26. September 2017
Als kreativer, produzierender Mensch ist "Verzichten" weniger ein Thema für mich. Meine Ideen brauchen Werkstoffe und Anreize, die ich ausreichend verfügbar haben möchte.
Daher ist die aktuelle ü30-Blogger-Aktion nichts, wo ich in meinen Kunstharz-Schmuck-Entwürfen schwelgen kann. Mein kreatives Ich lechzt nach "Überfluss" und weigert sich, sich zügeln und beschränken zu lassen.
Als konsumierender Mensch bin ich exakt das Gegenteil. Wenn es um funktional-notwendige Dinge geht, bin ich schlicht lustlos. Shoppen empfinde ich als Stress und ich bin ewig angepisst, dass es Dinge, die ich gerne hätte, einfach nicht ruck-zuck zu kaufen gibt oder unerschwinglich sind. Dafür stehe ich vor endlosen Regalmetern, die vor Massen nahezu identischer Produkte überquellen. Stundenlang auf die Suche nach einem bestimmten Artikel zu gehen ist für mich zutiefst unbefriedigend.
Schon früh haben mich visionäre Ideen heimgesucht, die mich sehr schnell zum Selbermachen geführt haben. Für meine ausgefallenen Modewünsche habe ich mir im zarten Alter von 14 Jahren von einer Freundin eine Einweisung in die Nähmaschine geben lassen, und konnte fortan die nachbarschaftlichen Dorfbewohner mit skurrilen Kreationen aus Karostoff, Webpelz und Plastikfolie schockieren (80er Jahre halt).
Daher widme ich die heutige Aktion der handgemachten Hautpflege, die ich vor drei Jahren für mich entdeckt habe. Seitdem bin ich Überzeugungstäterin und für die Pflegeindustrie ganz und gar verloren. Beim Waschen und Cremen lebe ich den blanken Purismus und verzichte mit ganzem Herzen und voller Leidenschaft auf chemische Wundermittel oder dubiose Wirkstoffe aus dem Reagenzglas. Für andere Menschen ist das wahrscheinlich äußerst mittelalterlich.
Für mich ist das Verzichten an der Stelle aber kein Mangel, sondern Luxus, meine handgefertigten Produkte pflegen mich deutlich besser als gekaufte Produkte.
Ich bin kein totaler Öko (nur ein klitzekleines bißchen) und will mich persönlich auch nicht von weltlichen Zwängen befreien und nur mit 30 Dingen den Rest meines Lebens bestreiten. Als Heilige würde ich mich ebenfalls nicht bezeichnen. Ich hege keinerlei Sendungsbewusstsein, Menschen zum Verzicht auf- und ein neues Reduktions-Manifest ins Leben zu rufen. Das soll jeder mit sich ausmachen. Schließlich hocken wir alle auf Geld und können uns das aussuchen. Aber unsere Überflussgesellschaft geht mir schon manchmal tüchtig auf den Keks. Ich bin saufroh, an wenigen Stellen eine Wohlfühlnische für mich gefunden zu haben, in der ich der Auseinandersetzung, was ich - passen zu meiner Altersgruppe - konsumieren, denken, sprechen und machen soll, aus dem Weg gehen kann.
1) Ich nehme das, was da ist
Für die Körperpflege wähle ich unspektakuläre Zutaten aus dem Küchenfundus. Es ist praktisch, wenn man das Olivenöl erst auf Rucola und Tomate genießen und danach Hautcreme damit machen kann. Was ich gefahrlos essen kann, ist auch für meine Haut geeignet.
Dabei bin ich ein großen Fan von Zutaten, die unproblematisch zu beschaffen sind. Hätte ich eine Ziege, würde ich Ziegenmilch für die Seifenherstellung nutzen, und wenn ich ein Baby stillen würde, sicherlich auch Muttermilch (kein Anlass für entsetzte Blicke, es gibt Menschen, die machen Schmuck aus Muttermilch und Kunstharz, also warum nicht auch Seife?).
