Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Heute wirds im Blogpost extra handwerklich.

Ich beleuchte die Notwendigkeit von Hilfskonstruktionen.

Mich hat schon immer das interessiert, was "hinter den Kulissen" passiert, "warum" etwas überhaupt möglich ist oder "wie" etwas gemacht wird, und zwar "genau".

Ich schätze diese Art von Enthüllungsjournalismus, das ist gleichzeitig entmystifizierend ("Wie, nur Klebeband, das ist ja einfach!") und anderseits auch anspornend ("Das kann ich auch!"). Insofern lüpfe ich einmal den Vorhang und zeige, welche Kniffe und Tricks bei der Herstellung wunderbarer Kunstharz-Kreationen notwendig und lebensrettend sind. Zumindest, wenn man sich mit so vielen unterschiedlichen Formen herumplagt wie ich.

Beim Umgang mit Giessharz, Kunstharz oder Resin steht man oft vor unlösbaren logistischen Hürden. Denn das Material ist zunächst flüssig, wird erst durch eine Silikonform "in shape" gebracht und benötigt eine Dauer X, um sich dreidimensional zu verfestigen. Dieser Umstand erfordert, dass in der Zeit des Härtens Bestandteile fixiert oder in den absonderlichsten Arten und egentgegen den Gesetzen der Schwerkraft im Schwebezustand gehalten werden.

Wenn eine Hilfskonstruktion immer wieder auf die gleiche Art und Weise benötigt wird, kommt irgendwann ein findiger Ingenieur und entwickelt ein Werkzeug, dass genau diese Aufgabe erfüllt. Leider ändern sich beim Umgang mit Gießharz die Umstände ständig, so dass man sich auf viele unterschiedliche Arten behelfen muss. Aber mit Karton, Klebeband und Knet (die magischen drei Hilfs-K's) ist man schon ganz gut gerüstet.

 

Ins Wasser legen

Hat nichts mit echtem Wasser zu tun. Das bedeutet, dass man ein Ding gleichmäßig horizontal ausrichtet (abgeleitet von der Wasserwaage).

Wann brauch man das beim Gießen mit Harz?

Immer dann, wenn man eine schöne, gerade, gleichmäßige Harz-Oberfläche am späteren Gießling haben möchte. Also dann, wenn kein nachträgliches Schleifen der Gießfläche geplant oder gewünscht ist.

Traue keinem Tisch und keiner Silikonform. Die wenigsten verfügen über eine ausgerichtete Ober- oder Unterseite. Um eine schief fließende Oberfläche auszugleichen, kann man sich mit einem Stück Karton behelfen, dass nach Sicht unter die Form geschoben wird.

Hier ein Beispiel einer Armreifen-Silikonform, die mit einem Stück Karton ausgerichtet wird. Man kann auf dem Foto erahnen, wie gleichmäßig die Harz-Oberfläche dadurch wird.

Neben Pappstücken ist mein zweiter Ausrichtungshelfer Knet oder Fotokitt. Fotokitt ist nichts anderes als wiederablösbare Tesa Power Stripes und anders als Knet rückstandsfrei ablösbar.

Dieses Hilfsmittel benötigt man immer dann, wenn die Unterseite des Objekts krumm wie ein Kuhschwanz und ein Kartonstück keine Hilfe ist.

Man drückt das Objekt in einen Klumpen Knet und richtet es nach Sicht aus, bis die Oberfläche ungefähr gerade ist.

Hier zeige ich das einmal an Ohrringen und einem Ring, bei denen statt eines Glascabochons Kunstharz mit Dooming-Effekt aufgetragen wurde. Das weiße rechts ist das Resin'Pad, das extra für schmale Ringfassungen eine Einklemmschiene hat.

 

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Hier das Beispiel von drei Schmuckstücke aus getrockneten und geharzten Obstschalen.

Auf der Rückseite wurden jeweils mit einem Klecks Harz die Befestigungen angeklebt.
Dafür werden die Objekte ganz unterschiedlich ausgerichtet.

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion
Fixieren

Harz neigt dazu, eine Schweinerei zu veranstalten, wenn man nicht jeden Handgriff wohlüberlegt macht.

Mir ist ja mal eine volle, geöffnete Flasche Harz mit der Öffnung nach unten in den Schoß gefallen. Das war ein Spaß!

