8. Januar 2017
Ende letzten Jahres erreichte mich wieder ein Einbettungs-Auftrag. Der war selbst für mich etwas besonderes, daher gibt es heute eine ausführliche und handwerklich angehauchte Strecke mit vielen How-to-Fotos.
Der Wunsch war, zwei Zähne als Anhänger in Kunstharz zu fassen. Die Beißerchen hat Emanuel vor einigen Jahren operativ verloren. Nun war die Idee, dass ein Zahn als Anhänger für ihn und der zweite für Alexandra, seine Mutter, nach den Wünschen der beiden gestaltet werden sollte. Der Auftakt der Zusammenarbeit war also dies unscheinbare Tütchen, in dem die beiden Zähne den Weg zu mir gefunden haben.
Das "was" stand also fest, nur das "wie" hatte es in sich.
Von seinem Anhänger hatte Emanuel eine ganz genaue Vorstellung, die für mich als umsetzende Kraft gar nicht so leicht zu erfüllen war. Harz ist flüssig und benötigt eine Form, und genau die gewünschte, kantige Form hatte ich nicht im Portfolio. Eine ganze Zeit habe ich also mit Alexandra und Emanuel konferiert, um Idee und Umsetzungsmöglichkeit in Einklang zu bringen.
Alexandras Wunsch nach einem "Bling-Bling"-Medaillon war hingegen ein gestalterisches Kinderspiel. Zwei Jahre habe ich fast nichts anderes als glitzernde Anhänger gemacht, so dass ich spontan eine Vision hatte, wie man den Zahn in einem Perlenarrangement integrieren kann, so dass er auf den ersten Blick nicht unbedingt als solcher zu erkennen ist. Dafür wird der Anhänger in insgesamt drei Schichten gegossen.
Wichtiges Element ist die "Bühne", also ein durchgängig gestalteter Untergrund. Man gießt eine dünne Schicht klares Harz (hier: in eine Taler-Silikonform mit Durchmesser 3,5 cm) und lässt es anhärten. Auf das noch klebrige Harz wird Schlagmetall (auch Blattgold genannt) in Schnipseln aufgebracht. Das sieht dann so aus:
Auf die so geschaffene, metallisch schimmernde Fläche werden Perlen und Metallelemente drapiert. Mit einer Straß- und Perlenkette sowie bronzierten Perlen wurde ein Ornament gelegt, in dem der bei der Operation gesplitterte Zahn als helles Element in der Mitte platziert wurde.
Das Perlendekor wird mit einer dünnen Schicht Harz fixiert. Hier muss während der Trocknung das Arrangement beobachtet werden, die Perlen gehen auf dem dünnen Harzfilm nämlich gerne auf Wanderschaft. Mit einem Zahnstocher werden sie zärtlich in die gewünschte Position zurückgeschubst.
Wichtig ist auch, dass kein Element direkt am Rand der Silikonform anliegt. Ein runder Anhänger mit 3,5 cm Durchmesser ist, mit Verlaub, ein ziemlicher Klops. Zwangsläufig wird der Anhänger auch eine durch die Perlen bedingte Höhe aufweisen. Diese plumpe Form kann durch weich gerundete Kanten wieder in eine elegante Erscheinung verwandelt werden, und dafür wird der Anhänger rundum geschliffen.
Dabei verliert man rund einem Milimeter Material. Den "Abschliff" sollte man vorher einplanen, sonst werden die Element am Rand mit angeschliffen.
Doof sieht das zwar nicht aus, aber es ergeben sich hauchfeine Kanten zwischen Harz und Perle. Wer gerne knibbelt (und ich gehöre leider auch zu diesen Menschen, die mit ihren Fingernägeln Unebenheiten permanent und zwanghaft abtasten müssen), wird aus einem kleinen Spalt einen großen Spalt knibbeln und vielleicht auch ein Stück Harz ausbrechen. Aus Gründen der Langlebigkeit achte ich also darauf, einen möglichst abgeschlossenen Gießling anzufertigen.
Nach dem Gießen sieht der Anhänger noch nicht besonders formschön aus:
Hier ein Foto nach dem Grobschliff mit 180er Schleifpapier. Die Vorderkante wird stark, die rückseite Kante etwas weniger doll abgerundet. Durch das Schleifen wiird das Harz matt und der Gießling wird dann mit drei weiteren Körnungen Schleifpapier und dem Polieraufsatz an der Bohrmaschine hochglänzend bearbeitet.
Auf dem Foto kann man noch eine kleine Luftblase am Rand erkennen. Das liegt an dem feinen Schlagmetall, in dessen winzige Falten sich gerne etwas Luft versteckt. Die offene Stelle habe ich nach dem Grobschliff entdeckt und dann noch mit einem Tropfen Harz verschlossen, bevor es mit der Bearbeitung weitergeganen ist.
