13. April 2016
Möglicherweise ist es schon aufgefallen: dieser Blog fährt derzeit nur mit halber Lunge. Es gibt weniger Artikel als sonst und diese sind auch nicht so sorgfältig choreographiert. Auch in Sachen News und Aktuelles halte ich mich vornehm zurück.
Die Wahrheit ist: seit vielen Wochen schon arbeite ich an einem Buch und habe daher wenig Zeit für anderes. Ein Bastelbuch soll es werden, in dem viele kreative Umsetzungen mit Gießharz erläutert und zum Nachmachen vorgestellt werden. Schmuck und Deko-Artikel selber mit Gießharz machen - das wird anhand von Fotoanleitungen erläutert, es gibt haufenweise Bilder, Tipps und Tricks und natürlich zauberhafte Ergebnisse. Das Ganze erscheint dann in Frankreich (sogar auf französisch), wird vom Verlag Creapassions vertrieben und kommt dank der Kooperation mit der Firma Colles et Couleurs Cleopatre überhaupt zustande. Ein Glück, denn in Deutschland ist das kreative Basteln mit Gießharz kein großes Thema, im europäischen Ausland allerdings schon. Toll, dass wir uns da gefunden haben!
Und das verdanke ich zu Hundert Prozent diesem Blog!
In diesem Sinne erst mal ein dickes Dankeschön, du virtuelle Welt!
Und das alles vereinnahmt die Zeit der Autorin (das bin ich): Projekte konzipieren, Projekte umsetzen (inkl. Vorstudien, Fehlversuchen, Mißerfolgen und optimierten Prozessen), alles zeitgleich fotografieren und Texte dazu schreiben. Das ist schon ein dickes Brett, und ich habe mit der ersten Bloginfo dazu gewartet, bis das Bergfest erreicht war. Nun, beim ersten Buch ist erst mal alles neu und es hat etwas gedauert, bis sich alles eingeschliffen und eine Routine eingestellt hat. Aber zwischenzeitlich bin ich guter Dinge, dass alles wunderbar bis zum Abgabetermin klappen wird.
Neidisch bin ich auf die Autoren, die drei Monate im schottischen Hochland verschwinden, um in einem malerischen Cottage an ihrem Buch zu arbeiten, eine Tasse dampfenden Tee neben und schlafende Hundewelpen unter sich, mit Blick auf eine schroffe Küstenlandschaft. Soviel pittoreskes hat meine Buchstory nicht zu bieten, da geht es irgendwie um schlichtere Dinge.
Das Buch soll für sich stehen und daher wird im Vorfeld nicht viel verraten. Aber ich möchte euch dennoch in die Welt einer schwer schuftenden Harz-Künstlerin mitnehmen. Wenn auch bekanntermaßen besonders viel Arbeit mit besonders wenig Glamour einhergeht. Aber ich hoffe, ich habe ein paar nette Aufhänger gefunden, um euch für ein paar Leseminuten zu fesseln.
1) Arbeitsplatz
Im Atelier habe ich eine Fotoecke eingerichtet. Damit ich rund um die Uhr arbeiten kann, wird alles mit den zwei Blitzköpfen ausgeleuchtet. Mein Fototisch ist rückenschonende 1 m hoch, zusätzlich gibt es die Möglichkeit, alles umzubauen, um frontal von oben zu fotografieren, wie hier im ersten Bild zu sehen.
Da ich hauptsächlich meine Hände fotografiere, werden die Bilder direkt auf den Laptop übertragen, so dass ich die Einstellungen kontrollieren kann, ohne durch die Kamera zu kucken.
2) Kameratechnik und Hürden
Vor rund 10 Jahren habe ich meine digitale Spiegelreflex gebraucht gekauft. Die lag dann lange im Schrank, bis sie im Zuge des Bloggens wieder zum vollen Einsatz kam. Jetzt wieder Fakten: es handelt sich um eine Nikon D 100, eine der ersten digitale Spiegelreflexkameras, die Nikon 2002 herausgebracht hat, ganze 6 Megapixel. Rein technisch gesehen ist das Ding alt, eigentlich muss die Kamera schon mit dem Rollator angefahren kommen und durch die Schnabeltasse schlürfen. Aber sie funktioniert noch gerade so (mit fortschreitenden Projekten stellen sich auch schon die ersten Zipperlein ein), und ich danke der Göttin und allen Allmächtigen, daß ich das Schätzchen damals angeschafft habe. Und daß es eine Nikon ist, denn der Kundendienst ist Top, ich bin eben mal hier in Düsseldorf zur Inspektion gefahren und habe den Chip entstauben lassen, auch mit den Technikern konferiere ich regelmäßig per Mail.
