Formenbau: Armreifen aus Aludraht

Ein Glück habe ich meine Harzpräsentation bei Boesner nicht im Januar. Da wäre ich nämlich ziemlich am Arsch mit den Vorbereitungen. Ich arbeite dafür viel mit Doming-Harz, und nur im Sommer habe ich die erforderlichen Temperaturen im Atelier, die Grundvoraussetzung für schöne Oberflächen sind. Im Moment fluppt das also meisterlich und die Ergebnisse werden prachtvoll. Das ist Grund genug, sich direkt in ein harztechnisches Experiment zu stürzen. Das Thema lautet:

Armreifen-Formenbau mit Aludraht und Doming-Harz.

Armreifen mit großem Durchmesser zu finden, ist fast unmöglich. Zumindest wenn es eine Größenordnung von 7,5 cm überschreiten soll. Aus aller Welt lasse ich mir bislang gebrauchte Armreifen aus Vintage-Shops zuschicken, die als Vorlage für meine Silikonformen dienen. Leider ist die Formensprache eher begrenzt und die Ausbeute eher mickrig.
Daher habe ich mich gefragt, ob ich nicht selber eine Armreif-Vorlage bauen kann, die als Vorlage für eine Silikonform dient, mit der dann Kopien aus Kunstharz hergestellt werden können.

Damit wäre ich perspektivisch unabhängig von im Handel angebotenen Armreifen (derzeit meine Vorlagenquelle) und könnte schrittweise eine eigene Größen- und Formenvielfalt aufbauen. Da ruft der Designer in mir doch ein lautes, Jawollja!

Und abgesehen von großen Durchmessern: wer sich aktuellen Armschmuck ankuckt, muss erkennen, dass das Thema im Moment schwerpunktmäßig zierlich und verspielt ist. Daher die andere Frage: kann ich eine Armreifen-Vorlage bauen, die zierlich und elegant ist?

Da mich der Gedanke schon länger umtreibt, habe ich schon vor Jahren einen Fundus an Materialien angeschafft, die eine Formkreation ermöglichen könnten. Nämlich flacher Aluminiumdraht in diversen Breiten. Über den Floristenbedarf habe ich beispielsweise 3 cm breiten Aludraht gefunden, der ganz ordentlich aufgerollt, also schon vorgeformt für meine Zwecke, angeliefert wurde.

Aluminiumdraht als Vorlage für eigene Kunstharz-Armreifenkreationen

Aluminiumdraht als Vorlage für eigene Kunstharz-Armreifenkreationen

Warum meine Bestrebungen dann versackt sind? Vielleicht, weil ich vor einiger Zeit für ein anderes Projekt so eine Formfindungs-Prozedur auf mich genommen habe und es enorm viel Zeit verschlingt, bis man zu einem Ergebnis kommt. (Hier der Link zu einer Formenbau-Story mit Ringen).

Aber man wird ja besser und besser und Dinge, die im letzten Jahr noch furchteinflößend erschienen, fühlen sich heute vielleicht nicht mehr so schwerwiegend an. Und man muss sich auch ab und zu einfach was trauen.

Ich arbeite seit Jahren mit der Draht-und-Tape-Technik, mit der man sehr frei Formen entwickeln kann. Bei großformatigen Stücken hatte ich öfter das Phänomen, das Harz großflächig ausgelaufen ist und das Stück ruiniert hat. Aber jetzt nutze ich mein Know-how und die Gunst der Idealtemperatur, und mache damit erstmalig Armreifen!!!!

Den breiten Aludraht mit 3 cm Breite habe ich dafür genutzt, Innen- und Außenwand eines 8-cm-Armreifs zu bilden. Den 5 mm starken Aludraht habe ich für die zierliche Armreifen-Variante genommen.

Ein zierlicher Armreif entsteht aus Draht, welcher mit Doming-Harz zu einem festen Körper aushärtet.

Ein zierlicher Armreif entsteht aus Draht, welcher mit Doming-Harz zu einem festen Körper aushärtet.

Die Draht-und-Tape-Technik klappt ideal mit dem Tesa Robust Gewebeband. Beim schmalen Armreif hat das Aufbringen von Harz trotz der großen Fläche super geklappt. (Dass hier zusätzlich Pünktchen drin sind, hat was mit meiner Workshop-Vorbereitung zu tun. Bitte im Zusammenhang mit diesem Blogpost ignorieren!)

Und fertig gegossen. Das Tape ist nur ein Hilfsmittel und wird nach dem ersten Gießdurchngang abgezogen.

Und fertig gegossen. Das Tape ist nur ein Hilfsmittel und wird nach dem ersten Gießdurchngang abgezogen.

Aus mir nachträglich nicht mehr zu definierenden Gründen bin ich für den 8-cm-Armreif auf reguläres Doppeltape als Träger ausgewichen.

Natürlich ist das Harz erst mal großflächig ausgelaufen. Gaaaanz toll. Aber ein bißchen hatte ich auch damit gerechnet. Insofern konnte ich mich diesmal davon abhalten, den verharzten Klumpen direkt wegzuschmeißen. Vom entzückenden Zwischenstadium gibt es kein Foto. Mühselig musste ich den vermeintlichen Armreif aus einem gehärteten Harzsee befreien, der auf einem Unterlagenkarton festgepappt war. Dabei wurde das Aluminium natürlich hübsch eingebeult....Grmpf.

Da das Harz aber recht schnell anzieht, war es immerhin geglückt, innerhalb der beiden Aluminiumringe eine 5 mm starke Bodenfläche aus Harz zu erhalten, so dass das Aluminium miteinander verbunden und die Bodenfuge abgedichtet war. Die noch offene Fuge wurde in einem zweiten Gieß-Durchgang mit Doming-Harz aufgefüllt.

