21. Oktober 2016
Neulich habe ich wieder einmal an einem höchst interessanten Auftrag gearbeitet. Der geneigten Harzkünstlerin ist zwischenzeitlich ja keine menschliche Regung mehr fremd. Ich harze ja alles ein, was als emotionaler Brückenschlag zwischen Mensch und Tier, Mensch und Mensch und auch Mensch, Tier und Ding zur Blüte gebracht werden möchte. Den Auftrag, Hundehaar und Hunde-Milchzahn in Kunstharz zu konservieren, ist mir also förmlich zugeflogen.
Ich finde es herrlich, mir beim Arbeiten so ein bißchen den Kopf zu zerbrechen. Handelt es sich bei der Auftraggeberin um eine Hundenärrin, die vielleicht in großer Liebe zu einem niedlichen kleinen Kläffer entbrannt ist? Mann und Kind verließ, um mit Püppi im Arm nach Las Vegas durchzubrennen?
Nichts dergleichen. Bei Abtasten von Rosemaries virtueller Gestalt verfiel ich recht mundkarg beeindruckt vor meiner Tastatur in Schockstarre. So profan wie meine Püppi-Vorstellung ist das echte Leben nämlich gar nicht. Ja, es handelt sich bei Rosemarie um eine feine Erscheinung mit wallendem Blondhaar. Die Engelsgestalt ist aber ganz handfest gestrickt. Statt mit Püppi im Arm den einarmigen Banditen im Casino zu melken, züchtet sie Hunde, nämlich Weimeraner. Und sie züchtet diese ebenso feinen Hundewesen für die Jagd, weil Rosemarie außerdem noch passionierte Jägerin ist.
Und in ebendieser Situation kommt Frau Mo ins Spiel. Diese sollte nämlich vom Urquell des Hundegeschlechts einige Reliquien in Perlen gießen, die auf einem Hundepfeifenband getragen werden sollen. Weil die Hundepfeife als Requisit beim Abrichten und Hundetraining eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Da das Pfeifenband wie ein Schlüsselband auf der Brust getragen wird, habe ich die Kieselperlen als Formgeber für die Einbettung vorgeschlagen. Die sind rund und kantenfrei und passen mit ihrer organischen Form ganz wunderbar in meine Vorstellung vom naturgetriebenen Jagdgeschehen. Sonst kennst Du die Kieselperlen in der Umsetzung als Möbelknöpfe.
Kurz verliere ich mich in Gedanken in düster begrünte, nadelige, knirschende und raschelnde Baumhöhlen. Und denke an das wunderbare Geräusch, wie bei großer Hitze die Rinde von den Baumstämmen platzt. Wie es riecht, wenn einen die Natur umfängt. An das Summen, Zirpen, Rascheln und Klopfen, dass mir in diesem Moment sehnsuchtsvoll erscheint.
Draußen kracht, lärmt und ächzt die Großstadt. Manchmal geht mir dieses ganze Stadtzeug schon auf den Keks. Da möchte ich doch einfach in den Wald gehen, und immer tiefer hinein, weg von den Trampelpfaden und ohne Ziel, einfach nur in den Wald gehen und nie wieder herauskommen. Zumindest für ein paar Minuten.
Dann bin ich wieder im hier und jetzt. Es gibt Menschen, die auf ihrem Hochzeitsfoto mit Hund posieren (natürlich auch mit dem dazugehörigen, nicht weniger feinen Mann). Und die es sogar noch besser machen und mit Mann UND Hund UND Brautkleid UND Jagdgewehr im Anschlag posieren, als gäbe es nichts natürlicheres, was man im Leben tun kann.
Meine Güte, ich bin ja so langweilig!
In diesen Momenten liebe ich Auftragsarbeiten über alles (auch wenn es sich ziemlich mühevoll gestaltet hat, die feinen Hundehärchen aus meinen Silikonformen wieder heraus zu frickeln).
Für das kleine Kopfkino zwischendurch, für die großartigen Wesen (Mensch, Pferd und Hund) mit denen man in Kontakt kommen kann, wenn man die virtuelle Welt betritt. Und für die glasklare Erkenntnis, dass großartige Fotos durch ganz einfache Mittel entstehen können (man brauch einen Mann, ein schönes Kleid, ein Hund, einen Wald und ein Jagdgewehr, nichts leichter als das!).
Feine und hoffentlich inspirierende Grüße sendet Dir
Edna Mo
Mit freundlicher Genehmigung von Rosemarie darf ich das inspirierende Foto hier im Beitrag veröffentlichen. Siehe und staune: