24. Juni 2016
Im Zuge der Buchmacherei habe ich viele neue Techniken für die Verarbeitung mit Gießharz ausprobiert. Im folgenden Beitrag geht es aber weder um Bärenkräfte, noch maschinelle Gewalt oder sonst ein exotisches Tool, welches in Kellerlöchern von dunkelhäutigen Kindern bei Kerzenschein hergestellt wird. Es geht um Klebeband.
Da der folgende Beitrag einen Hang zum Technischen hat, habe ich statt eines steifen Produktfotos das Kernthema fotografisch einmal anders illustriert. So kann ich sicher sein, die werte Leserschaft mit einem weichen Einstieg in das gleich knallhart handwerklich abdriftende Thema zu locken.
Mein Klebeband-kompetenter Kollege:
Mr. Fix
Bevor der Schock über diese Verwandlung verarbeitet ist, stoße ich direkt meinen inhaltlichen Aufhänger in deinen geschwächten Geist.
Harz und Klebeband - Häh? Noch mal von vorn. Was?
Harz braucht Hilfe
Gießharz ist bekanntermaßen flüssig und braucht irgendeine Art von Formgeber. Normalerweise nutzt man Silikonformen aus dem Back- oder Patisseriebedarf, oder man kauft spezielle Silikonformen oder stellt selber Silikonformen her.
Oder man nimmt etwas "Vorhandens mit Rand und/oder einer Öffnung" und ergänzt die vorhandene Form mit Klebeband. Auf diese Art entstehen aus den alltäglichsten Dingen Gießformen.
Für Harz-Neulinge, die loslegen möchten, ohne wochenlangen Zeit in Recherchen nach Profi-Equipment zu versenken, die perfekte Einsteigerdroge.
Mein erstes Experiment dazu war der Armreif, der mithilfe eines Klebeband-Bodens in ein Gefäß verwandelt wurde.
Das Charmante bei dieser Technik ist, dass man dank angeborenem Einfallsreichtum ungefähr 37 Millionen Ideen bekommt, was man zum Einsatz mit Gießharz mithilfe von Klebeband zweckentfremden kann, und ich werde dazu mehrere Anleitungen erstellen.
Tape fürs Harzen - aber welches?
Im Zuge meiner mannigfaltigen Untersuchungen habe ich verschiedene Arten und Sorten von Klebeband ausgetestet, und es kommen für die verschiedenen Einsatzzwecke bisher zwei Arten in Frage. Sie sind von diversen Herstellern. Ich wünschte inniglich, die Firmen hätten mich gesponsert, da ich kilometerweise Klebeband verbraucht habe, aber leider: nein. Einer zukünftigen Kooperation bin ich ganz und gar nicht abgeneigt und hebe an der Stelle schon mal interessiert den Finger!
Für die hier gezeigte Harz-Tape-Technik, in der eine Scheibe einen "Rand" verpasst bekommt, ist Doppelklebeband oder auch Teppichklebeband am besten geeignet.
Mr. Fix wurde übrigens mit dem Klebeband ausgestattet, dass beim Eignungstest weniger gut abgeschnitten hat!
Neben dem TAPE ist der zweite Akteur in der nachfolgenden Story: das HARZ.
Darauf gehe ich in dieser Anleitung nicht näher ein, sondern verweise auf die bereits bestehenden Anleitungen hier und hier.
Dritter Mitspieler ist "das Vorhandene mit Rand und/oder Öffnung". In dieser Anleitung ist das ein (huch, ulkigerweise von mir gemachter) transparente DEKO-SCHEIBE aus Harz, die im folgenden zu einem dreidimensionalen Objekt umgearbeitet wird. Aus der zwar ganz hübschen aber sonst nicht weiter aufregenden Scheibe soll ein futuristisch anmutendes, rätselhaftes Objekt für meine Teilnahme an der Gruppenausstellung zum "Cosmophilen Congress" werden. Dafür werden weitere Schichten Harz aufgebracht und Objekte eingebettet, die die sachliche Form der Scheibe auflösen und für verwirrende optische Effekte sorgen sollen.
Vorteile der Harz-Tape-Technik
Im Übrigen muss der das vorhandene Objekt (hier: Scheibe) gar nicht zwingend aus Harz sein. Diese Technik besticht dadurch, dass man auch alles andere nehmen kann, was einen glatten Rand hat: beispielsweise einen Teller, eine Tischplatte oder auch eine Schallplatte. Dieser "Träger" wird durch das Harz mit allen anderen Materiaien verbunden und wird Teil des Gesamtwerks.
