3. Februar 2018
Ich trickse, wo es nur geht. Das Leben ist einfach zu kompliziert, um ohne Tricksereien auszukommen.
Beispiel 1: Beim Versuch, mein zwar schon langes aber noch nicht ausreichend langes Haar in eine fluffige Hochsteckfrisur zu verwandeln, um meine beschmückten Ohren frei zu legen, scheitere ich regelmäßig.
Ein volumiges, leicht gesträubtes Gebilde lässt sich aus diesem halblangen Bob nicht zaubern. Da steckt zwar schon ein Schaumstoffteil drin, aber dennoch lässt sich der kleine Knödel erst in der Bildbearbeitung in so etwas wie dieser Dutt auf den Fotos verwandeln. Im Original ist der Knödel nur ein Viertel so groß.
Joda würde sagen "Keine Geduld der junge Padawan hat", und sowas von Recht muss ich ihm geben. Dabei muss ich nur zwei oder drei Jahre warten. Das wächst von alleine.
Bis mein Haar so weit ist, habe ich das Thema Ohrringe wahrscheinlich längst abgehakt.
Beispiel 2: Nein, das ist kein spezieller Fellkragen an meinem Kaschmirpullover.
Das ist einfach nur das Fell einer toten Wildkatze, wo noch Pfoten und der Schwanz dranhängt. Mit Wäscheklammern so zurechtgezuppelt, dass es wie ein Kragen aussieht. Da sind auch Löcher von den Schüssen drin, mit denen die Katze von einem Jäger erlegt wurde. Und weil Katharinas jagender Opa nun tot ist und Katharina nicht weiß, wohin mit den vielen Fellen toter Wildkatzen (wozu schießt man Wildkatzen? Die kann man noch nicht mal essen! Da war eindeutig ein Sadist am Werk!) hebe ich ein paar für sie auf und benutze sie regelmäßig als Deko für diverse Shootings.
Ich mag Katzen. Das Fell riecht intensiv nach Katze, das macht mich wehmütig. Eine lebendige Katze wäre mir verdammt viel lieber, auch wenn ich damit nicht mein Foto verschönern könnte. So mit toten Fellen von toten Katzen rumzuhantieren, das ist schon makaber. Heimlich schmuse ich mit dem toten Fell, aber das weiß keiner.
In meiner mit eiskaltem Blick gespielte Rolle der "russische Grafin" passt das Pelzteil aber ganz wunderbar. Kannst Du meinen Muff und meine pelzgefütterten Stiefel sehen? Ich schon!
Beispiel 3) So sehe ich übrigens gar nicht aus. Um auf Fotos einigermaßen passabel auszusehen, benötigt man zunächst zwei Dinge: Licht, und zwar ausreichend und ein für Fotos angepasstes Make-up.
Das mit dem Licht ist so eine Technik-Sache, die mich als Fotografin fesselt, weil es Teil des Handwerks ist. Für meine "Nur-Kopf-Schüsse" (manchmal ist Fotografenjargon etwas derb) habe ich eine spezielle Lampenstellung ausgetüftelt, die blickwinkeltechnisch das Beste aus meinen Linien herausholt.
Und wer es genau wissen will: in klassichen Beatuy-Shots wird Haut zwei bis drei Blenden überbelichtet. Wenn Du also deine Kamera auf ein Gesicht richtest und der Belichtungsmesser dir sagt, "Yeah", dann bitte manuell plus zwei Blenden mehr Licht geben. Der Belichtungsmesser misst "Yeah" bei einem mittleren Grau, das ist, verglichen mit der Wahrnehmung in "Realität", zu dunkel.
Kein Wunder, dass Outdoor-Fotografie mich nicht aus meiner gemütlichen Atelier-Komfortzone holt. Sehe ich auf Tageslicht-Bildern doch aus wie meine eigene Urgroßmutter. Das ist natürlich auch übertrieben. Eigentlich ist Tageslicht dem Studiolicht himmelhoch überlegen. Nur das "ideale Tageslicht" (zart bewölkter Himmel morgens im Sommer) findet man bei uns in Deutschland vielleicht an 14 Tagen im Jahr. Also warum ausrücken, wenn man am Ende doch bei 1.000 ASA und einem dunkelgrauen Gesicht landet?