Zwischen dem ersten und dem zweiten Schleifgang wird das Bohrloch gesetzt.
Und so zauberhaft magisch gülden sieht der Bling-Bling-Anhänger für Alexandra nach der Bearbeitung aus:
Emanuels Anhänger hatte ein insgesamt komplexes Anforderungsprofil:
- facettierte Form, ähnlich eines Kristalls
- Zahneinbettung
- nachtleuchtend
- schwarze Elemente
- mit stabiler Einschrauböse und Lederband maskulin konfektioniert
Ich liebe solche Aufträge. Beim ersten Durchlesen weiß man sofort, dass eine Umsetzung eigentlich überhaupt nicht zu realisieren ist, weil sich einige der Wünsche gänzlich widersprechen. Wenn man das Problem aber lange genug von allen Seiten betrachtet, kommt am Ende doch eine Lösung heraus.
Mein Dank geht eindeutig an meine fleißig mitdenkenden Auftraggeber, die nicht nur Hochkomplexes formuliert, sonder auch aktiv die Kompromisse mitgestaltet haben. Ich finde es famos, wenn am Ende etwas herauskommt, mit dem alle zufrieden sind, und ich habe sogar etwas dabei gelernt. Aber ich greife vor!
Der Nachtleuchteffekt im Harz. Ist jetzt nichts ungewöhnliches. In der männlich gepägte Kunstharz-Szene ist der Effekt allerdings ein großes Thema. Nachtleuchtende Möbelknöpfe aus Harz oder mit nachtleuchtendem Harz verfugte Risse in Holztischplatten werde da gerne umgesetzt. Aber in der Welt von Edna Mo: nachtleuchtender Schmuck - da sehe ich den Sinn irgendwie nicht.
Der Nachtleuchteffekt im Harz wird durch ein Pigment oder durch ein Granulat erzeugt, das mit eingerührt wird. Beide Möglichkeiten habe ich ausgetestet. Leider ist es so, dass sowohl Pigment als auch Granulat im Harz absinken, und nur die Pigment- oder Granulat-Schicht dann leuchtet. Das Granulat leuchtet schwach, das Pigment deutlich intensiver. Das allerdings wunderschön. Ich habe hier mal ein schlechtes Foto meiner Test-Gießlinge, aber die Farbe ist wirklich absolut bezaubernd.
Eigentlich ist es mehr ein Glimmen oder Schimmern, und der Effekt löst augenblicklich einen Haben-will-Reflex aus. Im Atelier habe ich mir die Teststeine von unten in den Pullover und den Kopf in den Halssausschnitt gesteckt, um den Effekt in der Dunkelheit beurteilen zu können. Ganze Minuten saß ich so in meinem Pullover versteckt und hab mich an diesem sanften Glühen erfreut. Jetzt weiß ich auch, warum man darauf so versessen sein kann!
Um Emanuels Wunschform erzeugen zu können, wurde eine spezielle Silikonform angeschafft. Es handelt sich um ein Prisma mit 8 Flächen, dass 5 cm lang ist und einen Durchmesser von 12 mm hat. Die Dicke war nicht unentscheidend, schließlich sollte der Zahn da gut "hineinpassen".
Wohlwissend, dass die Silikonform zwar nicht supergünstig ist, dafür aber eine hochglänzende Oberfläche beim späteren Gießling erzeugen wird und die einzelnen Flächen nicht mehr geschliffen werden müssen, war es einfacher, in in einem Online-Shop zu bestellen, als selber eine Form herzustellen. Und das beste: der Shop liefert immer einen Muster-Gießling mit.
Und jetzt kam der kniffelige Teil, nämlich die Gestaltungswünsche in eine technische Reihenfolge für das Gießen zu übersetzen.
Ich hoffe, man kann aus dem oberen und dem nachfolgenden Foto erkenne, wie ich meine Gedanken sortiert habe.
- der Zahn darf nicht frei im Harz schweben, er sollte oben "befestigt" sein.
(Es gibt eben ein paar optische Gesetze, denen man sich nicht entziehen kann, und dies ist eines davon! Es sieht einfach besser aus und passt zu der insgesamt länglichen Form des Prismas)
- die Einschrauböse hat ein relativ langes Gewinde, dass im blickdichten Harz verschwinden sollte
- das nachtleuchtende Harz ist unglückliocherweise bei Tageslich undurchsichtig. Um den Zahn sehen zu können, sollte er hingegen im klaren Harz eingebettet sein.
