27. Juni 2020
Wenn Du diesen Blog öfter besuchst, wirst Du wissen, dass eines meiner Langzeit-Projekte die Formfindung für Armreifen mit großen Durchmessern ist. Hier und da gab es schon eine Idee, wie man selber eigene Urformen herstellen kann, aber oft ist es bei einem einzelnen Versuch geblieben.
Je länger man an einem Thema dran ist, desto eher kommt man auf Lösungen. Oft hilft simples Warten, bis sich zwei unabhängige Gedanken zu einer neuen Idee konkret verknüpfen. Der heutige Beitrag ist eine Berichterstattung von einem glücklichen Zufall und neuen handwerklichen Erkenntnissen zum Formenbau und zur Mustererstellung, die auf den bisher bestehenden Anleitungen aufbauen.
Der Zufall:
Ich wurde gefunden. Übers Internet. Von Crazy Harry.
Der wünschte sich einen großen Armreif in einer bestimmten Form aus Kunstharz, mit einem marmorierten Muster in einer bestimmten Farbe. Den wollte ich gerne anfertigen. Aber woher die Silikonform nehmen?
Da Crazy Harry eine Fräsmaschine im Zugriff hat, konnte er mir eine Holz-Version des gewünschten Armreifens in passender Größe zukommen lassen.
Im Gegenzug wünschte ich mir ebenfalls eine Holz-Vorlage eines bestimmten Armreifens (zu dem ich später noch ausführlich berichten werde).
Toll, wenn man jemanden hat, der solche Holz-Vorlagen herstellen kann!!!!
Die erste Erkenntnis:
Never more gelbe Tonne!
Bisher war ich ein großer Verfechter davon, den Gießkasten für eine Armreifen-Silikonform aus Verpackungsmüll zu rekrutieren. Damit erhält man nämlich von außen hübsche Silikonblöcke. Der Nachteil - und ich weiß wovon ich rede, nachdem ich zu Corona-Zeiten mein Atelier ausgemistet habe - man erstickt in dem Zeug. Keine Ahnung, wieviele Kubikmeter Plastikeimer für Krautsalat ich weggeschmissen habe, aber es war immens.
Es geht viel platzsparender und einfacher. Man braucht dazu nur Karton in verschiedenen Stärken, Paketband und eine Heißklebepistole. Das klingt jetzt ziemlich trivial, aber seitdem ich die ersten Gießkästen damit gemacht habe, will ich es gar nicht mehr anders.
Es geht superschnell und ist sicher gegen Auslaufen. Von außen sieht die Silikonform hingegen zauberhaft windschief aus. Aber ehrlich - wen juckt das?
Manchmal muss man sich echt wundern, wie großartig man sich selbst im Weg steht.
Die zweite Erkenntnis:
Overheadfolie ist dein Freund!
Keine Ahnung warum ich es so ewig hinausgezögert habe. Aber anlässlich meines zweiten Buchprojekts war ich gezwungen, endlich wieder ein großes Paket DIN A 3 Overheadfolie zu bestellen. Und seitdem läuft vieles, vieles in meiner Kunstharz-Werkstatt viel einfacher. Ich arbeite für meine "Floating"- und "Mosaic"-Kollektion viel mit einer Klebetechnik, bei der Kunstharzelement im Vorfeld zu Gruppen zusamengeklebt werden. Bisher habe ich dafür Silikonmatten benutzt oder die Rückseite von Silikonformen, aber an denen haftet jeder Dreckskrümel und jedes Staubkorn fest.
Statt jetzt erst mühselig mit Spüli und der Spülbürste Silikonmatten zu schrubben, ziehe ich einfach eine neue Overheadfolie aus dem Karton. Die sind klinisch sauber, Kunstharz lässt sich davon in dünnen Schichten rückstandsfrei und hochglänzend ablösen und man kann das Blatt sogar zwei Mal benutzen, von jeder Seite einmal.
Eine dunkle Vorahnung:
Holz hat Struktur.
Obwohl Crazy Harry den Holz-Armreif geschliffen, lackiert und wieder geschliffen hat, war die Oberfläche nicht so spiegelglatt, wie man sich das idealerweise wünscht. Im Vorfeld war also klar, dass wenigstens zwei Silikonformen erstellt werden müssen (eine pickelige, aus der ein Kunstharz-Gießling erstellt wird, und eine finale, die vom geschliffen und polierten Erstlings-Gießling abgenommen wird), bevor Crazy Harrys langersehnter Armreif gegossen werden kann.
