17. November 2014
Wer sich dem lustvollen Harzen hingibt, wird über kurz oder lang am Armreif nicht vorbeikommen. So erging es auch mir. Armreifen habe ich bis dato gar nicht getragen, ein in meinen Augen eher unpraktisches Schmuckstück.
Aber siehe da: in dem Moment, wo man mit Harz außergewöhnliche Stücke selber herstellen kann, rückt der gemeine Armreif aufgrund seiner Größe (viel Fläche für schöne Einbettungen und Farbspielerei) blitzartig in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Und so habe ich im letzten Winter dutzende Armreifen hergestellt. Einige davon sind in der Fotogalerie verewigt. Komischerweise trage ich sie immer noch nicht mit Hingabe. Der ideale Zeitpunkt, um dem Phänomen des gemeinen Armreifens auf den Grund zu gehen.
Woran die Akzeptanz möglicherweise scheitert, wurde mir auf dem letzten Kunstmarkt klar: ein Armreif muss passen wie ein Büstenhalter, sonst ist alle Liebe vergebens. Und so zog ich denn mit annähernd der gleichen Menge an Armreifen wieder nach Hause, weil die von mir gefertigten schlicht zu klein für die Breite der durchschnittlichen Handknochen sind. Wobei der Knöchelumfang entscheidender ist als die Breite des Handgelenks!
Rund 50 % der Probier-Probanden scheiterten an der Größe bzw. an der Enge der Reifen. Ich finde das bemerkenswert, weil ich einige handelsüblichen Armreifen als Vorlage für die Silikonform gewählt habe. Das heißt wohl, dass der Großteil der Armreifen für Kinderhändchen gemacht wird und erwachsene Menschen mit hart arbeitenden, breiten Händen marktwirtschaftlich kein Anrecht auf passendes Schmuckwerk haben.
Obwohl sonst eher moderat gewachsen, habe ich ziemlich kleine Hände, sozusagen verschrumpelte T-Rex-Pfötchen, und die Stelle der Knöchel an meiner Hand ist absoluter Unterdurchschnitt, wie ich lernen musste. Ergo sind mir viele Armreifen selber zu groß und beim Tragen eine Qual.
Ist der Umfang zu groß gwählt, kann man den Übeltäter nur ins weiche Fleisch des Armes hochschieben, wo er einem über kurz oder lang das Blut abschnürt. Oder er rutscht herunter und klemmt einem die Hand ein. Da es nicht machbar ist, den ganzen Tag mit hochgestellten Unterarmen durchs Leben zu gehen, sollte man wohl überlegen, wo genau der Armreif sitzen soll, und den Durchmesser entsprechend wählen.
Und hier wird das Problem beinahe übermächtig, denn wer in aller Welt weiß schon, welcher Reifen-Durchmesser über den Handknochen passt.
Drittes Knock-Out-Kriterium ist die (wie es im Werberdeutsch so schön heißt) saisonale Abhängigkeit. Will heißen: Sommer Hurra, Winter Herrje. Wer je einen Armreif über einem Ärmel gezogen hat, muss feststellen (und ist der Ärmel noch so schmal), dass das Gesamtbild in der Regel ein heilloses, faltenreiches Kuddelmuddel ergibt. Ein Trauerspiel. Und so bleiben dem Armreif nur die ärmelfreien Sommermonate für seine Existenz.
Ich habe durch die Problemanalyse schon wieder jede Menge gelernt. Bevor ich noch einen einzigen Armreifen anfertige, sollte ich mir dringend Gedanken über einen "Knuckle-Mass-Index" machen und mit Messungen zur Umfang-Durchmesser-Form-Abhängigkeit unterfüttern. Das wird bestimmt sehr interessant. Ergebnisse werden hier selbstverständlich nachgereicht.
Hohepriesterin des Massive-Bracelet-Styles ist eine reizende Dame namens Iris Apfel. Beim Thema Armreifen und Schmuck kommt man an ihr nicht vorbei. Ich füge hier einmal ein Foto ein.
Mir ist absolut schleierhaft, wie sie damit ihr Tagewerk vollbringt, aber es gibt genügend Videoaufnahmen, die belegen, dass es ihr anscheinend gelingt. Ein Trick von ihr ist, die Reifen der Größe nach zu stapeln und den schmalsten direkt über der Hand zu tragen, so dass es zumindest kein herunterrutschen gibt (wenn auch nich tunbedingt auf diesem Foto). Und je höher die Reifen gestapelt werden, desto weniger gibt es ein hochschieben.
Ihre abolute Kunst ist, einen maximalen Showeffekt mit einem Mindestmaß an Bewegungsfreiheit auf den idealen Punkt auszutarieren. Ich schätze, das muss man schon einige Zeit üben. Und das Ärmelproblem löst sie durch die Länge bzw. in ihrem Fall Kürze derselben.
Wenn ich alt bin, möchte ich (vielleicht) so werden wie sie.