In jedem Fall, und hier kommt der eigentliche Anreiz, sich mit Klebeband herumzuplagen, kann das so entstehende Objekt durch zusätzliche Einbettungen im Harz ganz nach Gusto gestaltet werden.
Beispiel: Dekoteller-aus-Schallplatte-mit-eingebetteten-Fotoschnipseln-o. ä.-Upcycling, Tischplatte-mit eingebettetem-Stoff-als-Mustergebe-Makeover usw usf.
Alternativ sind statt oder in Kombination mit Einbettungen auch Farbgestaltungen im Harz möglich.
Und: Bis auf das Reinigen der Kante fällt keine zusätzliche Nachbearbeitung an.
Wer gerne mit meditativem Schleifen seine Zeit verbingen möchte, für den ist diese Technik eindeutig nicht geeignet!
Los geht's
Die Harz-Scheibe hat für ihren Auftritt auf der Frankfurter Messe unglücklicherweise eine Bohrung für eine Aufhängung verpasst bekommen. Die möchte ich weghaben. Damit das Harz ohne Luftblasen einfließen kann, wird die Bohrung mit einem Fräsaufsatz am Minibohrer trichterförmig vergrößert.
Wir bauen eine Gießform!
Nun folgt der völlig unspektakuläre, aber entscheidende Teil der Anleitung: man nehme einen Streifen breites Doppelklebeband, der so lang ist, das es um die Scheibe passt und sich auch noch überlappt.
Die Harz-Scheibe wird mit dem Rand mittig auf die klebrige Seite des Doppelklebebandes platziert.
Mittig deshalb, weil ich den Taler von beiden Seiten bearbeiten werde und das Klebeband zwischendruch nicht abgenommen oder erneuert wird.
Das Befestigen geht am Besten, wenn das Klebeband mit der gesicherten Seite auf den Tisch legt und man den Taler auf die klebende Seite von oben hochkant aufsetzt und auf dem Klebeband weiterdreht.
Wichtig: Die Enden müssen sich breit überlappen und das Klebeband muss nachträglich rundum noch einmal fest angepresst werden. Natürlich wird auch das Bohrloch mit einem Stück Klebeband verschlossen. Sonst blubbert das Harz wie durch einem Badewannenabfluß raus.
Und das war schon die ganze Magie, da haben wir der Scheibe einen Rand verpasst und in Nullkommanix eine Gießform erstellt. Ulkigerweise hält die Klebeverbindung so gut, dass flüssiges Harz nicht auslaufen kann (faltenfreier Klebebandauftrag und festes Andrücken vorausgesetzt).
Harz giessen in die Tape-Giessform
Auf die Scheibe wird gleich Gießharz gegossen. Damit die Scheibe nicht auf dem nach unten abstehenden Teil des Klebebends aufliegt, wird sie auf einen Sockel gelegt.
Für den absolut unwahrscheinlichen Fall, dasss das flüssige Harz ausläuft, wird die ganze Konstruktion auf eine wasserfeste Unterlage gestellt, hier mit cosmophil angehauchten Sternenmuster.
Für derlei Aktivitäten empfiehlt Mr. Fix Tischsets aus Plastik. Wenn die vollgeharzt sind, und das dauert seine Zeit, werden sie weggeschmissen.
Auf die bestehende Scheibe wird eine Schicht Harz aufgetragen. Dank Rand aus Tape fließt nichts aus.
Harz wird nach Packungsangabe im Mischungsverhältnis zusammengerührt, umgetopft, darf 15 Minuten entlüften und wird dann gnadelos auf die Scheibe gekippt. Dann wird das ganze staubfrei abgedeckt und darf ein bißchen aushärten.
Diese Harzschicht hat zwei Aufgaben. Erstens dient sie dazu, die Dicke der urspünglichen Scheibe von 1 cm weiter aufzubauen. Zweitens werden zusätzliche Elemente aus Aluminiumblech aufgebracht. Wenn man die Aushärtezeit der neuen Harzschicht zur Hälfte abwartet, ist die Oberfläche noch klebrig, und alles, was man drauflegt, wird beim Aushärten automatisch fixiert.