Für einen rundum runden Armreif ("mit Hinterschneidung") wird ein weiches Silikon benötigt, dass sich maximal aufspreizen lässt, ohne zu zerreißen.
Hier: das Silikon Addition Pink 10 von Siliconesandmore
Karton dick und dünn
Paketklebeband
Heißklebepistole mit zwei Stangen Munition
Tesa Doppelklebeband - im Foto wieder mal vergessen !
(Das klebt wie Pest und das Silikon härtet an den Berührungsflächen trotzdem aus, was bei No-Name-Doppelklebeband nicht der Fall ist.)
Cutter, Bleistift
Küchenwaage, Mischbecher, Holzspatel
Für einen rundum gewölbten Armreifen baue ich vorab einen zusätzlichen Steg aus zwei Lagen stabilem Karton, dieser ist ungefähr 4 Millimeter breit und 3 Millimeter dick.
- Der Steg bildet nachträglich die Eingießöffnung für die Silikonform
- Er sorgt dafür, dass die Silikonform an der Eingießstelle eine gewisse Materialstärke hat und das Silikon nicht so leicht einreißen kann.
Lies zu mehr Details auch gerne die Anleitung "Silikonform für Armreif mit extremer Hinterschneidung".
Den Ring einigermaßen sauber mit dem Cutter auszusägen, ist bei der Anfertigung der Silikonform leider fast der mühseligste Part. Er wird mit Doppelklebeband fest auf dem Armreif geklebt.
Du benötigst Streifen aus dünnen, biegsamen Karton, die ein Zentimeter höher sind als der Armreif.
Daraus werden zwei Ringe gebogen - einer für die Innenwand, und einer für die Außenwand des Gießkastens.
Die Kartonringe sollen von der Größe so sein, dass zwischen Kartonring und Holzarmreif nicht mehr als 5 Millimeter Platz sind. je dünner das Silikon - desto einfacher ist das Auslösen, und man spart überdies Material.
Die Kartonstreifen werden auf einer Seite vollflächig mit Paketband beklebt - das wird die spätere Innenseite der Ringe.
Die Kartonstreifen werden überlappend mit Paketband in der richtigen Größe zusammengeklebt.
Als Bodenplatte benötigst Du einen stabilen Karton, der groß genug ist, dass der große Kartonring großzügig daraufpasst.
Lege den Armreif mittig auf den Boden-Karton und zeichen die Position an.
Platzoere den kleinen Kartonring mittig innerhalb der Zeichnung und befestige ihn auf der Innenseite mit der Heißklebepistole. Den Leim dick auftragen, es darf kein Silikon auslaufen. Kurz härten lassen.
Klebe rund um den Kartonring Doppelklebeband auf die Bodenplatte.
Ziehe das Schutztape ab und platziere den Armreif mit dem Steg auf dem Klebeband - mittig zum Pappring ausgerichtet. Der Armreif muss bombenfest sitzen.
Die Seitenansicht sieht nun so aus:
Platzieren den großen Kartonring im richtigen Abstand zum Armreif auf der Bodenplatte. Durch das Doppeltape wird er bereits angeheftet. Der Kartonring wird von außen mit einer dicken Schcht heißleim auslaufischer fixiert. Kurz härten lassen, bis der Heißleim milchig ist.
Fertig ist der passgenaue Gießkasten.
Zwischenzeitlich schätze ich die benötigte Menge Silikon, meistens liege ich richtig.
Für so eine voluminöse Form werden etwa 140 Silikon benötigt.
Stelle den Mischbecher auf die Küchenwaage und nulle die Anzeige mit der Tara-Taste.
Fülle 70 Gramm von der farblosen Silikonkomponente ein. Sie ist zähflüssiger als die rosafarbene Komponente. Da beim Ausgießen oft mehr rausgeflutscht kommt, als man möchte, gieße ich diesen Part zuerst - was zuviel ist, kann wieder in die Flasche zurückgekippt werden.
Fülle dann den Meßbecher mit der rosafarbenen Komponente auf, bis die Waage 140 Gramm anzeigt.
Zum Mischen zwei Minuten mit einer Acht-förmigen Bewegung - und langsam - rühren, dann fünf Minuten zum Entlüften stehen lassen.
Die Silikonmischung mit einem dünnen Strahl - und langsam - an einer Stelle in den Kartonring einfüllen.
