lederreste-Schnipsel aus meinem Fundus gekramt und zusätzlich aufgenäht.
An dieser Stelle könnte man noch einen ganzen Haufen andere spannende Dinge anbringen: Trodeln, Fransenkanten, oder kleine Spitzendeckchen. Man könnte noch Bindebänder aufnähen, Partien des Patches auf der Rückseite raffen, wieder Löcher hineinschneiden und zusätzliche Stoffe darunternähen oder, oder, oder.
Das Leder war mir wichtig, um ein weiteres Material zu Jersey, Denim, Mischgewebe und Wolle einzuarbeiten und kleine Partien mit abweichender Festigkeit zu definieren. Rein zufällig hatte ich im Fundus noch ein von mir vor Urzeiten handbestempeltes Musterstück, das damals ein Schlüsselband zieren sollte. Ein Glück schmeiß ich nix weg!
Bitte unbedingt eine stabile Ledernadel dafür nehmen und ganz langsam nähen.
Der große Stoff ist nun fertig verschönert, jetzt geht es an die Endbearbeitung.
How to finish
Den Stoff längs in der Mitte rechts auf rechts zusamenfalten und glatt streichen. Die noch offenen Außenkarten wird jetzt mit den Rollcutter begradigt, dann abgesteppt und versäubert.
Nun hat man einen an den beiden kurzen Enden offenen Schlauch vorliegen. Dieser wird gewendet.
Das Schließen geht so:
die beiden Schlauchöffnungen plan aufeinanderlegen. Die Innenseite der Schlauchöffnungen liegen damit rechts auf rechts, so dass man von einer Innenseite die Schlauchöffnung zu Drei Vierteln absteppen kann.
Das restliche Viertel wird von außen mit einem Blindstich von Hand geschlossen. Dafür habe ich ein kontrastfarbiges Garn in Pink gewählt.
Um die Naht und die Tatsache zu kaschieren, dass eine Stelle des Schals etwas undekoriert kahl geblieben ist, nähe ich von Hand noch einen Buchstaben-Patch auf, der von einem alten Sweatshirt übriggebleiben ist (das große E, auf dem vorletzten Bild)
Fertig ist das wunderschöne Einzelstück! Je nachdem, welche Seite nach außen getragen wird und ganz abhängig von der Art der Loop-Wicklung kommen ganz andere Farben und wieder neue Details zum Vorschein. Dieser Schal ist ein Chamäleon, dass sehr vielseitig getragen werden kann. Und obendrein muckelig warm und weich, so richtig zum Reinverkriechen und Einkuscheln.
Gefällts euch?
Upcycling-Loopschal aus alten Jeans, T-Shirts und Stoffresten, ein Erzeugnis aus der Edna Mo Selbernähmanufaktur.
Ausblick in eigener Sache
Ab Montag, den 19.10. startet der Ü30 Blog Hop zum modischen Themenschwerpunkt Jeans. Die Ü30 Bloggerinnen werden dem blauen Baumwollstoff eine Woche lang in sämtlichen Formen und Zusammenhängen auf den Leib rücken. Und Edna Mo macht mit. Ich würde mich freuen, wenn Ihr vorbeischaut!
Viele Grüße,Edna Mo
Nachklapp vom 03.03.2016: eine liebe Leserin, Marion Witt, hat sich von meiner Anleitung inspirieren lassen und mit ihrem Stofffundus losgelegt. Ihre Umsetzung eines Upcycling-Loopschals mit Jeans und einem traumhaften Siebdruck-Motiv hänge ich euch hier als Foto an.
Der ist toll geworden! Vielen Dank, liebe Marion!
Nachklapp vom 23.04.2018 (!): Toll, dass die Anleitung noch immer im Netz unterwegs ist. Hier habe ich Fotos von zwei verschiedenen Umsetzung von Tanja erhalten. Die obere Version ist ebenfalls ein Mix aus Jeans und Jersey, die untere ist nur aus Jersey!
Tanja, vielen herzlichen Dank für deine Umsetzung und Bereitschaft, diese im Rahmen des Beitrags zu veröffentlichen!
Nachklapp vom 18.01.2019: Die wunderbar nähfertige Eliza vom Blog DIYMode hat eine supertolle Ideensammlung zu DIY-Jeans-Upcycling zusammengestellt und meine Anleitung mit verlinkt. Vielen Dank dafür!
Für alle Nähspaßigen: der Beitrag ist wirklich ein Inspirations-Kick, Schmökern lohnt!