Größtes Manko (Warnung an empfindliche Gemüter, jetzt wird es etwas eklig) ist der Kabelauslöser, denn einen Funkauslöser gibt es für diese Kamera nicht. Der Kabelauslöser ist ziemlich groß und hat einen versenkten Auslöseknopf. Wenn ich nun aber beide Hände fotografiere, wie löse ich dann aus? Mit dem Fuß klappt das überhaupt nicht. Aber so bin ich gezwungen, einen fetten Kittknubbel auf den Auslöser zu kleben, mir das Ding quer in den Mund zu stecken und mit den Zähnen auszulösen. Wenn die Aufnahme kompliziert ist und länger dauert, tropft mir der Speichel aus dem Mund. Und zwar bächeweise. Ich sabbere wie ein Kleinkind auf meinen Pullover. Ab und zu sind ja auch liebe Leute im Atelier, die dann freundlicherweise für mich den Knopf drücken, aber in der Regel muss es ohne Hilfe gehen. Und dann stehe ich mit graziös gespreizten Händen im flackernden Halbdunkel, kaue auf meinem Auslöser und sabbere.
Erschwerend kommt die Perspektive dazu. Alle Aufnahmen werden aus Blickrichtung auf die Hände gemacht. Die Kamera ist also direkt neben meinem Kopf und ich habe nur einen Spalt zwischen Stativ, Tisch und Lampen, in den ich mich dann wie eine Schlangenfrau hineinwinde. Um dann breitbeinig eine stabile Position zu finden, denn dann werden die Handgelenke weniger abgeklappt, was der Optik sehr zuträglich ist. Ständig trete ich gegen Stativbeine oder falle über Kabel oder stöpsel mir mit den Schuhen die Stromzufuhr ab. Soviel zum Thema "hinter den Kulissen".
Hier seltene Aufnahmen von dritter Hand (Danke an Mister Mo, der derzeit seine Frau kaum noch von vorne zu Gesicht bekommt):
Und so sieht das aus, wenn ich nicht in meinem Foto-Aufbau herumkrieche. Edna Mo bei geheimnisvoller Giess-Tätigkeit.
3) Arbeitsbedingungen
Klassische Arbeitskluft ist also mein Sabberpullover, davon habe ich zwei, damit ich zwischendurch auch mal einen waschen kann. Der helle hat zwischenzeitlich eine graue Patina an den Ärmeln angenommen. Und warm ist er, denn im Atelier ist es tendenziell kühl. In den Taschen habe ich immer vier bis fünf Küchenkrepp-Tücher, daher wirkt der Bauch immer ausgebeult. Dazu stabile Schuhe, damit ich wie eine Gazelle auf und von der Leiter hüpfen kann und eine bequeme Jeans, die hat sich in Sachen Bequemlichkeit breitbeinig wie gebeugt oder auf Knien absolut bewährt (meine drei klassischen Körperhaltungen beim Fotografieren). Von meinem Arbeitskittel musste ich mich leider für das Buch verabschieden, er ist wegen der Länge fürs herumkriechen völlig untauglich und die Ärmel sind so lang, dass sie mir hochgeschoppt das Blut abschnüren.
Ansonsten ist das ein einigermaßen überschaubares Chaos ausgebrochen. Ich habe alle Arbeitstische belegt, überall stapelt sich noch nicht bearbeitetet, fertiges oder Material in einem Zwischenstadium, ständig verschwindet irgendetwas total wichtiges (Edding, Quetschakalotten, Aufhängungen), und ohne meine tägliche To-Do-Liste würde ich völlig untergehen.
4) Fotosituation
Keines der im Buch behandelten Projekte kann hier vorgestellt werden. Was Schade ist, denn bisher wurden rund 7.000 Belichtungen angefertigt, ich löse aus wie ein chinesischer Fotoautomat. Darunter sind etliche "outtakes" also Aufnahmen, die so ziemlich in die Hose gegangen sind, und die möchte ich euch gerne vorstellen. Ich kann herrlich dabei schmunzeln und das entschädigt mich wieder für die Arbeit, die mit so einer Buchmacherei einhergeht.
