21. April 2022
Ich hab so große Lust, Gefäße aus Kunstharz herzustellen. Da bin ich losgezogen, um schicke Schalen und Vasen und Schüsseln aus Holz und Keramik zu besorgen, um sie mit Silikon abzuformen. Damit ich damit wunderschöne Repliken aus Kunstharz gießen kann.
Und kaum war die erste Silikonform fertig und die erste Schale gegossen, hatte ich auch schon keine Lust mehr darauf. Es kommt ja doch wieder nur die gleiche Schale heraus, ob rot oder gelb.
Obwohl ich in den letzten Jahrzehnten Tonnen von Silikon vergossen und fast alle meine Kunstharz-Ergebnisse aus selbst produzierten Silikonformen rekrutiert wurden, hat mich in den letzten Jahren ein immer größer werdender Unwille beschlichen, immer die gleichen Formen zu gießen. Das hat auch damit zu tun, dass es heutzutage unendlich viele (ziemlich kitschige) Silikonformen aus Fernost für kleines Geld zu kaufen gibt. Man sieht diese öden Formen überall zu Hunderten im Einsatz, man erkennt diese Billo-Molds auf den ersten Blick. Da könne schöne Muster entstehen noch und nöcher, wenn es doch wieder nur die gleiche Form ist, reizt mich das überhaupt nicht mehr. Den gleichen Unwillen habe ich leider ebenso bei meinen eigen geschöpften Formen...
Daher habe ich immer wieder neue Techniken ersonnen, um mithilfe anderer Materialien und ganz ohne Silikon andersartige Gießlinge herzustellen. Ein Teil der Formfindung passiert dabei ganz automatisch, die Technik gibt bereits einen formale Richtung vor. Ich nutze quasi den Zufall, um auf eine eigenständige Formensprache zu entwickeln. Es handelt sich jeweils um verlorene Formen, die eben nur einmal funktionieren. Also genau mein Ding.
Bisher gibt es zwei Verfahren, die mir tolle Unikate beschert haben, beide eignen sich für die Anfertigung dünner Gießlinge mit freier Außenform:
und die Heißleim-Technik
Schon bei der Heißleim-Technik habe ich angefangen, die noch weichen Kunstharzplatten auf den Folienträgern um Rohre zu biegen und so aushärten zu lassen, um gewölbte Formen zu erzeugen.
So entstand beispielsweise der "Visor", der als reines Foto-Accessoire für die DARK-Kollektion diente. Solch ulkigen Kunstharz-Exponate sind mit der Heißleim-Technik ohne weiteres möglich.
Um Gefäße herzustellen, brauch man aber etwas mehr Wandstärke als die 3 oder 5 mm, die bei der ursprünglichen DruT- und Heißleim-Technik möglich sind. Also habe ich angefangen, zu experimentieren.
Ein erster Versuch, die Kombination aus Heißleim und DruT-Technik zur Herstellung massiver Gießlinge: Träger ist eine Overheadfolie, eine Freiform aus breitem Aludraht links - oder mit Paketband ummanteltem Karton rechts - ist mit Heißleim auf die Folie geleimt. Funktioniert toll für dicke Resin-Platten mit freier Außenform.
Aber: die möglichen Formen sind mir noch zu statisch. Auch die Bodenfolie neigt zu welliger Oberfläche, weil die Hitze des Heißleims die Folie verzieht.... Daher habe ich weiter geforscht, um insbesondere dünnen Graukarton mit seinen biegbaren und flexiblen Eigenschaften als zukünftiges Formenbau-Material zu untersuchen.
Auch wollte ich eine matte und nicht glänzende Oberfläche erzeugen. So kam ich darauf, Melkfett als Trennmittel zu nehmen. Kunstharz + Karton ergibt sonst eine nicht zu trennende Einheit. Mit einer so gefetteten und mit Heißleim montieren Karton-Konstruktion habe ich testweise eine erste, dünne Platte gegossen.
Danach bin ich etwas mutiger geworden und habe einen Schalenrand mithilfe einer Doppelwand-Verschalung gegossen. Hier gibt es leider nur den fertigen Rand zu sehen, das Foto von der Verschalung habe ich vor lauter Aufregung verschwitzt, zu machen...
Erstens ist dank der ungelenken Kartonage der Rand nicht nur nicht rund, sondern auch unterschiedlich dick geworden. Genau so etwas "Ungelenkes" habe ich mir gewünscht.
Fazit: Karton-Verschalung klappt also!
Um der Schale noch einen Boden zu gießen, habe ich wieder auf die Heißleim-Technik zurückgegriffen. Diesmal ist der wellige Teil der Folie auf der Schalenunterseite, fällt also nicht so auf.
Mit meinen neu gewonnenen Erkenntnissen wurden direkt auch neue Beinmodelle angefertigt. Aus Karton wurden grob zwei Formen zusammengeleimt, eingefettet und mit Kunstharz verfüllt....
... nach dem Härten wurden die Beine ausgelöst ...
... bei einem Modell ist etwas Karton haften geblieben. Da die Beine am Ende matt werden, ist es aber kein Problem, die Kartonreste mit der Holzfeile abzunehmen und das Bein nur noch mit 180er Schleifpapier zu glätten ...
Aber ich bin noch mutiger geworden und habe eine wirklich verzwickte Doppelwand-Kontruktion zusammengeleimt, um ein bogenförmiges Sockelbein als Hohlform herzustellen:
Bei dieser Höhe und der schmalen Wandung hat das nachträgliche Einfetten nicht so gut funktioniert, der Gießling hat sich etwas gesträubt, aus der Form genommen zu werden:
Die Form ist bis hierhin extrem knorke, soviel steht fest. Die Oberfläche? Trotz Gewalt und Holzfeile: Nachbessern ist angesagt. Der Bogen soll am Ende ein geschlossener dreidimensionaler Körper werden. Es liegen wohl noch einige Arbeitsschritte vor mir, bevor der Sockel so aussieht, wie ich es mir vorstelle.
Aber ich bin trotzdem perplex, welche komplexen Formen sich mithilfe gefetteter Karton-Verschalungen umsetzen lassen. Völlig aus dem Häuschen bin ich. Nie im Traum hätte ich gedacht, dass das funktioniert. Aber Kunstharz: schafft es immer wieder, mich zu überraschen. Und ich möchte noch soooooooooo viel ausprobieren!
Jetzt muss ich mir für diese Technik noch einen schicken Namen einfallen lassen.
Melkfettig grüßt Dich
Edna Mo