22. Oktober 2014
Mira ist der kreative Aufhänger für die nächste Materialuntersuchung, daher beginnt dieser Eintrag mit ihrer Geschichte.
Mira ist eine langbeinige, hellgelockte Schönheit. Unglücklicherweise leidet sie unter Neurodermitis. Man hat ihr angeraten, sich von frischem Fleisch zu ernähren. Dank ihrer Unpässlichkeit bin ich in den Besitz einiger wunderschöner Beinscheiben vom Rind gekommen, die Mira nicht nur sauber abgeschleckt, sondern auch mit anthropologisch markanten Bissspuren verschönert hat. Diese wurden dann von mir als Silikonform umgesetzt. An dieser Stelle meinen Dank für ihre wertvolle Vorarbeit und die wunderschönen Formen, die daraus entstanden sind. Und ebenfalls danke ich den anonymen Rindern, die durch eine rein zufällige Verkettung von Ereignissen in kleinen Stücken in meinen Händen gelandet und dadurch als stilisiertes Rudiment der Nachwelt erhalten bleiben. Und da es hier nicht nur um Gefühle, sondern auch um Handwerk geht, gilt mein letzter Dank dem Hersteller Colle Cleopatre, der mit den beiden Werkstoffen CrystalGlass und GlassGel dafür gesorgt hat, dass diese zwischendurch etwas schwermütige Einleitung ein konkretes und schönes Ende finden wird.
Nun aber zum eigentlichen Thema: es geht um Epoxidharz und Epoxidharz-Gel. Die beiden Produkte CrystalGlass (Giessharz) sowie GlassGel (Harzgel oder auch Kaltglasur) werde ich im Folgenden zusammenhängend betrachten. Auch hier ist mein Begehr herauszufinden, wie gut sich die beiden Produkte für den kreativen Herstellungsprozess von Schmucksteinen eignen.
Beide Produkte sind Zweikomponeten-Epoxidharze, bei denen durch das Zusammenmischen die Aushärtung ausgelöst wird. Eine Achtsamkeitswarnung vorweg: Harze sind gesundheitsschädlich. Auch wenn der Geruch nicht ausgeprägt ist, werden beim Anmischen, beim Trocknen und bei der Nachbearbeitung Lösungsmittel freigesetzt, die krebserregend sind. Nicht nur deswegen, sondern auch weil Harze in der Regel vergleichsweise teuer und die Güte der Ergebnisse von vielen Faktoren abhängig ist, sollte man immer mit ausreichend Zeit und Verstand mit diesem Werkstoff arbeiten.
Zweite Achtsamkeitswarnung: jedes Harz ist nur so gut wie das Anmischen. Wer sich nicht genau an die Anmischanleitung hält, ist selber doof und darf sich nicht wundern, dass Giesslinge klebrig, weich oder sonst in ihrer optischen Wirkung misslungen sind.
Drei Merkmale sind durch die Materialwahl „Epoxid“ schon voreingestellt, die für die Anwendung im kreativen Bastelbereich Gold wert sind: einmal die Fähigkeit, klebfrei auszuhärten. Zweitens die hohe mechanische Belastbarkeit im ausgehärteten Zustand. Will sagen: beim Runterfallen zerbricht nichts. Drittens: Hochglänzende Oberflächen ergeben sich beim Trocknen an der Luft oder in Silikonformen, die hochglänzende Oberflächen abgeformt haben. Wenn dies nicht der Fall ist, wird die Oberfläche matt bis seidenmatt.
Beide Produkte sind sowohl für additions- als auch für kondensationsvernetzende Silikonformen geeignet. Mit anderen Untergründen (Holz, Glas, Metall, Kunststoff) gehen sie jedoch eine innigliche Verbindung ein.
Worin sich beide Produkte stark unterscheiden, ist die Fließfähigkeit. Das CrystalGlass ist dünnflüssig, wodurch es sich in kleinste Vertiefungen hineinschmiegt und flach auftrocknet. Dadurch ist es auch z. B. für dickere Schichten geeignet – enthaltene Luftblasen können problemlos entweichen. Es hat eine längere Verarbeitungszeit (ca. 100 Min) und ist erst nach drei Tagen voll belastbar ausgehärtet.
Das GlassGel ist vergleichsweiße zäh und fließt nur gering auseinander. Es hat eine kürzere Verarbeitungszeit (nur knapp 30 Min) und härtet binnen zweier Tage vollständig aus. Daher ist es bestens für hauchdünne Schichten bis zu 2 mm geeignet, die mit einem Stäbchen aufgestrichen werden. Es lässt sich dann ganz dünn verstreichen und ergibt eine mörderisch hochglänzende Oberfläche, die sich auf flachem Untergrund am Rand leicht wölbt.
Folgende Entwürfe habe ich mit den beiden Harzen umgesetzt. Im Detail gehe ich nicht auf die einzelnen Arbeitsschritte ein, das wird zu umfangreich. Wer Fragen hat, sei jedoch herzlich aufgefordert, mich über die Kommentarfunktion anzusprechen.
… für bestehende Talerelemente aus Harz. Die eingegossenen, aber angeschliffenen schwarzen Stäbchen quellen bei Feuchtigkeit auf. Durch die „Lackierung“ mit GlassGel wurde dieses Manko nicht nur aufgehoben, es wurde zusätzlich ein bemerkenswerter Kontrast zwischen den matten und hochglänzenden Partien erzielt.
Tipp: mithilfe einer Trägerpappe lässt sich der Auftrag besser kontrollieren.
Von oben nach unten: Auftragen leicht gemacht. Vorher-Nachher-Effekt. Mit Satinband konfektionierte, zweireihige Kette.
… für komplizierte Silikonformen. Bei diesen Formen lässt sich das Eingießen eines dünnflüssigen Harzes nur schwer steuern. In der Regel überflutet man die feinen Eingußkanäle. Der Überstand muss dann hinterher recht mühselig wieder entfernt werden. Mit dem Gel dauert es zwar seine Zeit, bis die Form mithilfe eines Stäbchens gefüllt ist. Allerdings kann man die Menge gut kontrollieren: die fertigen Gießlinge müssen fast gar nicht nachbearbeitet werden.
… (und hier kommen wir zurück auf) die Mira-Formen. Die Formen sind formal so stark, dass sie auch bei verschiedenen Farben und Effekten einzigartig wirken. Im Folgenden wurden verschiedene Farbversionen durch das Einmischen von Pigmenten umgesetzt.
Mira I aus CrystalGlass (vierfarbig). Durch die lange Verarbeitungszeit werden weiche und malerische Farbübergänge erzielt. Die Oberfläche ist matt, mit vereinzelt hochglänzenden Stellen.
Mit dem Gel kann man mithilfe eines Stäbchens fast „zeichnen“. Lässt man aufgebrachte Muster über Nacht eintrocknen, ergeben sich mit der später eingegossenen zweiten Schichten aus CrystalGlass spannende Effekte.
Hier wurden die spezifischen Eigenheiten der beiden Materialien kombiniert. Das rot eingefärbte Gel erzeugt die markanten Tropfmuster.
Mira III aus CrystalGlass und GlassGel (sechsfarbig). Die Punkte wurden getupft, der Rest ist eine Farbmischung nass in nass.
Schmucksteine „Saugnäpfe“
Bei diesen ebenfalls selbst erstellten Formen wurden die weißen scharfkantigen Ränder und Punkte mit dem GlassGel erzeugt. Die zweite Schicht ist CrystalGlass als Verlaufstechnik in orange, hellorange und umbra.
Schmucksteine „Konfetti-Taler“
Spannend die Kombination von klarem CrystalGlass und farbigen Tupfen aus GlassGel.
Die Taler sind von beiden Seiten schön. Die Eingießfläche wurde plan abgeschliffen, mit bis zu 1.000er Schleifpapier. Es ergibt sich eine wunderbare Optik, die an Milchglas erinnert.
Als Kette wurden die Taler so konfektioniert, dass sie in der Bewegung schwingen und sowohl Vorder- als auch Rückseite sichtbar werden.
Ring „Resteverwertung“
In die Ringform wurden über mehrere Tage alle Harzreste eingefüllt. So wurde eine spannende Mischung zwischen weichen und markanten Farbflächen erzielt.
- Praktische Gebindeflaschen mit Sicherheitsverschluß und kleiner Halsöffnung. Das ist ideal für das genaue Abmessen der benötigten Mengen.
- Idiotensicheres Anmischverhältnis von 2 : 1 Harz zu Härter. Messfehler werden damit praktisch ausgeschlossen.
Zum Vergleich: es gibt Harze, die Im Verhältnis 1 : 0,37 angemischt werden müssen. Da ist man ohne Digitalwaage völlig aufgeschmissen.
- Die Reaktion findet zuverlässig auch bei kleinen Abmessungen ab. Ob ein Esslöffel oder ein halber Becher zugrunde gelegt wird, ist für das Ergebnis nicht ausschlaggebend.
- Einfache Mischanleitung mit Piktogrammen.
- Härtet glasklar und strukturfrei aus.
- Härtet klebfrei aus.
- Die getrockneten Gießlinge sind äußerst formstabil.
Schleifen und Polieren liefert gute Ergebnisse wie bei jedem anderen Harz auch.
Das Material lässt sich hervorragend ohne Absplitterungen bohren
Für GlassGel und CrystalGlass gibt es für mich eine klare Bewertung:
„Welteinfachstes Harz Handling“.
Es ist gut steuerbar, arbeitet zuverlässig und liefert erfolgreich Ergebnisse.
Anfänger und geübte Resin-Fans werden ihre ungetrübte Freude an beiden Produkten haben.
Viele verschiedene Harze sind schon durch meine Hände geflossen. Manche funktionieren besser, manche funktionieren schlechter. Einen kleinen Makel haben sie aber fast alle. Die Kunst besteht darin, das eine Harz zu finden, dass beim persönlich bevorzugtem Einsatzgebiet zuverlässig funktioniert und man den Makel verkraften kann. Dickes Lob an Colle Cleoptare: Beim CrystalGlass und beim GlassGel habe ich keine nennenswerten Makel finden können.
Darüber hinaus habe ich dank des GlassGels für mich ein Rätsel bei der Schmuckgestaltung mit Harz gelüftet: die Herstellung scharf umrissene Farbflächen.
Ich wäre ohne die guten Gaben von Colle Cleopatre sicher erst viel später auf die Idee gekommen, ein „Überzugsgel“ für Farbeffekte zu nutzen. Nun habe ich eine kreative Möglichkeit aufgezeigt bekommen, die ich zukünftig nicht mehr missen möchte.
Hinweis: Die hier genannten Produkte der Firma Colles et Culeurs Cleopatre wurden mir für einen Erfahrungsbericht unentgeltlich zur Verfügung gestellt.