19. Juli 2016
Was im Titel nach Dentalmedizin klingt, ist vielmehr ein wunderschöne Geschichte. Von Aslan und Tamara. Die beiden Akteure flankieren dieses Making-of, in dem Pferdezähne in Harz gegossen zu einem Schmuckstück werden.
Nur zur Beruhigung: Aslan (das Pferd) ist wohlauf und putzmunter. Bei den eingegossenen Objekten handelt es sich um die Milchzähne, die von alleine ausfallen, so dass für die Anfertigung des nachträglich gezeigten Harz-Anhängers keinen Pferd zu Schaden kam.
Tamara, das menschliche Pendant zu Aslan, ist über die Untiefen des Webs auf meinen Blog aufmerksam geworden. Ihre Idee, die Milchzähne vom damals jungen Aslan in Harz einzugiessen, war geboren und so kamen wir miteinander in Kontakt.
Ich danke Tamara ganz herzlich, dass Sie mir nicht nur diese persönlichen Kleinode zur Weiterverarbeitung anvertraut, sondern mich überdies mit zusätzlichem Bildmaterial versorgt hat.
Denn nur so konnte aus einem sonst recht trockenen, handwerklichen Eintrag erst eine echte, romantische "Pferdegeschichte" werden.
So romantisch es eben zwischen Zwei- und Vierbeiner werden kann, und das ist manchmal mehr, als es die Zweibeiner untereinander hinzukriegen imstande sind.
Aslan, Prachtkerl und erstes Pferd, dessen Zähne ich ohne Schmerzen erleben durfte. Fotos mit freundlicher Genehmigung von Tamara.
Ich habe außer geknufft-gefühlten, also nicht böse gemeinten Bissen noch keine prersönliche Detailbetrachtung von Pferdezähnen durchführen können. Bei der Frage, ob ich wohl in der Lage wäre, Pferdezähne einzugießen, konterte ich direkt mit der Gegenfrage: wie sehen die aus und wie groß sind die?
Was Tamara postwendend mit profesionell vermaßten Fotos beantwortete. Backen und Schneidezahn in unterschiedlicher Größe und Anmutung sollen in einem Schmuckstück verewigt werden.
Ich dachte zuerst an eine kugelförmige Silikonform. Als Anhänger oder Ring ganz zauberhaft.
Allerdings ist durch die kugelige Oberfläche das innenliegende Objekt optisch nicht nur deutlich größer, sondern auch verzerrt zu sehen. Das kann so weit gehen, dass der Zahn nur noch als heller Klumpen in einer klaren Kugel im Anschnitt und nicht vollflächig erkennbar ist.
Aber das ist nicht im Sinne des Pferdenarren - man möchte diese kleine "Reliquie" ja doch unmittelbar sehen und erkennen können. Also keine Kugel. Damit konnte ich mich glücklicherweise der Situation entziehen, noch eine Kugel-Silikonform mit Durchmesser 4 cm anzufertigen und musste außerdem nicht den Umstand klären, was für ein gigantomanisches Schmuckstück man aus einer 4-cm-Durchmnesser-Harzkugel wohl anfertigen könnte.
Beim Durchforsten der Silikonbestände bin ich dann auf zwei verschieden große Talerformen gestossen. Das eine ist eine klassische Muffin-Backform aus dem Backbedarf. Das andere war ursprünglich eine Pralinenform, die ich selber als Multiplé reproduziert habe. Beide Silikonformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine hochglänzende Oberfläche und eine identische Kante haben, so dass bei den daraus entstehenden Harzscheiben eine gleiche Optik zu erwarten ist.
Hochglänzend und rechtwinklige Innenkante: so ähnlich wie unterschiedlich große Geschwister, aber dennoch zwei Silikonformen ganz unterschiedlicher Herkunft. Manchmal hat man einfach Glück.
Künstlerischer Ansatzpunkt war, zwei flache Taler aus klarem Harz zu gießen, in denen die Zähne "unten" eingegossen werden, aber noch ein Teil der Zähne "oben" aus dem Harz herauslugt. Der rausstehende Teil wird zusätzlich mit dem zähfließenden Harz-Gel lackiert, so dass auch diese Fläche hochglänzend wird. Beide Scheiben untereinander angeordnet sollen einen Anhänger ergeben.
Ich wiederum schickte Tamara die Fotos der arrangierten Zähne in Silikonform mit Vermaßung, so dass sie ein Gefühl für die spätere Größe der Harzanhänger bekommen konnte. Auch die Art der Anordnung (seitlich, frontal, plan, gekippt) wurde auf diese Art abgestimmt.
Beide Zähnd sind sehr unterschiedlich (groß - klein, regelmäßig geformt - ausladend geformt, gelblich - weißlich, große Kaufläche - kleine Kaufläche). Besonders der Schneidezahn hat eine total spannende Kaufläche, die ist wie eine Art Holzmaserung gestaltet.
Ziel war es, die jeweils schönste Ansicht vorne aus dem Harz lugen zu lasen.
Um die Zähne von der Ausdehnung aneinander anzugleichen, habe ich (mit Tamaras Erlaubnis) die Wurzeln des Backenzahns um ca. 2 mm mit dem Fräsaufsatz am Mininbohrer abgetragen (inkl. Zahnarztgeräusch und verkokeltem Zahngeruch, aber das gehört halt dazu. Muscheln bohren riecht übrigens schlimmer als Pferdezahn).