Fazit: der Anhänger muss in verschiedenen Schichten gegossen werden, um alle Wünsche zu erfüllen:
untere Schicht: nachtleuchtend mit schwarzem Effektgranulat
mittlere Schicht: transparent klar mit Zahneinbettung
obere Schicht: schwarzer Sockel, in der das Gewinde verschwindet.
Und einen markanten Farbakzent setzt
Dank des Muster-Gießlings konnte ich die Anordnung simulieren und die Höhe der einzelnen Schichten festlegen (siehe Zahnstocher) und mit einer Hilfskonstruktion (mit Schnur befestigter Klebstreifen) auf die Silikonform übertragen. Die Breite des schwarzen Klebstreifens markiert die transparente Schicht, und Ober- und Unterkante die jeweilige Eingießhöhe des Harzes.
Warum ich so eine ulkige Vorrichtung ausgedacht habe, liegt daran, dass auf Silikon der Klebstreifen nicht haftet sondern zwangsläufig irgendwann einfach abfällt. Merkwürdigerweise hängt der Erfolg beim Harzen sehr oft von solchen "Hilfskonstruktionen" ab.
Darüber sollte ich mal einen eigenen Blogeintrag schreiben!!!
Mein erster Gießtest hat ergeben, dass die einzelnen Harzschichten ganz pingelig sauber in die Gießform geträufelt werden müssen. Tropfen des nachtleuchtenden Harzes am Rand der klaren Schicht trüben den optischen Eindruck.
Insofern wurde die erste Schicht des nachtleuchtenden Harzes mit einer Pipette bis zum unteren Rand des schwarzen Markierunsgstreifens eingeträufelt.
Das Effektgranulat wurde aufgestreut. Durch das Eigengewicht sinkt es von alleine auf den Boden der Form.
Für die zweite Schicht sollte der Zahn in einer bestimmten Höhe mittig in der Silikonform schweben. Nichts leichter als das, mit der geeigneten Hilfskonstruktion (erwähnte ich schon die Bedeutung guter Hilfskonstruktionen?). Auch diese lässt wieder jedes Ingenieurherz höher schlagen.
Mithilfe der dritten Hand (das Ding gibts im Baumarkt und heißt tatsächlich so) wird ein Essstäbchen in die geeignete Position gebacht. Der Zahn wird mit einem Klumpen Foto-Kitt (gemeint sind weichgeknetete Tesa Power Stripes, sie sind für Fotoaufnahmen absolut unerlässlich) am Ende des Esstäbchens befestigt. Ich habe vorab einen 24-Stunden-Stabilitätstest gemacht und gewartet, ob der kleine Klumpen Kitt den Zahn halten kann oder ob er vielleicht zwischendurch abfällt.
Soviel Zeit muss sein. Nichts wäre so ärgerlich wie ein Zahn, der sich währen des Harz-Härtens aus dem Staub macht und am Ende an der falschen Stelle eingegossen wird.
Mithilfe des Klebstreifen-Markierung und etwas Fummelei konnte der Zahn also an die richtige Stelle innerhalb der Silikonform bugsiert werden.
Das klare Harz wurde ebenso mit einer Pipette eingefüllt. Das feine Dosieren ist damit ganz einfach möglich. Zuviel Harz kann auch einfach wieder "abgesaugt" werden.
Nach dem Härten wird die Hilfskonstruktion gelöst (der Zahn ist ja nun durch die transparente Harzschicht fixiert) und der verbliebende Leeraum mit schwarz gefärbten Harz aufgefüllt.
Von diesem Schritt habe ich kein Foto, denn urplötzlich war es eine Woche vor Weihnachten und ich habe mich mächtig beeilt, die beiden Anhänger noch pünkltich zum Fest verschicken zu können.
Nach dem Trocknen und Schleifen der Eingießfläche ziegt sich der Anhänger so: alles ist genau so, wie Emanuel, Alexandra und ich uns das vorgestellt haben. Durch das Harz und die Flächenbrechung wirkt der Zahn sogar noch deutlich größer, als er eigentlich ist.
Die Eingießfläche wurde nach dem ersten Schliff vorgebohrt und fertig bearbeitet. Dann wurde die Öse eingedreht und das Lederband durchgefädelt. Die Spitze leuchtet wie verrückt in diesem bläulichen Ton im Dunkeln, und durch den Kontrast von Transparent und Schwarz ist eine ganz markante Optik entstanden.
Meine Kunden waren sehr zufrieden und ich bin es auch. Fast bin ich ein bißchen stolz, dass die Umsetzung so gut gelungen ist und ich bedanke mich bei Emanuel, dass er mir das Interesse am nachtleuchtenden Harz vermittelt hat.
Ganz liebe (nachtleuchtende) Grüße sendet Dir
Edna Mo!