2) Ich brauche fünf Produkte zum Überleben, das sind
Deo,
und alles ist relativ einfach herzustellen (DIY-Anleitungen und/oder Rezepte sind jeweils hinterlegt und werden auch rechts vom Beitrag angezeigt).
Wunderbar unkompliziert finde ich das.
Da mein Standard-Hautpflegeprogramm im Blog schon ausreichend dokumentiert ist, habe ich mir für die ü30-Aktion etwas Neues überlegt.
So spektakulär schaut es in meinem Badezimmerschrank aus: Handseife, Deo, Kardamon-Peeling-Seife, Shampooseife, Hautcreme Nummer vier.
Da ich in letzter Zeit schlecht schlafe und mich tagsüber ausgelaugt und schlaff fühle, habe ich das dringende Bedürfnis, mich zu verwöhnen und mir etwas Gutes zu tun.
Nicht-Schlafen wirkt sich übelst auf die Erscheinung aus, wie Fran in ihrem Blogbeitrag zum Älterwerden schon treffend berichtete. Jede nicht geschlafene Nacht leiert meine Kinnlinie und meine Augenlider um einen weiteren Zehntelmillimeter aus, ich schwöre!
Nun ist Hautpflege etwas, das hauptsächlich im Kopf und weniger auf der Haut passiert. Beim Pflegen mit eigentlich egal wie wertvollen oder kostspieligen Produkten zolle ich mir selber Wertschätzung. Das ist in erster Linie Einbildung gut für die Seele! Da ich sonst bei der Gesichtspflege eher sparsam unterwegs bin, ist es nicht schwer, mir selber etwas vorzugaukeln Gutes zu tun.
Und mein Gemüt lechzt jetzt so einen richtigen Frische-Energie-Kick! Dafür habe ich mir einen Wirkstoff ausgesucht, der meinen emotionalen Zustand perfekt abfedern kann: Grüner Tee in der pulverisierten Form, Matcha genannt. Ich werde damit zwei Sorten Gesichtsmaske ausprobieren.
Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich neulich ein Matcha-Eis geschleckt habe, dieses sehr lecker fand und große Lust bekam, dieses bittergrüne Pulver einmal nach Herzenslust auszuprobieren, innerlich und äußerlich.
Grüner Tee als Blatt und die gemahlene Version Matcha gelten gemeinhin als "gesund", da der Inhaltsstoff Catechin und viele Vitamine ein großes Wirk-Potenzial an Antioxidantien aufweisen. Antioxidantien wehren nicht nur schädliche, äußere Einflüsse ab, sondern können angeblich auch der Hautalterung sowie Entzündungen vorbeugen (yippieh!).
Für mein erschlafftendes, von ersten feinen Falten gezeichnetes und zu Unreinheiten neigendes Gesicht also genau das Richtige!
Und dann ist es wieder ganz wunderbar, trotz nächtlichen Straßenlärms, der einen vom Schlafen abhält, in der Großstadt zu wohnen. Um an Matcha zu kommen, muss ich mich nämlich kein Stück verrenken, sondern nur über die Straße in den japanischen Supermarkt schlendern. Denn mit der größten asiatischen Community hat Düsseldorf als Stadt auch manchmal ihre Vorzüge. Ein Beutel Matcha-Tee mit 40 g kostet 6,40 Euro.
Im Supermarkt findet man eine pompöse Auswahl an Tees, Matcha und sogar Lebensmittel, die mit Matcha zubereitet werden. Rein zu Testzwecken stecke ich auch ein Päckchen ulkige Kekse ein. Wenn schon, denn schon!
Jetzt geht es los mit meiner Schönheitsbehandlung, bestehend aus einer entgiftende Maske mit Matcha und Tonerde und danach eine pflegende Maske mit Matcha und Honig. Beide Masken bestehen jeweils insgesamt nur aus drei Zutaten, die restlichen Zutaten hat jeder zu Hause oder sind im Drogeriemarkt zu bekommen, das ist also mehr als einfach.
