16. Januar 2018
Bei meinen Auftragsarbeiten, bei denen es darum geht, ein Andenken zu bewahren, geht es mitunter etwas makaber zu. Bisher hatte ich es nur mit Erinnerungsstücke an noch lebendige Wesen zu tun, bei der Anfrage von Ulla ging es jedoch um den geliebten Familienhund, der kürzlich verstorben war. Das ist schon etwas besonderes, wenn man daraus eine in Kunstharz verewigte Erinnerung machen soll, zumindest mir hat diese Aufgabe einen Heidenrespekt eingeflößt.
Der Wunsch war, aus Haaren vom Fell, Knochenstückchen und Resten der Einäscherung zwei Schmuckstücke zu machen, ein Prismenanhänger für Ullas Sohn und ein ovales Medaillon für Ullas Tochter.
Wenige Tage später erreichte mich die Sendung mit den Erinnerungsstücken: Ein Umschlag mit Fellhaaren von Rücken und Bauch des Hundes, ein Röhrchen mit den aus der Urne entnommenen Rückständen, das kleine Knochenstücke und eine Art Granulat enthielt. Asche wie man sie vom Holzfeuer kennt, ist das nicht, sondern eher eine Art grober Sand.
Da ich technisch gesehen bislang weder Knochenreste noch Verbrennungsrückstände eingegossen habe, wurde zunächst ein Test gemacht, wie sich die Elemente im Harz verhalten. Manche Einbettungen färben ab, werden blass oder verändern sich, sobald sie mit den Lösungsmitteln in Kontakt kommen, aber glücklicherweise blieben Granulat und Knochenreste gut erkennbar und unverändert.
Dass Haare im Harz gut funktionieren, hatte ich bereits bei einigen früheren Arbeiten schon ausprobiert.
Nach der technischen Klärung kommt der Teil, der mir besonders Spaß macht. Es geht um die Gestaltung und Anordnung der einzelnen Elemente. Drei Elemente, die sehr unterschiedlich aussehen, hübsch miteinander zu kombinieren, das ist schon eine Herausforderung.
Um besser arbeiten zu können, habe ich aus dem Fellbüscheln farblich sortierte Haarlocken gemacht. Eine Haarlocke ist ein zärtliches und liebevolles Element, während ein loses Haarbüschel eher an nicht erledigte Putzarbeit erinnert.
Das klingt jetzt so easy, Haarlocken machen. Ein Glück war das Fell lang genug dafür. Bei einem Kurzhaar-Hund ist es nicht möglich, Locken zu machen. Und ein Glück habe ich aus meinen Zeiten massiven Nähens ein umfangreiches Garnsortiment, so dass ich einen passenden braunen Faden in petto hatte.
Aber es ist tatsächlich eine ziemlich frickelige und fusselige Angelegenheit, und ich habe größte Mühe, meine Hände und den Arbeitsplatz im Atelier danach wieder haarfrei zu bekommen. Ein paar Haare sind zwangsläufig in meinem Mund gelandet, ob das so hygienisch ist, vermag ich auch nicht zu beurteilen. Ich fische jetzt immer noch einzelne Ausreißer aus meinen Silikonformen.
Damit die Haarlocken möglichst flach werden, habe ich sie mit Haarspray behandelt, in Form gelegt und gepresst.
In der ovalen Silikonform habe ich eine Anordnung für das Medaillon noch im trockenen Zustand ausprobiert.
Damit sie gut in die gewünschte Form passen, wurden die Haarlocken noch etwas gekürzt.
Aus dem Vorab-Test war ersichtlich, dass das Granulat eine schöne Struktur im Harz erzeugt. Daher sollte rechts das Medaillon durch die Haarlocken eingerahmt werden, links sollte das Granulat den Rand des später transparenten Anhängers definieren.
Da feines Granulat sehr schwer vom Silikon abzubekommen ist, habe ich das für die gestalterische Abstimmung weggelassen.
Zwei stark strukturierte Knochenstückchen füllen die Mitte aus.