Zum Eingießen wird eine suabere Auflagefläche benötigt. Die Wurzeln am Backenzahn werden daher abgefräst, so dass der Zahn plan aufliegt.
In der Zwischenzeit habe ich ein dünnflüßiges Gießharz* angemischt und eine dünne Schicht in den Silikonformen aufgetragen. Nach dem Aushärten wurden die beiden Zähne aufgelegt und mit einer ebenso dünnen Schicht des gleichen Harzproduktes umfüllt.
Damit der spätere Anhänger trotz des vergleichsweise großen Zahns noch filigran und elegant ist, müssen die beiden Harzflächen gleich dünn sein. Jeder Milimeter zuviel macht aus einem feinen Anhänger einen unproportionalen Klumpen.
So wie ich Tamara aus den Fotos und im Schriftverkehr als Gegenüber empfunden habe, hatte ich einen zierlichen und anmutigen Anhänger vor Augen.
Also habe ich jeden Arbeitsschritt mit größter Konzentration und absoluter Hingabe durchgeführt. Bei jedem Harzprojekt besteht eine 50 : 50 Chance, es zu versauen. Um so schlimmer, wenn man nicht ein ganzes Gebiß an Zahnauswahl hat, sondern eben nur zwei, und es keine Chance auf Wiederholung gibt. Kurz: ab dem Gießen habe ich bei jedem Handgriff Blut und Wasser geschwitzt.
Für jeden anderen sind es "nur" Zähne, aber für Tamara ist es etwas anderes, etwas "wichtiges". Das muss man respektieren.
Zweite Schicht Harz zum Fixieren der Zähne auf der Grundschicht. Das Harz wird neben die Zähne in die Silikonform geträufelt.
Nach dem Aushärten habe ich die beiden nun festen, klaren Harzscheiben mit den eingebetteten Zähnen aus dem Silikon ausgelöst: Bis hierhin hat alles geklappt: zwei ungefähr 3 mm hohe, hochglänzende, klare Harzscheiben umfassen die zwei Zähne.
Die beiden Scheiben werden im dritten Schritt mit einem zähfließenden Harz-Gel* bestrichen. Das hat den Vorteil, dass es auf der unregelmäßigen Zahnoberfläche nicht einfach hinunterfließt, sondern obenauf liegen bleibt. Um zu kontrollieren, dass das gelharz nicht doch irgendwo am rand einen unerlaubten Tropfen bildet, werden die beiden Harzscheiben auf kleine Sockel gelegt.
Weil die kleine Harzscheibe so klein ist, wurde eine Kegelperle als Hilfskonstruktion missbraucht.
Das Harz-Gel wird mit einem Pinsel dünn aufgestrichen und darf auch auf die Oberfläche der Harzscheibe laufen (natürlich nur ganz dünn). Insgesamt wurden drei Schichten Harzgel aufgetragen, die letzten beiden nur auf dem Zahn.
Während das Harz trocknet, überlege ich mir die Anordnung und die Konfektionierung der Anhänger. Tamara hatte auf mein Rückfragen erklärt, dass der Anhänger an einer stabilen, schwarzen Lederkordel halsnah getragen werden soll.
Dafür wurden zunächst Löche in die beiden Taler gebohrt. Weil ich da kurz vor dem Atemstillstand war, möge man mir verzeihen, dass ich diesen Arbeitsschritt nicht fotografisch dokumentiert habe.
Zwetelige Anhänger haben den Charme, dass der eine Teil klein und beweglich ist, und beim gehen etwas schwingt, Ich mag diese Art von "kinetischem" Schmuck ja sehr. Allerdings bedeutet es auch, dass bei viel Bewegung viel mechanischer Kraft- und Hebelaufwand stattfindet. Das bewegliche Teil fällt also gerne schnell ab.
Das Zwischenstück zwischen den beiden Harzscheiben durfte daher auch keine Öse sein. Stattdessen wurde von einem Silberohr ein winziger, geschlossener Ring abgesägt (Kunstgriff Nummer zwei).
Für die Konfektionierung kam daher eine ganze Menge Werkzeug zum Einsatz.
Und so sieht der zusammengebaute Aslan-Tamara-Anhänger aus. In der Schrägsicht kann man erkennen, wie zart die Harzelemente geworden sind.
Zum Abschluss zeige ich noch einige Bilder, die mir Tamara zur Verfügung gestellt hat.
Wenn Du bis jetzt noch besonnen und aufmerksam dieser schönen Anleitung gefolgt bist, wird bestimmt jetzt dein Herzchen einen Hüpfer machen. Ich habe mich beim Anblick der Fotos direkt in Aslan und Tamara verknallt. Ging nicht anders.
Weil mir das Ergebnis so gut gefällt, verlinke ich den Eintrag beim Creadienstag, bei Handmade on Tuesday und bei DienstagsDinge.
Mit diesen zauberhaften Impressionen verabschiedet sich
Edna Mo
* Die gekennzeichneten Produkte wurden mir von der Firma Colles et Couleurs Cléopâtre zur Verfügung gestellt.