Die Elemente aus Aluminiumblech sind unregelmäßige Halbkreise in verschiedenen Durchmessern, die aus dünnem Prägeblech aus dem Bastelbedarf und Punzen hergestellt werden.
Bei diesem Harz habe ich zwischen Gießen und Auflegen 24 Stunden Zeit. Das Harz ist nach dieser Zeit schon zäh und gelartig, und die Oberfläche noch klebrig. Also rauf mit den Aluminiumdingern.
Beim von mir genutzten Harz dürfen jetzt weitere 24 Stunden vergehen, bis das Harz vollständig ausgehärtet ist. Die Aluminium-Halbkugeln sind wunderbar fest mit dem Harz verbunden zum Teil beim Wenden der Scheibe abgefallen, weil sie nicht fest genug angedrückt waren. Durch die derzeit eher warmen Temperaturen härtet das Harz auch etwas schneller aus als bei nur 15 ° C Ateliertemperatur. Hier wird nachträglich noch mit Zwei-Komponenten-Epoxydharz-Kleber nachgebessert.
Hilfskonstruktion
Um die andere Seite des Talers auf gleiche Weise zu bearbeiten, ohne die Aluminium-Elemente zu zerdrücken, benötigt man eine Hilfskonstruktion.
Hilfskonstruktionen sind übrigend das A und O beim kreativen Harzen, und es sei an dieser Stelle kurz erwähnt, das es absolut abenteuerlich ist, was man alles abstützen, aufrichten, schräg legen oder in sonst einer abseitigen Position fixieren muss, um zum Ergebnis zu kommen.
In eine Schüssel wird Küchekrepp oder anderes weiches Material hineingeknüllt und die Scheibe mit den empfindlichen Aluminium-Elementen nach unten zeigend vorsichtig darauf platziert.
Mr. Fix unterbricht kurz, um auf die Zwischenrufer an dieser Stelle zu reagieren:
In Kombination mit Harz wird niemals und zu keiner Zeit mit Sand als Hilfskontruktion gearbeitet.
Damit die Harzschicht auf dieser Seite ebenfalls gleichmäßig aufgebracht werden kann, wird die Scheibe mithilfe von Küchenkrepp und Wasserwage so justiert, dass die Oberfläche eben und waagrecht liegt. (Das funktioniert in der Theorie übrigens auch meist besse als in der Praxis.)
Der Klebestreifen, der das Bohrloch verschlossen hat, kann abgezogen werden. Durch die erste Schicht Harz wurde die Öffnung verschlossen.
Die Arbeitsschritte:
werden wiederholt.
Bei der anderen Seite der Scheibe wurden die Elemente etwas fester in die nachgiebige Harzschicht eingedrückt.
Nach dem Trocknen wird das Klebeband abgezogen. Das geht mit etwas Kraftaufwand ganz gut.
Nebeneffekt bei diesem Klebeband ist, dass die Rückstände vom Kleber am Harz haften bleiben. Der Rand ist also entsetzlich klebrig, und das liegt zur Abwechslung mal nicht an schlecht ausgehärtetem Harz.
Mit einem Tuch und Universal-Verdünnung wird der Rand gereinigt, das dauert etwas, weil die Rückstände sehr hartnäckig sind. Mr. Fix empfiehlt für diesen Arbeitsschritt dringend ein sperrangelweit offenes Fenster oder eine Atemschutzmaske, idealerweise in Kombination.
Zusammenfassung: HARZ und TAPE
Die Kernschritte der Harz-Klebeband-Technik sind recht unspektakulär:
Die Harzscheibe ist nun fertig. Noch fehlt ein Sockel, den werde ich dieser recht langen Anleitung nicht noch hinzufügen.
Erst mal bekucken Edna Mo und Mr. Fix das Ergebnis:
Dir Expertenmeinung:
Besonders gefällt die Kombination aus Transparenz und blickdichten Elementen, Farbe und Metall, und die Reflektion des Lichts in den Alumnium-Elementen, die je nach Blickwinkel ganz anders ausfällt.
Das kann man schön finden oder nicht. Ich persönlich kann sowas stundenlang ankucken und mich daran erfreuen, wie es meinem Sinn für Ästhetik schmeichelt.
In diesem Sinne senden wir Dir
Schöne Grüße
Edna Mo & Co.