Einerdünnen Grundschicht aus Harz wurde in die Silikonform eingeträufelt und durfte aushärten.
Danach wurden die Elemente aufgelegt und mit einigen Tropfen flüssigem Harz fixiert.
Nach dem Aushärten dieser Klebeschicht wurde die Endschicht Harz aufgetragen.
Da die Silikonform rund 10 mm hoch ist, das Medaillon aber so zierlich wie möglich sein sollte, wurde das Harz nicht bis zum Rand aufgegossen.
Das Medaillon nach dem Auslösen. Auch wenn das schon einigermaßen fertig aussieht:
Der Gießling ist zu dick, die vordere Kante ist aufgrund der Schrumpfung des Harzes scharf wie ein Messer und Unterseite und Ränder sind matt, da die Silikonform nicht hochglänzend ist.
Bei solchen Erinnerungs-Einbettungen ist meist eine komplette Nachbearbeitung durch Schleifen und Polieren nötig, um (in meinen Augen) einen Anhänger zu machen, der für die Einbettung ideal angepasst ist.
Auch mag ich runde Kanten auf der Vorderseite lieber, weil sich dadurch phantastische optische Brechungen ergeben, die einfach nur wunderschön sind. Da bin ich eben Ästhetin durch und durch.
Mit der Schleifscheibe und 160er Schleifpapier wird zunächst der Gießling so flach wie möglich geschliffen und die seitlichen Ränder ebenfalls überarbeitet.
Da das Thema Schleifen und Polieren eines der größten Hürden für den Harzkünstler ist, habe ich diese Schritte einmal für Dich dokumentiert.
Durch beidhändiges gleichmäßiges Aufdrücken auf die Schleifscheibe werden Vorder- und Rückseite geschliffen, bis sie rundum matt sind.
Die seitliche Kante wird einhändig aufgedrückt. Das allerdings mit weniger Druck, da ich die Außenform nicht verändern möchte. Dabei kontinuierliche drehen.
Zwischendurch reibe ich das Medaillon mit einem Tuch trocken, um zu beurteilen, ob die Oberfläche vollständig angeraut ist.
Die Vorderkante wird angeschrägt, in dem das Medaillon im 45 ° Winkel mit wenig Druck auf die Scheibe gehalten und dabei kontinuierlich gedreht wird.
(So klumpig und sehnig sehen Hände übrigens aus, wenn sie echte Arbeit verrichten, nicht zu vergleichen mit den lose herumbaumelnden Stengelchen, an denen ich sonst Ringe und Armreifen präsentiere!)
Nach dem ersten Schleifgang sieht das Medaillon so aus: rundum matt, Kratzer sind erkennbar, die vordere Kante ist auf einer Fläche von rund 2 mm abgeflacht worden. Mehr muss nicht sein, die Rundung wird bei jedem Schleifgang etwas ausgeprägter.
Nach dem ersten Schleifgang kommt das Bohren für die spätere Öse.
Das mache ich immer erst dann, wenn die vordere Kante schon grob abgerundet ist, da dies für die Positionierung des Bohrlochs wichtig ist.
Aber noch vor dem zweiten Schleifgang, damit im Falle einer Absplitterung mit Harz nachgearbeitet werden könnte.
Dann müsste man mit dem Schleifen noch einmal von vorne anfangen. Also nicht so viel Arbeit investieren!
An der Abrundung der ausgeprägteren Kante kann man sehen, dass ich das Foto erst nach dem 600er Schleifgang aufgenommen habe.
Nach dem 1.200er und dem 2.000er Schleifgang sieht das Medaillon so aus:
Alle Außenflächen sind samtig matt, es sind keine Kratzer mehr zu erkennen.
Allerdings: die schon recht flache Außenkante hat oben und unten immer noch eine "Stufe".
Ich mag richtig runde Kanten. Weil die Maschine das nicht hergibt, wird die Kante noch einmal von Hand nachgearbeitet.
