24. Januar 2018
Madame Mo schwebt weißbekittelt in ihr Atelier, wo sie begleitet von den Klängen göttlicher Harfenmusik die unglaublichsten Ideen entwickelt. Diese werden erst liebevoll skizziert, schnurstracks in die Tat umgesetzt, dokumentiert und verbloggt, und versüßen jeder Leserin und jedem Leser die eigenen Vorstellungen von dem, was man mit Kunstharz so machen könnte.
Nö, so darf man sich das nicht vorstellen. Auch ich habe bezogen auf meine Tätigkeit am Kunstharz so etwas wie Tagesgeschäft, dass meist unbemerkt im Hintergrund vorüberblubbert. Da es in letzter Zeit ein paar ganz lustige Sachen zu tun gab, möchte ich heute einmal davon berichten, was mich so neben den eigenen Gedanken zu Ohrringen und logistischen Workshovorbereitungen beschäftigt.
Nummer 1) Pimp up my earrings
Diese Anfrage stammt nicht von mir, auch wenn es thematisch derzeit in mein Beuteschema passt, sondern von Monika. Monika ist eine Erscheinung aus meiner Nachbarschaft, Charakterkopf und Wunderweib, die meine Leidenschaft für Ohrringe teilt, und zwar schon viel länger als ich. Nicht nur, dass sie ab und zu ein Stück meiner Kollektion erwirbt, ab und zu fertige ich Sonderstücke für sie an und lege meine heilenden Hände auf manches Schätzlein ihrer Sammlung. Für sie durfte ich in letzter Zeit öfter tätig werden, und Monika wäre nicht Monika, wenn sie es nicht schaffen würde, mich zu Höchstleistungen anzutreiben.
Sie wünschte sich beispielsweise ein geclipstes, asymmetrisches Pendant zu einem Pendelohring aus meiner aktuellen Kollektion. Dieses asymmetrische Paar trage ich auf den Fotos, ich wollte zu gerne einmal sehen, wie so eine Anordnung an mir aussieht. Nächstes Mal frage ich Monika, ob sie mir Modell steht. An ihr sieht einfach alles Gebamsel sagenhaft gut aus.
Zu einem Vintage-Ohrring-Einzelstück wünschte Monika sich außerdem einen ähnlichen Zwilling. Immer eine Herausforderung, Farben exakt zu mischen, aber ich meine, es ist mir fast perfekt gelungen. Hier Original und die beiden Gießlinge (ich werde wohl den etwas dunkleren rechts nehmen) vor der Endbearbeitung.
Zu einem Pendelohrring, der schon vor längerer Zeit in Monikas Besitz wechselte, wünschte sie sich die Anpassung mit einem Stecker statt des ursprünglich montierten Hakens. Hier links das Original aus 2015.
Trotzdem sollte das für den Fischhaken benötigte Metallteil optisch erhalten bleiben.
Nummer 2) Sand the openings larger
Kate aus Portland, Oregon, wollte gerne Ringe aus meinem Etsy-Shop kaufen, wünschte sich aber eine größere Ringgröße. Als gute Kundin meines Shops habe ich ihre den Gefallen gerne getan, auch wenn ich beim nachträglichen Bearbeiten bereits gekaufter Stücke immer Blut und Wasser schwitze.
Ein falscher Handgriff mit dem Dremel und das Exponat hat eine verschrammte Oberfläche, einmal nicht aufgepasst, und das Ding fliegt (natürlich) auf den einzigen Quadratmeter Fliesenboden im Atelier und zerbricht, alles schon passiert. Insofern bin ich immer sehr aufmerksam und konzentriert und extrem erleichtert, wenn diese Nachbearbeitung abgeschlossen ist.
Um die Ringschiene nicht weiter zu strapazieren, wurden die Ringe nur auf der oberen Innenseite aufgefräst, die Öffnung wurde also zunehmend ovaler gemacht. Ein bis zwei Millimeter reichten schon aus, um Kates Fingergelenke bequem durch die Öffnungen zu manövrieren.
Und natürlich - Du weißt um meine Bemühungen zu Kunstharz-Schmuck mit großen Durchmessern - habe ich flugs vor dem Versand ins Ausland noch eine Silikonform der vergrößerten Ringe hergestellt, um weitere Gießharz-Duplikate anfertigen zu können.
Nummer 3) Bitte klein und fein
Ich verkünstel mich in der Herstellung möglichst vielteiliger Ohrringe, aber nicht jederfrau ist Fan davon. Katharina wünschte sich möglichst kleine solitäre Taler, jedoch in ausgewählter Farbstellung. Schwarz-weiß weich marmoriert und rosa-gold gefleckt war Ihre Farbvorstellung, jeweils mit Silbersteckern konfektioniert. Ich fertigte einige Taler zur Auswahl an, da ich es ja meist nicht auf Anhieb schaffe, das Gewünschte herzustellen.
Und sonst so:
Bei der Endbearbeitung muss ich mir aktuell ein etwas längeres Zeitfenster einplanen. Nachdem ich dank der heftigen Gartenarbeit im November einen offiziell anerkannten Tennisarm habe, bin ich einigermaßen gehandicapt und kann / sollte Drehbewegungen aus dem Ellenbogengelenk nur dosiert einsetzen. Kleiner Scherz, für jemand, der viel mit dem Händen macht.
Gerade Schleifen (egal ob maschinell oder manuell) ist derzeit nicht in größerem Umfang machbar, deshalb versuche ich, immer nur soviel wie nötig zu machen, und die Umsetzung auf mehrere Tage zu verteilen. Trotzdem ist mein Arm oft "Pudding", und hängt einfach oft wie tot aus meiner Schulter.
Händeschütteln ist übrigens seitdem eine Qual. Falls Dir also mal ein Gegenüber mit einem äußerst schlaffen Händedruck begegnet, muss das nicht zwangsläufig an einem wenig expressiven Charakter liegen, sondern kann auch aus einem schmerzhaften Ellenbogengelenk resultieren. Neulich hat mir jemand fast vor Begeisterung die Gelenke gebrochen, und ich konnte dem einfach nichts entgegensetzen. Wie Gummihandschuhe mit Frischkäse drin.
Und was die göttliche Harfenmusik angeht: nachdem ich neulich bei meinem Vater die Plattensammlung aufgelöst habe, ist mir die Scheibe "Feline" von den Stranglers in die Hände gefallen. Als ich sie 1982 kaufte, mochte ich sie gar nicht leiden, deswegen staubte sie in Süddeutschland vor sich hin. Jetzt finde ich sie grandios! Also in Moment donnern diese Klänge durch mein Ohr, wenn ich im Atelier arbeite.
Einseitig armlose Grüße sendet Dir
Edna Mo