Beim Lackieren von Schmucksteinen mit Überzugsharz fixiere ich diese mit Doppeltape auf einem Stück Karton, so dass die Pappe und nicht der Stein mit den Fingerspitzen festgehalten und gedreht werden kann.

Dadurch erreicht man, dass sich die Fingerkuppen nicht in ein klebriges Inferno verwandeln und Harz nicht an unerwünschten Stellen verschleppt wird, wie auf die Seitenränder der Schmucksteine.

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion
Aufsockeln

Auskragende Objekte, die auf der Ober- und Unterseite seite mit Harz behandelt werden, benötigen eine andere Art der Hilfskonstruktion.

Das Harz fließt nämlich gerne unbemerkt auf die Unterseite des Objekts und trocknet dort in dicken Flatschen auf. Flach liegend ruiniert man garantiert die Unterseite!

Um das Harz-Fließverhalten gut beobachten zu können, klebe ich das Objekt auf einen Sockel (hier: ein gebrauchter Mischbecher) und kann während der Trocknungszeit ohne weitere Anfassen kontrollieren, was so auf der Unterseite passiert.

Den Becher kann man bei Bedarf mit bereits erwähntem Kartonstück ausrichten oder überschüssiges Harz von der Unterseite mit dem Pinsel abstreifen.

 

Schweben

Diese Hilfskonstruktion benötigt man, um ein Objekt innerhalb einer Silikonform auf einer bestimmten Höhe zu fixieren, ohne "Boden- oder Seitenkontakt", bis es durch das gehärtete Harz von unten gehalten wird.

Dafür braucht man ein Werkzeug, so ein kleiner Ständer mit zwei Klemmzangen, auch "dritte Hand" genannt. Dazu ein Eßstäbchen und ein Klümpchen Fotokitt. Die dritte Hand bekommt man im Baumarkt für kleines Geld; sie ist zwar kein Präzisionswerkzeug, aber besser als nichts.

Das Ausrichten geht im gezeigten Beispiel ganz unkompliziert, weil die Silikonform transparent ist und man die Positionierung von außen beurteilen kann.

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Im unten gezeigten Beispiel habe ich den Stamm eines Astes zusammen mit Harz und Kieselsteinen in eine Glasschale gegossen, so dass er alleine stehen kann.
Wenn es fertig ist, ergibt das einen Deko-Baum mit stabilem Sockel.

Der Ast ist ausladend und sollte während der Trocknungszeit des Harzes unkippbar fixiert werden.

Normalerweise würde ich die ganze Konstruktion an eine Wand rücken und den Ast anlehnen. In dieser speziellen Situation hatte ich dazu keine Möglichkeit. So wurde ein dicker Bildband aufgeklappt und als Stütze umfunktioniert, um den kippeligen Ast zu halten.

 

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Für dieses spezielle Harzprojekt, das bei mir den Arbeitstitel "Vase in Vase" hat, werden zwei Glasgefäße durch Harz miteinander verbunden.

Die Ränder der beiden Gefäße sind auf einer Höhe, und das kleine Gefäß soll später im Innern des großen Gefäß wie schwebend durch das Harz fixiert sein.

(Kleiner Tipp: nicht empfehlenswert. Die Gläser springen nach einiger Zeit!)

Die Hilfskonstruktion besteht aus eine schmalen Holzlatte, auf die vollflächig Doppelklebeband aufgebracht wird. Das kleine Gefäß wird mit dem Rand aufgeklebt, und das Holzbrettchen wiederum auf dem Rand des großen Gefäßes fixiert.

Der Kniff: das Brettchen darf die Öffnung des großen Gefäßes nicht verschließen, Man braucht noch einen Spalt, um Harz einzugießen.

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion
Andrücken

Diese Hilfskonstruktion benötigt man, wenn sich bei der Herstellung von Silikonformen Komplikationen ergeben

Normalerweise sind die abzuformenden Objekte an der Unterseite der Gießkiste fixiert.

Allerdings haben das Fließsilikon und das Objekt in der Regel unterschiedliche Massen. Im gezeigten Bild: der Armreif erhält "Auftrieb" durch das Silikon und reißt sich von der Bodenfixierung los. Und dümpelt wie ein träger Sonnenanbeter an der Oberfläche des flüssigen Silikons.

Ohne Bodenkontakt ist es nicht möglich, eine brauchbare Silikonform herzustellen. Diese millimetergroße Auflagefläche ist der spätere Eingießkanal.