Dazu nehme ich das 1.200er und das 2.000er Schleifpapier.
Auf meinem Arbeits-Holzklotz wird das Medaillon überhängend aufgelegt und mit der linken Hand festgehalten.
Die rechte Hand arbeitet mit einer weichen Bewegung und Druck nur die Kanten nach und glättet sie dabei zu einer Rundung.
Zwei Schleifdurchgänge sind hierzu noch nötig. Danach wird mit Polierpaste der Gießling komplett mit hohem Druck poliert.
(Um nicht schon wieder so widerliche Wurstfinger zu haben, habe ich hier merklich ganz ohne Druck posiert).
Danach gründlich waschen und mit einem weichen Baumwolltuch trocknen.
Das fertige Medaillon:
Mit Silberöse und Lederkordel zum fertigen Schmuckstück konfektioniert:
Nein, den Prismenanhänger möchte ich Dir nicht vorenthalten. Dummerweise ist nur die Silikonform zwischenzeitlich von Lösungsmitteln so angegriffen und innen trüb, dass man von außen fast nichts mehr erkennen kann.
Rein fotografisch jetzt nicht hilfreich. Auch für die Umsetzung war das hinderlich.
Ich habe im Übrigen bei der Bauhöhe des Anhängers die Anzahl der Schichten völlig unterschätzt, um die verschiedenen Elemente auf unterschiedlichen Höhen zu fixieren.
Am Ende wurden es 8 Schichten (inkl. 48 Stunden Härtezeit). Da wurde die Zeit bis Weihnachten dann sehr rasch sehr knapp. Der winterliche Kälteinbruch (16 ° C im Atelier) hat das Trocknen noch weiter verzögert. Notgedrungen hat der Prismenanhänger bei mir in der Wohnung übernachtet. Wegen der Ausdündtung der Lösungsmittel versuche ich das sonst sehr strikt zu vermeiden, aber es ging nun mal nicht anders.
Und anstatt den Anhänger einfach aus der Form zu schnicksen und fertig, mussten alle Außenflächen komplett von Hand mit Schleifpapier in vier Durchgängen überarbeitet werden. Die Silikonform ist einfach hinüber, da hilft einfach alles Fluchen nichts.
Aber das weiß man - wie meistens - erst hinterher.
Vielleicht hat mich der ganze Zeitdruck auch ein bißchen aus der Weihnachts-Vorfreude rausgerissen. Pünktlich zu festgesetzten Uhrzeiten musste gegossen werden, ob ich wollte oder nicht. Das hat die Tage bis zur Abgabe schon in ein zeitliches Korsett gezwängt. Aber am Ende war alles gut, und die Sendung ist nur einen Tag später als geplant zur Post gebracht worden und kollidierte nur um einen Tag mit der Premiere von Star Wars Episode 8.
Beim Prismenanhänger haben sich in den Haarlocken einige Luftblasen verfangen. Das hat mit der Haarstruktur und der Bauart der Silikonform, sowie mit der Positionierung der Haarlocken am Rand zu tun. Aber das ist nun mal gestaltetes Kunstharz-Handwerk in Handarbeit, das Ergebnis sieht nur selten aus wie ein gekauftes Industrieprodukt. Für die anspruchsvolle Aufgabe ist das Ergebnis ansprechend geworden, luftig und zart.
Hier der fertige Prismenanhänger:
Mir ist es immer wichtig, dass die ursprünglichen Elemente nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Trotz allem soll das Kunstharz-Schmuckstück auch schön sein und ansprechend, auch wenn man den Hintergrund nicht kennt.
Für den einen Menschen ist das Erinnerungsstück wichtig, der andere kann damit gar nichts anfangen und würde so etwas auch nie tragen. Aber ein Glück sind wir nicht alle gleich, das wäre auch zu langweilig.
In liebevollen Andenken an den einen Hund, der mich im letzten Jahr bis zum Weihnachtsfest im Geiste mit begleitet hat!
Viele Grüße sendet Dir
Edna Mo