Ein für Fotografie angepasstes Make-up verzichtet gänzlich auf Perlmutt- oder Schimmereffekte. Insgesamt sind matte Kontraste das Geheimnis. Am Ende bleibt von einem hell-dunkel-Make-up dank korrekter Belichtung kaum noch etwas übrig.
Andersum ist es genau so: ein Foto-Make-up ist für das normale Leben viel zu dramatisch und zu "gespachtelt". Frag meinen Mann, der ist immer völlig schockiert, wenn ich mich für die "Arbeit" fertigmache.
Ein Geheimtipp ist loser, matter, ganz heller Puder in rauen Mengen. Der wird erst dick mit einem Schwamm aufgetupft, bis man wie frisch bemehlter Brotlaib aussieht und dann zart mit einem dicken Pinsel abgenommen. Darunter kommt stumpfe, ziemlich helle Haut zum Vorschein, die jeden Lichtstahl großartig reflektiert und die Hälfte der Hautstruktur unkenntlich macht.
Beispiel 4) Bildbearbeitung. Ich liebe sie, genau so wie das Licht und den Puder.
Beschneiden, Rotieren, Spiegeln, Drehen, Ausflecken, Verzerren, Tonwerte angleichen, Wäscheklammer raus- und Haarvolumen reinretuschieren.
Klar gehe ich auch mal über meine Falten und mache sie etwas weicher, wenn sie zu unangenehm im Vordergrund stehen (muss ich aber gar nicht so oft, wie man denkt, ich benutze ja den Licht-Puder-Kniff). In der Hauptsache korrigiere ich das Make-up. Ich habe kein Talent zum Zeichnen, sonst wäre ich ja nicht Fotografin geworden. Dementsprechend retuschiere ich schiefe Konturen, ungleicher Lidstriche, verwuschelte Augenbrauen, mache eine abstehende Haarsträhne weg oder eliminiere Lippenstift vom Zahn. Ganz zwingend brauche ich Retusche bei Händen, vor allem für die Fingernägel.
Seitdem ich meinen neuen Turbo-PC (fliegt zum Mars und kocht Kaffee) und Windows 10 habe, versuche ich mich in GIMP, einer Bildbearbeitungs-Freeware, die ähnlich wie Photoshop aufgebaut ist. Die neuen Online-Lizenzen für Photoshop sind der Inbegriff moderner Sklaverei, da bin ich beim System-Update nicht mitgegangen. Wahrscheinlich benutze ich nur ein Zwanzigstel von dem, was Photoshop kann, also geht es mit einer Software, die eine Nummer kleiner ist und kostenlos, bestimmt auch.
GIMP gibt es mit deutscher Oberfläche, einem denglischen Handbuch und ist in den "einfachen" Funktionen (Drehen, Beschneiden, Tonwerte) einwandfrei. Da habe ich mich zügig eingearbeitet und das fluppt. Bei den Retuschen fängt es an zu klemmen. Das "Klon"-Werkzeug habe ich irgendwie noch nicht richtig unter Kontrolle.
Mit den Auswählen von Bildteilen bin ich auch noch nicht fein, aber dafür hat eine erste Collage schon funktioniert, wenn auch alles in einem Schneckentempo vonstatten geht, weil ich mit einem Auge im Handbuch hänge und die komplizierten Anleitungen natürlich alle auf englisch sind.
Grmmmpfl. Arbeitest Du mit GIMP oder einer anderen Bildbearbeitungs-Software?
Beispiel 5: Neulich habe ich mich auch mit Gramblr beschäftigt: eine Freeware-App, die es ermöglicht, Bilder vom PC auf Instagram hochzuladen. Ich wette, kein halbwegs professioneller Instagrammer fotografiert nur über die Kamera-App und lädt Bilder nur über das Smartphone hoch. Das ist nämlich ziemlich unkomfortabel. Vor allem, wenn man sich altersmäßig rasend der 50 nähert und man so winzigkleine Sachen wie eine Mini-Tastatur immer schlechter sehen kann.