Im übrigen habe ich keines der hier gezeigten Fotos nachträglich bearbeitet.
Outtake - Ich habe die Haare schön!
Sehr oft fotografiere ich versehentlich meinen Kopf, das sieht dann so aus:
Outtake - Geisterbilder
Diese Rubrik liebe ich besonders. Das sind fehlbelichtete Aufnahmen, die etwas Magisches und Surreales haben:
Outtake - sprich zu der Hand
Wenn die Aufnahmesituation kontrastarm ist, kann der Autofokus der Kamera keinen Schärfepunkt finden. Da hilft eine Hand, die in die Aufnahmesituation gehalten wird.
Outtake - Körperlichkeiten
Hier taucht die Künstlerin in einem größeren Umfang in unerklärlichen Situationen auf. Inklusive Fernauslöse-Knebel und schmuddeligen Ärmelbündchen.
Outtake - the most ugly hands
Hände auf Fotos ist ein fotografisches Kapitel für sich. Nicht, dass ich meine Hände für fotogen halte, aber ich hab leider keine anderen griffbereit. Dank Photoshop kann ich meine überdimensional ausgeprägt Hornhaut an den Fingern und die vielen Scharten, die ich mir ständig mit dem Cutter in die Haut schneide, unkenntlich machen. Auf keinen Fall darf man bei Handfotos echten Kraft oder Druck ausüben, dann schwillt die Hand optisch zu einer dunkelroten Hulk-Keule an. Eigentlich darf ich nur die Fingerspitzen zart anlegen und muss Fingerglieder und Handgelenke etwas überstrecken, dann lässt sich meine Klaue optisch aushalten.
Hier Edna Mo's Hulk-Pfoten:
Outtakes - beloved Ones
ich mag diese Aufnahmen sehr. Sie machen keinen Sinn, sind aber trotzdem wunderschön, vor allem in der gekippten Version. Irgendwie steckt eine Geschichte in diesen Motiven, die nur darauf wartet, erzählt zu werden.
5) Atmosphäre
Was man auf den Bildern nicht sehen kann:
- Zwischendurch war ich der festen Meinung, Lakritz würde mich über die schlimmsten Momente der Bucherstellung retten. Das war ein Irrtum. Von Lakritze bekomme ich nur zauberhafte Pickel.
- Im Zuge der endlosen Stunden im dunklen Kelleratelier habe ich mich in die Plattensammlung von Mister Mo vertieft und in sämtliche Werkzyklen von David Bowie hineingehört. Aus seinem Gesamtwerk haben Mister Mo und ich ein Best of herausgefiltert, welches mehrere Stunden umfasst und mein persönliches Grundrauschen für die Zeit der Bucherstellung ist.
Ich erkläre hiermit offiziell, dass David Bowie für schlimme Momente im Rahmen einer Bucherstellung deutlich hilfreicher ist als Lakritz.
6) Ausblick
Die intellektuellen und emotionalem Begleiterscheinungen, die mit einem Buch einhergehen, möchte ich mir gerne für einen eigenen Eintrag aufheben. Wenn ich mal wieder klar denken kann und nicht immer nur mit einem Auge auf die Uhr schiele. Das wird aller Voraussicht nach im Juni sein. Dann wird alles gnadenlos nachgeholt: Schlaf, Geselligkeit, Ertüchtigung und Bloggen. Für alle virtuellen Nachlässigkeiten, die ich mir in der Zwischenzeit in der Blogosphäre eingehandelt habe, wie beispielsweise in meinem Newsletter vom Montag gänzlich auf einen Absender zu verzichten, möchte ich mich hiermit jetzt schon entschuldigen.
Ich bin ja ein großer Freund von Scheinwelten, Geschichten und Erfindungen. Aber etwas "zum Anfassen" ist zur Abwechslung auch mal nicht schlecht.
Und weil dieser Beitrag so authentisch und offenherzig ist und für meine Verhältnisse weder gestellte noch inszenierte Inhalte und Motive enthält, ist er bei Ines Aprilthema "Modejahr 2016 - Outing" verlinkt!
Herzlich grüßt dich, liebe Leserin und lieber Leser,
Edna Mo