Alles im Arsch, denkt man, und möchte  alles hinschmießen. Aber mithilfe einer beschwerenden Hilfskonstruktion kann man das schwimmende Objekt am Boden anpressen.

Im gezeigten Beispiel wurden zwei Holzplättchen auf die Kante des Armreifs gelegt, und darauf zwei Hantelscheiben.

 

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion
Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Hier ein weiteres Beispiel, dass mich kurz vor den Herzstillstand gebracht hat.

Ich habe getrocknete Walnüsse abgeformt. Die Form war einteilig konzipiert, und zum Auslösen sollte der Silikonkubus mit einem X-förmigen Schnitt auf der Oberseite versehen werden und so das Auslösen ermöglichen.

Schlitze sind zum Eingießen aber unpraktisch, man benötigt wenigstens eine Öffnung von drei bis 5 mm.

Speziell dafür wurde ein Gießkanal aus Wachs an den Walnüssen befestigt. Der Wachsknubbel ist wiederum an einem Draht befestigt, der von links nach rechts durch den Karton gesteckt wurde. So baumeln die Nüsse punktuell gehalten von oben in die Gießkiste.

So, meinte ich, würden sich die Walnüsse ohne Boden- und Seitenkontakt abformen lassen.

Nur leider habe ich in meinen Überlegungen das geringe Eigengewicht der Walnüsse übersehen. Mit dem Auftrieb durch das Silikon klappten die Nüsse einfach seitlich hoch und klemmten an der Innenwand der Gießkiste fest.

Mithilfe von etlichen Zahnstochern, die ich durch die Kartonwände gepiekt habe, konnten die Nüsse in Abstand zu den Karton-Seitenwänden fixiert werden, bis eine erste Schicht Silikon gehärtet war.

 

 

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion
Kreativtechniken

Im Zuge des Hantierens mit Klebeband und Co. ist mir klargeworden, dass Klebeband mehr kann als nur praktisch sein, wenn es um den Umgang mit Harz geht.

Eine Hilfskonstruktion kann auch kreativ genutzt werden.

Klebeband kann eine Gießform ersetzen. Das geht immer dann, wenn es ein Ausgangsobjekt gibt und dieses eine, technisch gesehen, ordentlich Kante hat.

Das Klebeband dient dann wahlweise als Seitenrand oder auch als Bodenfläche.

Ich zeige Dir dazu einige Beispiele.

Für eine Veredelung einer Tischplatte wird breites Doppeltape an der Tischkante befestigt und einmal um den kompletten Tisch geführt.

Harz kann nun eingegossen werden und versiegelt die Tischplatte hochglänzend.

Mit der gleichen Technik lassen sich CD Roms, Schallplatten oder andere runde oder eckige Dinge als Träger für ein Harzobjekt umfunktionieren.

 

 

 

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Klebeband als Bodenfläche: aus einem Armreif wird eine Schale

Und aus einem Ornament aus Modelliermasse wird ein transparenter Möbelknopf.

Schräge Ebene

Eine letzte kreative Hilfskonstruktion möchte ich hier gerne noch einmal vorstellen: die schräge Ebene: ein Brett und eine Stütze und je nach Größe eine Abrutschsicherung.

Das Fließverhalten von Harz wird manipuliert und damit besondere Farb- und Mustereffekte damit erzielt.

Unentbehrlich: die Hilfskonstruktion

Du siehst: Harzarbeit hat mit Geduld und Disziplin zu tun. Aber eine Portion Erfundungsreichtum beim Einrichten der Gießsituation gehört eben auch dazu.

Allen Resin-Addicts und Kunstharz-Künstler/-innen sende ich die besten Grüße und wünsche gutes Gelingen.

Wer selber auch eine tolle Hilfskonstruktion ersonnen oder in Benutzung hat, ist herzlich aufgefordert, mir Bilder zu schicken, so dass weitere Beispiele hier angefügt werden können.

Herzlichst

Edna Mo

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Edna Mo

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B
Liebe Edna, <br /> jetzt ist er da, der Tag an dem ich Dir eine Auftragsarbeit vorschlagen möchte...freu' Dich also auf meine E-Mail-Anfrage!
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E
Ich kriege jetzt schon Gänsehaut und freu mich auf deine Anfrage.<br /> Deine Edna Mo