31. Mai 2022
Stell Dir vor, man könnte ohne Silikonformen - mit jeweils verlorenen Gießformen - Kunstharzobjekte gießen. Dass das eigentlich mit gefetteten Kartonverschalungen geht, habe ich im Kleinen schon ausprobiert. Ob das im Großen auch funktioniert? Beim Experimentieren kann man nur gewinnen - wenn nicht an Ergebnissen, dann an Erkentnis. Also gesagt, getan: aus zwei Pappröhren mit unterschiedlichen Durchmessern habe ich eine Verschalung für eine Art Röhre gebaut, die man beispielsweise für so etwas ähnliches wie eine Vase nutzen könnte.
Damit die Gußform funktioniert und der Karton sich nicht mit dem Kunstharz zu einer kompakten Masse verbindet, werden die Kartonoberflächen (Außenfläche der Innenverschalung und Innenfläche der Außenverschalung) mit Melkfett eingestrichen.
Das geht so: Zuerst wird die Innenverschalung mit Heißleim auf einen stabilen Kartonuntergrund geleimt. Die nach außen zeigende Fläche ist die Innenseite der zukünftigen Kunstharzform. Diese wird mit Melkfett gefettet. Das geht prima mit den Händen, oder man baut sich aus einem Vierkantholz und einen darum gewickelten Stück Baumwollstoff eine Art Flächenpinsel.
Dann wird die Innenseite der Außenröhre eingefettet. Das geht viel einfacher, wenn die Röhre noch lose ist und noch nicht auf der Grundplatte aufgeleimt.
Die Außenröhre wird nun ebenfalls auf die Grundfläche geleimt, so dass beide Pappröhren sich nicht berühren. Das Foto habe ich im Eifer des Gefechts vergessen. Zu sehr war ich eingenommen von dem Prozess, dass nun wirklich krass konkret Kunstharz in den Zwischenraum zwischen den beiden Pappröhren gegossen wird.
Da die Gefäßserie "Ednamite" im Terrazzo-Look gegossen wird, habe ich im Vorfel rund 750 g Kunstharz-Granulat in verschiedenen Grüntönen sowie schwarz als farbige Platten gegossen und nach dem Härten klein gehackt. Das Kunstharz-Granulat wird dann mit cremeweiß gefärbten Kunstharz benetzt und in die Kartonverschalung reingeschaufelt. Das klingt jetzt recht einfach, ist aber eine rechte Sauerei, wenn der Spalt nicht so breit ist. Bei mir ist die Öffnung am Karton zwischen 5 mm und 15 mm breit, das ist echt ziemlich klein für so grobes Granluat.
Am Ende habe ich die klumpige Pampe an der größten Öffnung eingeschlaufelt und mit einem langen Holzstab überall im Kartonspalt verteilt. Das hat echt lange gedauert.
Insgesamt habe ich drei Anläufe zum Füllen der Hülle gebraucht, da mein Granulat zwischendurch alle war und ich erst mal neue Farbplatten machen musste. Aber dann irgendwann war die Röhre endlich voll mit Kunstharz-Zeugs.
Das Auseinandernehmen der Kartonverschalungen geht mit Gewalt und einer Zange ganz gut von Statten, wenn auch der Karton an einigen Stellen doch am Kunstharz haftet.
Da der Karton das Trennmittel unterschiedlich stark aufsaugt, sind einige Stellen weniger gut gefettet als andere. So haftet der Karton doch stellenweise am Kunstharz.
Man kann die Kartonrückstände mit einer Metallfeile wegfeilen, oder aber den Gießling über Nacht in Wasser einlegen. Der Karton lässt sich dann mit einem Spachtel sauber abkratzen.
Es gibt noch diverse Zwischenschritte, die ich in der Dokumentation überspringe:
- Ausmerzen diverser Luftblasen an der Außenfläche mit nachträglichem Aufbohren und Befüllen mit transparentem Harz
- Schleifen der Außenfläche mit sehr groben Schleifpapier von Hand
- Glätten des Eingießrandes oben mit der Bohrmaschine und dem Schleifaufsatz für eine ebene Kante
Konkret wird die Form weiter aufgebaut, in dem die Röhre einen Boden erhält. Dafür wird die vorbereitete Röhre wieder mit der Heißklebepistole von außen auf einen Kartonboden geleimt. Der Kartonboden wird vorab wieder mit Melkfett behandelt.
Nun gibt es wieder etwas Zeitraffer. Nicht hier dokumentiert ist:
- das Ablösen der nun geschlossen Kunstharz-Röhre vom Kartonboden
- Bearbeiten des Bodens mit grobem 80er Schleifpapier von außen
- Bearbeiten der kompletten Außenfläche der Röhre mit 120er, 180er und 600er Schleifpapier
- das Anfertigen der Beine mithilfe einer Silikonform und einfarbigem Kunstharz
Die separat angefertigten Beine werden auf den Boden der Kopfüber stehenden Röhre gesetzt. Als Hilfsmittel dient mir klassisches Doppelklebeband, dass fest rund um die Rohre geklebt ist. Mit einer zusätzlichen Schicht Kunstharz und farbigem Kunstharz-Granulat werden die Beine fest auf dem Röhrenboden befestigt.
Hilfskonstruktion Doppelklebeband: so lässt sich eine zusätzliche Schicht Kunstharz auslaufsicher anbringen.
Dann fehlen wieder etliche Fotos von Arbeitsschritten. Hauptsächlich:
- Oberflächenbearbeitung der neu aufgeleimten Kunstharzschicht sowie der Angleichung der Oberflächen der separaten Füße.
Meine Idee war, dass die unifarbenen Füße ein Stück weit in das Terrazzo-Muster hineinragen. Um das anzugleichen wurde ungefähr drei Stunden mit diversen Werkzeugen und von Hand geschliffen (und noch viel mehr geflucht). Aber am Ende ist alles so geworden, wie ich es mir grob am Anfang vorgestellt habe.
Das Ednamite-Thema ist durchaus eine Lehrstunde in Beharrlichkeit, denn der Aufwand steht überhaupt nicht im Verhältnis zu einem möglichen Verkaufspreis. Aber um sich selbst herauszufordern ist das Thema ein meisterliches Lehrstsück.
Zum Glück (ironisch gemeint!) habe ich nur noch drei weitere dieser Monsterwerke auf Halde, die der Fertigstellung entgegensehen. Bis diese Exponate fertig sind, habe ich mir sämtliche Muskeln, Gelenke und Sehnen im Schulter- und Armbereich zu einer einzigen Entzündung verdichtet. Man ist eben keine 30 mehr, verfluchte Scheiße! Wann darf ich endlich wieder nur harmlose Ohrringe und Kettenteile machen????
Aber ich wollte es ja nicht anders. Also genieß die Show, ignoriere mein Jammern und erfreue dich an den schönen Ergebnissen solch übermenschlicher Anstrengungen.
Rundum schmerzende Grüße sendet Dir
Edna Mo