Als Support kann man also Gramblr nutzen. Da kann man Bilder vom PC in den Browser hochladen, sie mit der schönen, großen Tastatur beschriften und per Verwaltungstool zeitversetzt in Instagram einstellen. Soweit, so klar, geht auch ganz fein.
Darüber hinaus gibt ein Zusatzfeature: da kann man sich Likes kaufen, beispielsweise, indem man Likes "tauscht". Da werden einem also 250 Fotos stroboskopartig vorserviert, und man liked sich da tapfer durch. Für die getane "Mühe" bekommt man ein virtuelles Guthaben, und kann im Umkehrschluss über das gleiche Tool andere Leute mit Fotos fluten und im Gegenwert "seine" Likes bekommen.
Aha, so so. Daher kommen also diese mysteriösen gekauften Likes, über die so oft hinter vorgehaltener Hand gelästert wird. Hier werden die gezeugt, geboren und in die Welt gelassen.
Ich will eigentlich gar nichts großartiges von meinem Instagram-Account, außer mich von schönen Schmuckkreationen rund um den Globus inspirieren zu lassen. Aber selbst da versagt den Leuten das Talent.
Nach der anfänglichen Begeisterung stelle ich fest, dass die Regeln für Instgram die gleichen sind wie für alles andere Digitale: Masse statt Klasse, endlose Wiederholungen, Unsinn in Reinkultur und Werbung, Werbung, Werbung, Werbung, Werbung.
Ich verirre mich ja ab und zu auf echte Fanpages. Die sind wahrscheinlich nicht meinem Alter entsprechend, denn die Kommentare dort scheinen ausnahmslos von debilen Sechsjährigen zu stammen. Was wahrscheinlich den Tatsachen entspricht: "beautiful wow oml send help", "omg sooo cute", "YAYAAAYYYAAA".
Professionelle Accounts haben ihren eigenen Charme. Da sitzt an anderen Ende kein echter Mensch, sondern eine ehrgeizige PR-Redakteurin, die außer der Star-Wars-Page noch 210 andere Fanpages betreut, dies mit einem Minimum an Aufwand abwickelt, alle 250 Einträge diese automatisch in anderer Reihenfolge wiederholt, und sich für Kommentare vollautomatisch bedankt. Klar, wie soll es auch anders gehen?
Wahrscheinlich gibt es auch eine App, die debile-Sechsjährigen-Kommentare vollautomatisch generiert und vollautomatisch an 250 Fanpages verschickt. Ich könnte schwören, auf Instagram werden Beiträge und Kommentare hauptsächlich von künstlichen Intelligenzen erzeugt. Wenn man wie ich damit nicht groß geworden ist, mag man kaum glauben, dass sich Menschen das Gehampel wirklich freiwillig antun.
Und jetzt kann ich es ja auch sagen: mein Blog ist sowieso Fake, der wird von einer Projektgruppe asiatischer Grundschülerinnen auf der anderen Seite des Globus' betreut, und der hier gezeigte Schmuck, den gibts gar nicht in echt, sondern der wird rein digital erzeugt.
Edna Mo's Kunstharz-Erzeugnisse, hier eine Gruppe von Ohrringen mit der lindgrün-schwarzen Marmorierung. Ein wunderbares Muster, es ist grafisch ausnehmend gut gelungen.
In Echt geht das doch gar nicht.
Auf den Portraits oben trage ich die etwas aufwändigeren Ohrringe, jeder besteht aus insgesamt 5 Teilen, und ich nenne sie die "Chandelier-Ohrringe", weil sie wie ein Kronleuchter nach unten immer kleinteiliger werden. Check meine Ohrring-Rubrik in meinem Etsy-Shop auf ednamo.etsy.com, dort aktualisiere ich regelmäßig die (höchst virtuellen) Bestände!
Ich tu mal so als ob ich grüßen würde,
Amazing!
Edna Mo