30. April 2019
So, bald bin ich ein Beenager. Dieses Wortungetüm ist eine Schöpfung aus Best Ager und Teenager, und gemeint sind damit Überfünfzigjährige Menschen, die sich jugendlich kleiden.
Yep, da fühle ich mich angesprochen! Im Kopf bin ich ein ausgelassener Backfisch und möchte am Liebsten tun und lassen, wonach mir der Sinn steht, vor allem in Sachen Kleidung und Styling. Auch wenn sich mein Fleisch in Rollen um die Knochen legt und die Körperfunktionen eine schleichende und stetige Beeinträchtigung erfahren.
Neulich hatte ich Geburtstag und darf jetzt das letzte Jahr die 4 in meinem Alter führen. Danach werde ich eindeutig auf "die anderen Seite" wechseln. Die, bei der man nichts mehr erwarten, sich aber alles erlauben darf (in der Jugend ist es genau umgekehrt).
Ich gebe zu, dass diese Aussicht verlockend ist. Wenn Best Ager, dann bitte Beenager! Damit bin ich zwar momentan noch viel zu jung für einen echten Beenager, aber ich darf die neue Herausforderung schon mal in den Fokus nehmen und ein bißchen Üben.
Klar hat das älter werden jede Menge Vorzüge. Einer der vielen Erkenntnisgewinne ist, dass die Jugend wundervoll und aufregend ist und man als jugendlicher Mensch in der Regel viel zu blöd ist, um diesen Zustand begreifen zu können. Ich war in meiner Jugend schwer damit beschäftigt, möglichst zügig erwachsen zu werden. Wie man ordentlich Spaß hat, habe ich leider erst viel später gelernt. Und Spaß haben ist in der Neuzeit eine zuweilen recht mühselige Angelegenheit und muss nahezu generalstabsmäßig in den pickepackevollen Tag hineinorganisiert werden. Ich notiere sogleich in meinen Kalender: 20 - 20:47 Uhr - bitte Spaß!
Nein, ich gehöre nicht zu den überglücklichen Ü-40ern, die ihr altes Ego mit voller Wucht umarmen und sich damit nahtlos anfreunden können. Ich hadere schon mit den optischen Details. Und diese Wechseljahresbeschwerden - überflüssig wie sonstwas.
Nein, OPs und Hormone sind eindeutig keine Lösung, aber ich brauche wohl Zeit, um mein neues altes Ich anzunehmen.
Mein zukünftiges Dasein als Beenager habe ich mit ein paar ulkigen Dingen eingeläutet. Mit einem Paar für den Sommer völlig untaugliche weiße Stiefel (viel zu warm), die außerdem total schmutzempfindlich sind. Ich bin verrückt nach weißen Schuhen mit weißen Sohlen. Und dann noch Plateau-Stiefel - also da bin ich machtlos. Und so ein schneeweißes Outfit kann doch alles.
Manchmal mag ich mein neues altes Ich auf Fotos gar nicht. Nicht, weil das Ergebnis furchtbar ist. Bei der Fast50(-Selfie)-Knipserei ist eher erschreckend, dass man den Veränderungs-Prozess ziemlich genau mitverfolgen kann. Bei der Auswertung des Shooting-Materials entdeckt man immer wieder etwas neues, was vorher noch nicht da war.
Ich plädiere massiv für mehr Fotos von Älteren, denn sie machen einen Großteil der Gesellschaft aus und finden trotzdem in der werblichen Realität kaum statt. Außerdem müssen wir da alle irgendwann durch. Kein Wunder tun viele von uns sich schwer mit dem Älter werden, man denkt ja immer, das passiert nie - oder zumindest viel später. Nachdem jetzt überall Plakate für die Europawahl hängen, ist man ja fast entsetzt, wie unschön echte (ältere) Menschen im Vergleich zu jugendlich-seniorigen Werbemodels auf Bildern aussehen. Das liegt aber nur daran, weil es sowenige Bilder von diesem Menschenschlag in der Öffentlichkeit gibt. Na ja, ich gebe zu, dass die Euopawahl-Fotos nicht gerade massiv Beenager-verdächtig sind.
Aber so sehen wir nun mal aus. Also auf jeden Fall die Meisten von uns.
Ich habe für mich beschlossen, meine Fotos zukünftig nicht mehr auf die Optimierung von Alterserscheinungen meines Gesichts zu bearbeiten. Auch wenn ich viel mit guter Beleuchtung ausgleiche, hier und da habe ich schon mal eine Falte wegretuschiert, gerne den Leberfleck an der Schläfe, oder die Knitterfalten am Mund am Hals.
Aber so bin ich und ich sollte mich langsam damit anfreunden. Zukünftig wird das kaum besser werden. Also weg mit der Bildbearbeitung!
Das Thema Weiß zieht sich nicht nur durch mein ergrauendes Haar, auch durch andere Bereiche meines baldigen Beenager-Lebens. Wolfgang hat mir zum Geburtstag eine weiße Hand geschenkt. Für meine Schmuckpräsentation. Ist das nicht klasse? Und dann auch noch so eine geile Hand. Nicht eine elegante Frauenhand mit schlanke Fingerchen, die sich graziös in den Himmer recken. Nein, eine plumpe Klump-Hand, die so aussieht, als wäre sie von von dem Weltraumanzug abgefallen, der zu den weißen Stiefeln gehört!
Aber auch andere liebe Menschen haben an mich gedacht. Beenager-geeignet hat mir Corinna ein fantastisches Star-Wars-Überraschungspaket zum Nicht-Geburtstag geschickt. Mit einer Kiste voller Nettigkeiten in Star-Wars-Geschenkpapier kann man meinen Blutdruck schon mächtig beschleunigen. Passend kurz vor meinem Geburtstag wurde auch der erste Trailer zu Episode 9 veröffentlicht. Jetzt heißt es nur noch knapp 8 Monate warten, bis der letzte Skywalker-Film in die Kinos kommt. Als angehender Beenager darf man selbstverständlich mit einer Kappe mit blau oder rot illuminiertem Schirm in der Kinopremiere sitzen, denke ich. Nur für den Fall, dass es mit einem adäquaten Kostüm bis Dezember nicht klappen sollte.
Beim letzten Trainingsjahr fürs zukünftige Beenager-Dasein kann ich ja noch alles Mögliche ausprobieren, um mich in die neue Rolle einzufügen. Ist die Vorstufe zum weiblichen Beenager die modisch verirrte Ü-Vierzigerin?
Wir werden sehen, was meine Übungen ergeben. Bis dahin sendet die besten Grüße
Edna Mo