10. Oktober 2017
Nach meinem letzten intenisven Kaktus-Erlebnis konnte ich dem Kaktus-Trend lange achselzuckend widerstehen. Sind doch alle gefilzten, gestickten und gedruckten Exemplare nur eine müde Kopie des vor Mordlust und Aggressivität strotzenden Originals.
Außerdem - wer hat diesen Trend überhaupt erfunden? Also, ich würde ja lieber was Heiteres Schmusiges wörkeln, wenn ich denn müsste. "Mutti, Mutti, ich hab ein Krebsgeschwür aus Strohalmen geklebt" hört man ja auch nicht alle Tage das Kind rufen, wenn es aus der Schule kommt.
Komischerweise sehen die meisten gewörkelten Kakteen ja wie windschiefe Penisse aus, keine Ahnung, ob nur mir das so ins Auge sticht. Aber im Zuge der Geschlechtergleichheit wollen wir da mal nicht so pingelig sein, gell? Bin ich doch alleine heute auf dem Weg zur Straßenbahn von in Spitze verpackte Brüsten mehrfach visuell bombadiert worden. Ich bibber in meiner Jacke und die Mädels auf den City-Light-Plakaten räkeln sich derart unbekleidet, als hätte der Klimawandel schon vor 500 Jahren stattgefunden. Da labe ich mich doch rein für den formalen Ausgleich optisch an der einen oder anderen krummen Kaktusvase.
Zu dumm. Dann sehe ich diese Glasflasche und denke, prima, ein bisserl Kaltporzellan außenrum und schon haben wir eine handgeklöppelte Kaktusvase, die nicht unbedingt wie ein drittes Bein aussieht. Und da ich für den Workshop in Verden meine Gelenke geschmeidig halten möchte, habe ich also doch eine Kaktusvase geknetet, ich Spalter!
Mesdames, Messieurs, anbei folgt nun meine Anleitung, wie aus einer Glasflasche mithilfe von Kaltporzellan ein ulkiger, proportional misslungener Kaktus gebastelt werden kann. Er ist nicht hübsch geworden (aber das sind Kakteen ja eigentlich von Natur aus nicht), aber jeder soll die Möglichkeit herzlich beim Schopf packen, ein vielleicht besseres Ergebnis zu erzielen, volià! Schließlich gibt es immer irgendeinen Geburtstag, wo man froh ist, schnell noch eine handgebastelte Kaktusvase in Seidenapapier einschlagen und der verwöhnten Gastgeberin überreichen zu können.
kleine Glas- oder Kunststofflasche (Smoothie oder Salatsauce)
zwei, aber besser drei Pakete Kaltporzellan (hier WePAM* in weiß, die Farbe ist aber egal, da der Kaktus hinterher angemalt wird)
Bastelkleber Cleocol (alternativ geht auch Holzleim)
wasserbasierte Farbe Deiner Wahl (hier Mineralfarbe Fleur**)
Glasscheibe zum Abstellen (alternativ geht auch ein Stück Karton)
Modellierwerkzeug
Handcreme (bei trockenen Händen klebt das Kaltporzellan weniger an den Fingern, unglücklicherweise nicht im Bild)
Umsetzungsdauer:
Modellieren: ca. 2,5 Stunden an drei Tagen
Trocknen: 2 x drei Tage, 1 x eine Nacht
Auch für modelliertechnsiche Vollhonks wie mich geeignet, da es beim Kaktus nicht unbedingt auf technische Perfektion ankommt.
* Das Material wurde mir von der Firma Colles et Couleurs Cléopatre bedingungslos zur Verfügung gestellt.
** Das Material wurde mir von der Firma Boite à Brico bedingungslos zur Verfügung gestellt.
1) Masse vorbereiten
Wie immer bei Kaltporzellan wird die Packung in Partien geteilt und jede Partie kräftig durchgeknetet, bis sie sich nicht mehr klebrig anfühlt. Ich habe die Packung in zwei Portionen geteilt. Die andere, vorbereitete Portion wird in der Klarsichtbox wieder luftdicht verschlossen.
Handcreme hilft bei
2) Aus der Masse eine Kugel formen und diese flachdrücke.
Auf die Frontseite der Glasflasche legen und andrücken.
3) Aus überstehendem Material wird seitlich von der Flasche eine Wölbung ausgeformt.
Die Flasche bekommt sozusagen Reiterhosen.
4) Mit der zweiten Portion Modelliermasse bekommt auch die andere Flaschenseite eine Wölbung, auch die Rückseite der Flasche wird mit Kaltporzellan ummantelt.
Überstehende Ränder an Kaltporzellan werden miteinander fest verstrichen.
5) Mit einem Fimo-Roller oder einem anderen Hilfsmittel wird die Oberfläche geglättet
6) Am Flaschenhals werden ebenfalls links und rechts zwei Ausbuchtungen aufmodelliert.
Wem die hier gezeigte Anordnung zu symmetrisch ist, kann die Wölbungen auch im 90° Winkel gegeneinander versetzen.
7) Die Flasche ist nun vollständig eingepackt, alle Ränder sind verstrichen und die Oberfläche ist rundum geglättet.
8) Mit dem Modellierwerkzeug werden die Übergänge an den "Kaktusblättern" geglättet und in Form gebracht.
9) Damit die Vase aus allen Blickwinkeln ordentlich aussieht, wird die Öffnung des Flaschenhalses eingekleidet und das Kaltporzellan auch innen am Flaschenhals angelegt.
10) Der Korpus wird mit der Spitze des Modellierwekzeugs rundum wie ein Mürbeteig mit Löchern versehen.
11) Zusätzlich werden einzelne Blätter aus Modelliermasse geformt, die nach dem Trocknen an den Korpus angeklebt werden.
Die Blätter sind unterschiedlich groß und ca. fünf bis acht Millimeter dick.
12) Auch die Blätter werden mit dem Modellierwerkzeug mit Pünktchen versehen.
13) Die Einzelteile werden zum Trocknen ausgelegt. Zwei bis drei Tage Trocknungszeit sollte man einplanen.
14) Um die Blätter zu befestigen, benötigt man feine Stränge der vorbereiteten Modelliermasse und den Cleocol-Leim (alternativ Holzeim).
An der gewünschten Nacht-Stelle wird Cleocol aufgebracht und darauf ein Strang der Modelliermasse gelegt. Das Blatt wird an seiner Nahtstelle ebenfalls mit Cleocol bestrichen, in die Modelliermasse eingedrückt und mithilfe eines Messbechers in eine abgespreizte Position gebracht. Überstehendes Kaltporzellan kann mit dem Modellierwerkzeug weggestrichen oder angedrückt werden.
Passt der Anschluss von Korpus zu Blatt nicht? Dann mit einer stabilen Schere passend schneiden. Solange das Kaltporzellan noch nicht seine Endfestigkeit hat, kann man es mit geringem Kraftaufwand mit der Schere schneiden.
15) Das zweite Blatt ist etwas dünner und daher leichter. Es kann aufgeklebt werden, während die Flasche steht. Gleiches Verfahren wie oben anwenden:
auf das trockene Kaltporzellan auf Korpus und Blatt Leim aufbringen. Ein Strang frisches Kaltporzellan zwischen Korpus und Blatt verbindet die beiden Teile nahtlos.
16) Zwei bis drei Tage trocknen lassen, bis die Verbindungen ihre Endfestigkeit haben.
17) Mein Kaktus ist mir noch viel zu lieb. Er muss stacheliger aussehen. Dafür rolle ich winzige Kügelchen aus der Modelliermasse und lasse sie trocknen.
Die trockenen Kügelchen positioniere ich an den Rändern des Korpus und der Blätter.
Mit einem Klecks Leim werden die Kügelchen in den vorbereiteten Löcher befestigt.
Detail der Kaktusvase nach der Bestückung mit Stacheln.
18) Mit Grün stehe ich irgendwie auf Kriegsfuss. Daher wird mein Kaktus nicht comicmäßig flaschengrün, sondern lindgrün. Seit meinem Matcha Latte Erlebnis bin ich dieser Farbe sehr zugetan.
Auf dem Kaltporzellan deckt jede wasserbasierte Farbe mit nur einem Anstrich.
Die Farbe über Nacht eintrocknen lassen. Dann kann die Kaktusvase direkt in das nächste Herbst-Deko-Arrangement mit integriert werden. Ich habe die Gunst der Stunde genutzt und die letzten Hortensien-Blüten aus dem Garten als Blumenschmuck genutzt.
Ich freue mich, wenn Du Dich bis hierhin hast mitnehmen lassen! Sicherlich kann man mit einer ähnlichen Handhabung auch eine Einhorn-Vase kneten. Wegen all dem Trend-Durcheinander erwähne ich das jetzt einfach mal.
Stachelige Grüße sendet Dir
Edna Mo
PS: Du hast mehr Lust auf DIY-Deko-Anleitungen mit Kaltporzellan? Dann schau hier in meine Rubrik "Modelliermasse Technik" für weitere Anleitungen!
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