Formenbau: zwei Aluminiumblechringe bilden Innen-und Außenwand eines Armreifs.

Formenbau: zwei Aluminiumblechringe bilden Innen-und Außenwand eines Armreifs.

Auch wenn die Blech-Überlappung beim 8-cm-Armreif nicht optimal ist: verehrte Damen und Herren: ein Armreif mit 8 cm Innendurchmesser ist hiermit geboren. Ich vermute stark, es ist der erste seiner Art.

Gefüllt mit Doming-Harz ergibt das den Ausgangspunkt für die weiteren Arbeitsschritte.

Gefüllt mit Doming-Harz ergibt das den Ausgangspunkt für die weiteren Arbeitsschritte.

Beim zierlichen Armreif sind Form und Oberflächen bereits so perfekt, dass die erste Silikonform (hier der Link zur Anleitung einer Silikonform) schon zum Anfertigen von Harz-Duplikaten geeignet ist. Mit vergleichsweise wenigen Handgriffen kann man zierliche Armreif-Formen herstellen. Das ist doch schon mal ziemlich klasse!

Formenbau: Silikonform aus der Drahtvorlage ...

Formenbau: Silikonform aus der Drahtvorlage ...

...und Giessharz-Repliken, die mit der Silikonform erstellt wurden. Sind sie nicht schnuffig?

...und Giessharz-Repliken, die mit der Silikonform erstellt wurden. Sind sie nicht schnuffig?

Das Glück hat der 8-cm-Armreif nicht. Neben den Oberflächen ist hier die Form noch sehr unausgereift, daher wird zunächst eine "verlorene" Silikonform hergestellt, die nur einmal benutzt wird.

 

Formenbau: Armreifen aus Aludraht

Mit der "verlorenen Form" wird ein Blanko-Gießling angefertigt, der in einem mühseligen Verfahren mit Maschinen- und Handschliff seine Form und Oberflächenqualität erhalten wird.

Ein Stück Kunstharzrohr, das zu einem Armreifen umgemodelt wird.

Ein Stück Kunstharzrohr, das zu einem Armreifen umgemodelt wird.

Ziemlich unschöne Stellen warten auf Bearbeitung.

Ziemlich unschöne Stellen warten auf Bearbeitung.

Nachträglich werden die "Überlappungsstellen" beim 8-cm-Armreif mit Harz egalisiert. Dafür kommt als Hilfskonstruktion Knet und (jetzt ist es goldrichtig) Doppeltape zum Einsatz.

Hilfskonstruktion Oberflächen-Nachbesserung

Hilfskonstruktion Oberflächen-Nachbesserung

Danach: schleifen, schleifen, schleifen! Was im Foto als Stroboskop-Zeitraffer passiert, hat gefühlt 30 Stunden gedauert. Überschlägig werden es wohl etwa vier bis fünf gewesen sein.

Erst grob im Nassschliff-Verfahren (180-er Körnung), den Rest von Hand.

 

Formenbau: Armreifen aus Aludraht

Jetzt wird eine zweite Silikonform hergestellt, die für die Umsetzung weiterer Harz-Repliken genutzt wird.

Ein Gießkasten für Armreifen aus zwei Kunsttsoffbechern.

Ein Gießkasten für Armreifen aus zwei Kunsttsoffbechern.

Und die fertige Silikonform nebst dem abgeformten Armreif.

Und die fertige Silikonform nebst dem abgeformten Armreif.

Nun ist es so, dass ich trotz mannigfaltiger Übung keine wirklich makellosen Silikonformen herzustellen vermag. In der Oberflächenqualität sind sie den maschinell hergestellten Formen aus Fernost nicht ganz ebenbürtig. Hier und da schleicht sich eben doch ein Bläschen ein, und beim Hochglanz-Effekt gibt es noch Steigerungsmöglichkeiten. Ich komme damit gut zurecht, da ich mich vor einem nachträglichen Oberflächenschliff nicht scheue.

Vom Draht zum Armreif: so gehts!

Vom Draht zum Armreif: so gehts!

In Summe: Experiment geglückt. So eine Tour de Force tue ich mir nur einmal im Jahr an, und ich bin happy, dass trotz einiger Inkontinenzschwierigkeiten am Anfang soweit alles toll geklappt hat. Ich habe eine Methode gefunden, um Armreifen-Vorlagen in verschiedenen Durchmesser selber herzustellen,
das ist schlicht der Wahnsinn!!!!
Du darfst also gespannt sein, welche Umsetzungen die neue 8-cm-Silikonform erwarten! Der Markt dafür ist zwar nicht riesig, aber es gibt ihn.

Ein ungefähr 8 cm breites Grinsen sendet Dir

Edna Mo

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Edna Mo

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P
Hallo! Bin ständig auf der Suche nach großen Armreifen mit Innendurchmesser ab 7,5 bis 9 cm und großen Breiten und tollen Formen!<br /> Bin absolut fasziniert vom Material und den Möglichkeiten! Es sieht nach viel Arbeit aus!
Antworten
E
Hallo Peter,<br /> ja, viel Arbeit ist es. Aber es ist toll, wenn man sich bei der Form- und Größenfindung von Armreifen langsam selbstständig machen kann und nicht mehr nur auf gekaufte Formen oder handelsübliche Armreifen angewiesen ist. Und es gibt so viele große Hände und Arme, die geschmückt werden wollen! <br /> Das hier war ja nur der Anfang ...<br /> Lieben Dank für deinen Besuch und viele Grüße von Edna Mo<br /> <br />