Solange - langsam - weiter gießen, bis der Armreif vollständig bedeckt und nicht mehr sichtbar ist.
6 Stunden härten lassen.
Hach, das macht immer am Meisten Spaß: die ganze Kartonkonstruktion auseinander hebeln.
Bodenplatte abreißen. Kartonring vor sichtig flach mit dem Cutter aufschneiden - nicht in die Silikonform schneiden - und ablösen.
Es ist estwas Silikon unter den Steg geflossen. Silikon am Rand etwas abspreizen. Die sichtbaren Silikonnasen mit dem Cutter trennen, ohne den Holzarmreif zu verkratzen.
Silikonrand außen und innen leicht abspreizen, so dass der Rand abgelöst ist, dann kann die Form aufgespreizt werden, um den Holzarmreif herauszunehmen.
Fertig ist die Silikonform für den Armreif mit Hinterschneidung mit einem sauber ausgeformten Eingießrand.
Ich folge übrigens der Herstellerempfehlung und gebe die Silikonform zwei Stunden in den Backofen bei 80 ° C. Das soll die Langlebigkeit erhöhen, und ich würde nach meinen aktuellen Erfahrungen sagen, dass das stimmt.
Es ist gar nicht so einfach, einen gelungenen Marmoriereffekt bei Gießformen zu erzeugen, die gleichzeitig breit und hoch sind. Daher nutze ich den Erstlings-Gießling dazu, mal eine neue Technik auszuprobieren: die "Farbplatten-Technik"!
Ich mische Harz an und färbe es mit Pigmenten Rot und Gold.
Das gefärbte Harz verteile ich - wie Jackson Pollock - mit grozügigen Schlenkern aus dem Handgelenk auf der oben erwähnten Overheadfolie. Es wird nur ein dünner Film gegossen. Durch Heben und Drehen der Folie kann man das Muster zusätzlich verlaufen lassen.
Zusätzlich lege ich Schlagmetall Gold auf der Overheadfolie aus und beträufel es mit transparentem Harz. So lässt sich Schlagmetall mit Harz verfestigen, damit man es plan einbetten kann.
Zwei Tage härten lassen.
Die Platten lassen sich rückstandsfrei abziehen. Ich breche und schneide sie in mundgerechte Stücke und stecke sie aufrecht in die Silikonform.
Die Form wird mit transparentem Harz bis zum Rand gefüllt und härtet drei Tage aus.
Da der Armreif als Vorlage für eine Silikonform dient, sollte die Form nicht verzogen sein - was gerne mal passiert, wenn man voller Ungeduld den Armreif nach 24 Stunden aus der Form zerrt. Also Geduld!
Das Ergebnis:
Hier ein Blick auf die Unterseite. Die Technik der "eingegossenen Farbplatten" ist ganz interessant, es hätten fast noch mehr Teile sein können.
Ich habe mich ein bißchen schwergetan, den massiven überstehenden Rand abzutragen. Am Ende wurde alles mit der Zange abgebrochen, was möglich war, und der Rest mit dem Nagelfräser geglättet.
In der Zwischenzeit ist der Armreif komplett geschliffen und poliert, was wegen der Rundung rein manuell erfolgt ist. Wegen der auszumerzenden Luftblasen hat es in der Nachbereitung auch noch gedauert, bis ich mit dem Schleifen überhaupt anfangen konnte. Dann war es nur noch eine Sache von rund fünf Stunden stupidem Handschliff, der übermächtigen Holzstruktur den Garaus zu machen.
Bis aus dem Holzarmreif ein wunderschöner, hochglänzender Kunstharz-Armreif geworden ist, sollte man schon etwa 8 Stunden Handarbeit auf eine Woche verteilt einplanen.
Plus eine Silikonform, die man dann eigentlich direkt wegschmeißen kann.
Ich werden nach der dann finalen Silikonform noch einmal das Augenmerk auf die Marmoriertechnik legen. Ich habe den Ehrgeiz, eine Version für Harry im klassischen Ein-Guß-Verfahren hinzubekommen. Mal schauen, ob mir das gelingen wird.
Alle meine Anleitungen zum Silikon-Formenbau findest Du unter diesem Link!
Ich hoffe, die kleine Formenbau-Bastelstunde hat Dir wieder ebenso viel Freude gemacht wie mir!
Herzlich grüßt Dich
Edna Mo