26. Februar 2021
Manchmal gibt es einfach wunderschöne Auftragsanfragen, die meine kreativen Synapsen zum Schwingen bringen. Melanie wünschte sich einen Anhänger mit einem eingebetten Zahn für ihre kleine Tochter als Geschenk. Der Zahn wurde in einer OP entfernt und sollte fortan als "Glückszahn" das schlimme Erlebnis positiv belegen. Daher war die Aufgabenstellung, den Anhänger mit Farbe und zusätzlichen Elementen zu gestalten.
Wenn es ums Gestalten geht, und darum, eine Geschichte zu erzählen, bin ich voll in meinem Element. Soweit zur Theorie. Als der Zahn dann eintrudelte, stellte ich fest, dass es sich um zwei Zähne handelte, die zusammengewachsen waren, und vergleichsweise groß.
Melanie wünschte sich ein rundes Medaillon, und dieses sollte (für ein kleines Mädchen) auch eher klein sein. Nach Sichtung des Zahns entschlossen wir, dass ein Medaillon mit 3 cm Durchmesser das richtige Format für den Zahn und noch etwas "drumherum" hatte.
Also habe ich nach Klärung der Farbvorlieben verschiedene dünne Harztaler gegossen, die als "Hintergrund" dienen sollten. Damit und zusätzlichen Schmuckelementen wurden verschiedene Entwürfe in" trockenem Zustand" gelegt.
Ich weiß , dass Geschmäcker verschieden sind und sich im Laufe der Zeit verändern. Mir war wichtig, dass der Zahn nicht unbedingt auf den Blick erkennbar sein sollte. Es war ehrlich ganz schön anspruchsvoll, ein passendes Layout zu finden. Für mich ist ein Zahn nicht unbedingt der Gipfel der Schönheit, und der Doppelzahn hatte darüber hinaus ein ungünstig quadratisches Format.
Beim nachfolgenden Entwurf hat es dann bei mir "klick" gemacht. Statt einem Durcheinander von Zahn und anderen Einzelteilen entstand plötzlich das Bild von einem abstrahierten Löwen.
Als ich neulich meinem Vater von meinen aktuellen Auftragsarbeiten und meinen Schwierigkeiten bei der Umsetzung erzählte, musste er grinsen. Er sagte "Du bist die Erschafferin eines Mythos, das müsste man ganz anders angehen." Abgesehen davon, dass beim Kunstharzen immer etwas schief gehen kann, fand ich, dass er Recht hat, zumindest mit dem ersten Teil seiner Aussage. Und der Löwen-Entwurf geht eindeutig in die Mythos-Richtung.
Nun wünschte sich Melanie statt der Hintergründe mit Schlagmetall den mit türkisem Glitter.
Da sich das Türkis mit den Perlen, die die Augen darstellen, farblich gebissen hat, habe ich diese mit schwarzem Sprühlack abgedunkelt.
Und siehe da - aus dem Löwe wurde ein Bär!
So sollte der Anhänger schließlich umgesetzt werden. Nach dem Aufgießen des Arrangements mit transparentem Kunstharz musste die Rückseite noch mit einer zusätzlichen, transparenten Deckschicht versehen werden - Beim Schleifen wird nämlich auch der Farbstoff vom Glitter abgeschliffen, so dass nur noch silberfarbener Glitter zu sehen wäre.
Nach dem Gießen sieht der Anhänger zwar schon ganz ok aus, aber die wahre Schönheit kommt erst mit dem Schliff und abgerundeten Kanten.
Beim Grobschliff erhält der Anhänger seine finale Höhe.
Danach werden alle Oberflächen mit drei Sorten Schleifpapier fein geschliffen und die Kanten eingearbeitet.
Mit Schliff und Polieren erhält der Anhänger seine endgültige Form, den Hochglanz und die Transparenz, so dass man die Einbettung gut erkennen kann.
Es gibt Sachen, die mir auch mal nicht so gut gelingen. Aber beim Glücksanhänger von Melanie - trotz anfänglicher Bedenken meinerseits, ob ein hübsches Layout mit dem Zahngelingen würde - bin ich super happy mit dem Ergebnis. Ein kindlicher Anhänger für ein kleines Mädchen, ein starker Bär als Beschützer und Freund statt eines garstigen Zahns. Ich denke, dass der Anhänger es schaffen wird, die unangenehme Operation vergessen zu lassen. Also: Auftrag erfüllt.
Meine Kundin war ebenfalls sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Schöner kann so eine Geschichte nicht ausgehen!
Bärig zufriedene Grüße sendet Dir
Edna Mo
PS: Diese Art der Medaillon-Umsetzung geht übrigens auch ohne Zähne: