13. November 2018
Seit ich vor einigen Jahren meine ersten Cremes und Seifen hergestellt habe, bin ich für die Hautpflegeindustrie verloren. Daran hat sich auch nichts geändert. obwohl ich nur sporadisch darüber auf dem Blog berichte. Denn mittlererweile läuft die Mo'sche Kosmetikproduktion in geregelten zeitlichen Bahnen. Zwei- bis dreimal im Jahr wird in der heimischen Küche Hautcreme, einmal im Jahr Seife produziert. Da Creme aufgrund der geringen Haltbarkeit nur gering portioniert angerührt wird, läuft der Herstellungszyklus da beschleunigt, Seife hingegen kann auch Jahrzehnte trocken gelagert werden, ohne an Schaumigkeit einzubüßen. Langsam habe ich den Überhang aus 2015 aufgebraucht, in dem Jahr habe ich unheimlich viel Seife produziert und habe seitdem nur zweimal nachlegen müssen.
In unserem Zweier-Haushalt wird im Jahr etwa 1 Kilo Seife verbraucht (500 g Shampooseife und 500 g Handseife). Die Creme - one fits all - wird von mir alleine benutzt, mengentechnisch verschwinden pro Jahr rund 1,5 Kilogramm Creme in meiner Haut.
Die Seife wird in einer Kastenform angesetzt und nach dem Härten in Scheiben oder Klötze geschnitten. Sie lagert unverpackt in einem Schuhkarton. Die Creme wird in leere Schraubdeckeldosen abgefüllt, die ich aufbewahre und immer wieder befülle. Fazit: Kaum Kosten, viel Spaß, weiche Haut und kein Verpackungsmüll.
Wer seine Energie in ein Tiramisu verschwendet, wo man mit weniger Aufwand erste-Sahne-Hautcreme machen kann, ist mir ja immer noch ein Rätsel. Aber ich (die menschgewordene Ausnahme zu allem und jedem) habe mir sagen lassen, dass Kosmetikartikel einen ähnlichen Reiz haben wie Leckereien, Shoppen oder Alkohol: bunte, schnuckelig kleine Tiegelchen und Tübchen, aufgereiht in meterlangen Regalen, alle rufen nach Dir. Du darfst wählen. Sagenhafte Schmeicheleien säuseln in dein imaginären Ohr. Welch lustvolles Unterfangen, Dich uneigennützig mit Dir selbst zu beschäftigen, eine kleine, heile, Welt, die nur Dir alleine gehört und Dir niemand wegnehmen kann. Du bist Göttin und Herrscherin, die ihrem Wunderkasten das Zauberelixir für seidige Wimpern oder den Engelstrunk für glänzendes Haar entlockt. Dein Geheimnis ist sicher! Greif zu, schönes Kind!
Bei mir gehts es da weniger mystisch und spektakulär zu. Diesem Blogartikel möchte ich neben der unvermeidlichen Konsumkritik (just erledigt), dem Apell zur Vermeidung von Plastikmüll (unterschwellig platziert) sowie einem Rezeptteil (weiter unten) einen weiteren Themenschwerpunkt verpassen. Zum einen die nachträgliche Bewertung der vorangegangenen Rezeptur, sowie einige Gedanken zu den, wie ich sie nenne, Soft Skills einer Hautcreme.
Folgendes ist dazu passiert: Jahrelang habe ich an der Textur meiner Creme gearbeitet, es sollte eine reichhaltige, fette Creme sein. Nun war just meine Hauptzutaten Weizenkeimöl aufgebraucht. Weizenkeimöl wurde laut dem "Öle-und-Fette-Knigge" als Geheimtipp zur Pflege der Haut und Erhaltung der Elazsizität gehandelt. Ups - nicht nachbestellt und nun sehe ich mich in der Zwickmühle, andere ölige Bestandteile zu wählen. Olivenöl und Reiskeimöl, zwei vergleichsweise spottbillige Speiseöle waren schnell aus meiner Ölkiste gefischt. Und stelle fest, dass damit die Creme urplötzlich anders ausfällt. Ui, jetzt macht die Creme einen matten Teint, wo ich vormals glänzte wie polierter Chromstahl. Und statt zähem Verreiben lässt sich diese pudrige Creme anstandslos zart auftragen und zieht schnell ein. Und verdammt gut anfühlen tut sich mein Hautkleid außerdem. Wie konnte das passieren? Da tauscht man einen hochwertigen und kostspieligen Bestandteil gegen etwas "Billiges" und bekommt etwas - Besseres?
Ich vermute mal knallhart, dass die meisten Frauen eine Hautcreme nach Kriterien wie Duft, Textur und Streichfähigkeit auswählen (oder nachkaufen). Dem magischen Antifalten-Effekt ist sowieso nicht auf die Schliche zu kommen. Aber mit den Soft Skills kann man als Hersteller prima bei verzauberungswilligen Kundinnen punkten.
Allerdings vertieft dieses Wissen weiter meinen Unglauben an das, was in den industriell gehandelten Tübchen drin ist. Wenn man aus billigen Ölen so eine Spitzen-Creme herstellen kann, was ist denn dann bloß in all den Packungen drin, die noch nicht mal das mitbringen? Ich meine, die meisten Hautcremes sind - natürlich lecker duftend, aber konsistenztechnisch - vorrangig wässrig! Ob da der geschredderte Verpackunsgmüll in seine (erd-)öligen Bestandteile aufgespalten und dieser Ölschrott dann zu Creme verarbeitet wird? Welch glückseliger und millionenschwer gewinnbringender Kreislauf das wäre! Ohne einen einzigen wertvollen Inhaltsstoff, nur Abfall und leere Versprechen. Roll, Rubel. Der Industrie zuzutrauen wäre es.
Bei diesem fast leeren Cremetopf ist klar: Frau Mo, ran an den Herd!
Nun ist es so, dass ich durchaus auch Misserfolge bei meinen Herstellungsbemühungen zu verzeichnen habe. Bei meinem Rezept Nr. 4 habe ich in einer Version als Wasseranteil Rosenwasser zugegeben. Dieses habe ich natürlich vorher nicht abgekocht, damit die Aromen erhalten bleiben. Dieses Töpfchen hatte im Kühlschrank eine etwas längere Lagerzeit und im Ergebnis eine grau bepelzte Oberfläche. Mein Tipp: kein fertig gekauftes Rosenwasser aus der Backabteilung zur Creme-Herstellung nutzen.
Auch die Zugabe von bestimmten ätherischen Ölen (Zitrus- und Orangenöle) sorgt dafür, dass die Emulgator-Verbindung aufgelöst wird, die Hautcreme ausflockt und sich Wasser- und Öl-Bestandteile trennen. Das kann man mit geringer Hitze und mit extremer Schlagkraft am Schneebesen wieder retournieren.
Beim letzten Tiegel von Creme 4.2 im Foto oben sieht man, dass Öl als flüssiger Bestandteil aus der Crememasse austritt. Trotz des etwas komischen Erscheinungsbildes ist die Creme noch verwendbar. Ich lasse das Öl in meine Handfläche laufen und massiere damit meine Nägel, da wird nichts verschwendet.
So unglaublich spektakulär geht es in meiner Hexenküche zu: Rezept geholt, Ölkiste und ätherische Öle aus dem Schrank bugsiert.
Du siehst, bei mir geht es pingelig akademisch zu, mit exakten Messangaben und genauen Details zu den Handgriffen (hüstel). Obwohl ich alle Rezepte ordentlich im Blog dokumentiert habe, greife ich mir immer meine Kladde, in der die Urversion von Rezept Nr. 4 hingekritzelt wurde.
Ich neige dazu, bei sich wiederholenden Arbeitsgängen immer effizienter zu werden. Seit neuestem mische ich alle Zutaten direkt in meinem Kosmetik-Kochtopf, den ich dafür auf die Waage stelle. Links im Foto siehst Du die "festen" Bestandteile Lanolin (Emulgator, gelber Klumpen), Sheabutter (Fett, weißer Klumpen) und Lamecreme (Granulat, Emulgator).
Rechts sind die "flüssigen" Bestandteile, die Öle, dazugekommen.
Der Arbeitsplatz ist so strukturiert: rechts auf der kleinen Herdplatte steht der Kosmetik-Kochtopf, den ich nur zum Fettschmelzen benutze. Herd auf Stufe 4 reicht, und weil ich selbstverständlich Energie spare, kommt der Deckel auf den Topf (hier nur aus fotografischen Gründen nicht im Bild).
Links steht direkt ein vorbereitetes Wasserbad mit kaltem Wasser.
Das Wasser wird vorab gefiltert und dann im Wasserkocher aufgekocht. Am Grüntee-Aufguss habe ich bis dato weiter festgehalten.
Ist alles im Kosmetiktopf geschmolzen, wird das flüssige Öl-Fett-Gemisch ins Wasserbad transferiert. Das Teewasser kommt in einem dünnen Strahl dazu und dann heißt es: mit dem Schneebesen schlagen, bis der Tennisarm kracht.
Meistens muss ich das Wasser im Wasserbad einmal wechseln, um die Temperatur weiter zu senken. Das Emulgieren funktioniert besser, je kühler die Crememasse ist.
Ist die Masse kühler und fest, kommt noch ein bißchen Konservierungsmittel und ätherische Öle dazu. Damit hält die Creme im Kühlschrank rund drei Monate. Meist auch länger, auch wenn sich Öl oder Wasser in geringen Teilen absetzen können.
In heiß gereinigte Schraubdeckel-Töpfchen abfüllen. Fertig. Abkühlen lassen, ab in den Kühlschrank.
Meistens mache ich direkt noch ein Rezept mit der gleichen Menge, so dass ich insgesamt etwa 500 g Creme zur Verfügung habe.
Man könnte auch eine doppelte Menge in einem Arbeitsgang machen. Das Schlagen ist dann sehr viel anstrengender. Und: wenn das Rezept misslingt, also ausflockt, ist eine große Menge Creme schwierig zu handeln. Dann lieber zweimal ansetzen und auf Nummer Sicher gehen.
Die meiste Arbeit ist - wie beim Plätzchenbacken - hinterher wieder alles aufzuräumen. Aber kuck sich mal einer diese Creme an - zum Anbeißen!
1 : 1 Ö / W
80 g flüssige Bestandteile:
40 g Olivenöl, 40 g Reiskeimöl
60 g feste Bestandteile:
20 g Sheabutter
20 g Lanolin (Emulgator und Konsistenzgeber)
20 g Lamecreme (Emulgator)
120 g Grünteeaufguß
20 Tropfen Rokonsal zur Konservierung
Ätherische Öle zum Beduften
So, meine neue Ladung schlummert im Kühlschrank. Ich bin gespannt, wie sich Version Nummer 5 im echten Leben bewähren wird.
Gut gepflegte Grüße sendet Dir
Edna Mo