20. August 2019
Letzte Woche habe ich Asphalt geküsst. Regennassen. Also wirf deine Eitelkeit über Bord und zieh gefälligst diesen bescheuerten Fahrradhelm auf. Sonst säße ich aller Wahrscheinlichkeit nicht so makellos vor Dir.
Wer so wie ich gerne und viel Rad fährt ist statistisch gesehen einem größerem Risikio ausgesetzt, im Straßenverkehr von anderen Verkehrsteilnehmern mit mehr Knautschzone aufs Korn genommen zu werden. Und selbst wenn man mit Licht und Warnweste auf einem Radweg auf dem Bürgersteig unterwegs ist, hindert es doch keinen Autofahrer daran, dich nicht beherzt frontal zu rammen. Wenn die Gefahr von der gegenüberliegenden Straßenseite angesaust kommt, muss man schon freie Sicht auf die komplette Straße oder hellseherische Fähigkeiten haben, um rechtzieitig zu reagieren.
Im Ergebnis: zwei Handknochen gebrochen, Elle am Handgelenk gebrochen, diverse Sehnen abgerissen, fünf Stiche im Gesicht, eine zermatschte Gleitsichtbrille, ein zerbeultes Rad und eine Gesamterscheinung, die mein Mann liebevoll mit "du trägst wohl Camouflage" kommentiert.
Ja, das hätte alles noch Schlimmer kommen können. Weil mir so gar nicht nach lachen zumute ist, musste ich direkt das "be happy"-Shirt zu meinem Lieblingsteil erklären. Denn abgesehen davon, dass diese ganze beschissene Welt für Menschen mit zwei funktionierenden Händen konzipiert ist und ich völlig abgehängt werde mit Schraubverschlüssen, Büstenhalterösen, Schnürsenkeln, Haarfrisuren, Speisen, die man mit Messer und Gabel essen muss, atemberaubenden Schmerzen und der dumpfen Ahnung, dass ich wahrscheinlich erst mal nicht wieder auf ein Rad steigen werde:
Wird meine Hand sich erholen? Werden meine magischen Finger ihre volle Beweglichkeit wiedererlangen? Werde ich - wenn auch absehbar nicht in den nächsten zwei Monaten - wieder zur feinmotorischen Arbeit mit Kunstharz zurückehren können? Werde ich wieder tun können, was ich liebe?
Was wird aus Edna Mo, was wird aus diesem Blog?
Auch wenn ich im letzten Blogbeitrag das Gegenteil behauptet habe: ich werde nicht am 30. und 31.08. bei Boesner in Nürnberg sein und Edna Mo wird keine Kunstharzvorführung machen. Wie auch?
Aber auch jede andere Form der Kunstharz-Kundenaufträge liegt auf Eis. Es geht einfach nicht!
Keine Ahnung, wie weit ich mich binnen der nächsten Tage erhole. Jogger, XXXL-Shirt, Bikinoberteil und Birkenstocks sind derzeit mein Leuchtfeuer am modischen Horizont, denn das alles kann ich alleine an- und ausziehen, und ich bin froh über alles, was ich ohne fremde Hilfe bewältigt bekomme (was insgesamt ziemlich wenig ist). Den Gips durch einen langen Ärmel stecken? So einen Ärmel muss ich erst noch finden. Ich muss meinen Mann bitten, mir einen Zopf zu binden (ähm, das lassen wir zukünftig) und ich suche verzweifelt nach einer Methode, mir bei der unverletzten Hand den Dreck unter den Nägeln zu entfernen. Irgendwelche Tipps?
Einhändig fotgrafieren? Großes Gelächter. Also Stativ! Keine Chance, die Kamer einhändig aufs Stativ zu setzen. Bei allem, was gar nicht geht, muss mein Mann ran. Da ich noch nicht abschätzen kann, wieviel ich ihm in den nächsten zwei Monaten zumuten werde, überlege ich, wo es zur Not auch ohne ihn geht. Daher habe ich mich einfach in meinen Produktfoto-Standard-Foto-Aufbau gesetzt und alles so genommen, wie es eben ist. Dann bleiben die Nägel eben dreckig und die Haare frisselig.
Auch wenn mich mein Humor nicht verlassen hat - meine Taille wird es definitv tun. Dank Netflix. Du gottgesegnetes Gehirn-Abtötungsmittel: mit Dir und Schmerzmitteln komme ich innerlich zur Ruhe. Aber mit einem Stoffwechsel, der in Rente ist, und der Anweisung, sich gefälligst zu schonen, sehe ich speck-takulären Ausmaßen entgegen.
Wir sind fragile Geschöpfe. Dass wir unbeschadet durchs Leben gehen, hat offensichtlich viel mit Glück und Zufall zu tun.
Einen Tipp kann ich Dir als radfahrendem Mensch noch geben: lass deine Ringe zu Hause oder in der Hosentasche. Ringe über extrem geschwollene Finger zu ziehen, gehörte definitiv zu den schmerzhaftesten Erinnerungen meines Unfalls.
Da es noch einen gigantischen Fundus mit Fotos einer intakten Edna gibt, und PC-Arbeit in einem Umfang von ein bis zwei Stunden aushaltbar ist, könnte ich mich damit beschäftigen, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt. Aber ich habe heute absolut keinen Schimmer, was ich zukünftig wie tun werde. Wenn es also blogtechnisch ruhiger zugeht, pflege ich sicherlich im stillen Kämmerlein mein Butterbäuchlein und versuche irgendwie, zu heilen.
Einarmige Grüße sendet Dir
Edna Mo