Jede Anwendung ist übrigens auch mit losen Teeblättern umsetzbar. Dafür wird der Tee mit nicht mehr kochendem Wasser übergossen und darf etwas ziehen. Dann wird das Wasser ausgedrückt und die feuchten Teeblätter statt des hier verwendeten Pulvers genutzt.
Ich beginne diese aufregende Matcha-Experience damit, dass ich meinen Mann ins Atelier spielen schicke und mich in der Küche verbarrikadiere.
Um mich in energiegeladene Stimmung zu bringen, versuche ich mich zunächst an der Zubereitung eines Matcha Latte. Also grüner Tee mit aufgeschlagener Milch.
Gibts was dabei zu beachten? Laut Packungsinfo soll das Wasser nicht heißer als 65 ° C sein (was in der Praxis in ein arges Geplansche ausartet). Vorab wird der Teelöffel Teepulver mit eine kleine Menge heißem Wasser aufgeschlagen und erst dann aufgegossen.
Natürlich habe ich keinen traditionellen Bambusbesen zum Aufrühren der Teemasse, aber ein kleiner Edelstahl-Schneebesen tut es auch.
Im Grund schmeckt Matcha wie Grüner Tee, kräutermäßig-herber, als würde man getrocknetes Heu trinken, das ist in Kombination mit Milch vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht uninteressant.
Der Tee ist so fein gemahlen, dass man keinen Körnchen-Effekt auf der Zunge spürt. Zum Niederknien finde ich die lindgrüne Farbe! Schätze, dass wird sich direkt in meiner Kunstharzerei niederschlagen! Überhaupt sieht Matcha so aus, wie die Pigmente, die ich in meiner Werkstatt habe.
Ich knuspere krümelnd einen äußerst widerspenstigen Matcha Biscuit zu meinem Milchtee, währen ich die Zutaten für die Masken herauslege. Die knochenharten Dinger entpuppen sich als Kakao-Kekse mit Matcha-Füllung. Geschmacklich übrigens eine Wucht. Der herbe Kakao mit dem bitteren Matcha und nur mäßig süß - das passt wunderbar. Wahrscheinlich muss man den Keks in den Tee tunken, um sie besser abbeißen zu können. Aber erst will ich sie pur für mich entdecken.
Derart gestärkt stecke ich mir das Haar zurück und lege los.
Entgiftende Matcha-Maske
je ein TL
Matcha
Naturjoghurt
Tonerde (im Drogeriemarkt im Apothekerregal erhältlich)
Tonerde reinigt die haut und öffnet die Poren. Durch die Eigenschaft, ein Vielfaches an Wasser zu binden, saugt die Tonerde die Hautoberfläche wie ein Staubsauger ab. Das Hautbild soll durch die Anwendung insgesamt verbessert werden.
Vermischen und mit einem Pinsel (ich habe einen frischen Backpinsel genommen) dünn aufgetragen. Innerhalb von 20 Minuten wird die Maske trocken und fängt an zu spannen.
Mit warmen Wasser abspülen oder mit einem feuchten Handtuch sanft kreisend abmassieren.
Pflegende Matcha-Maske
1 TL Matcha
1 TL Olivenöl
1 EL Honig (ich habe hier einen äußerst Leckeren vom lokalen Imker genommen)
Olivenöl enthält natürliches Vitamin E, das für eine elastische Haut sorgt und rückfettend wirkt.
Honig bindet Feuchtigkeit in der Haut und hat entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften.
Die Maske ist etwas flüssiger und kann daher fast besser mit den Fingerspitzen aufgetragen werden (schmeckt übrigens sehr lecker, Matcha und Honig. Ingwer würde geschmacklich auch gut dazu passen!).
Nach 10 Minuten Einwirkzeit tupfe ich den grünen Glibberschleim mit Küchekrepp ab und reinige das Gesicht mit einem feuchten Handtuch.
Um die Masken zu dokumentieren, habe ich mein Wirkungskreis dann ins Atelier verlagert. Mein Mann hat sich gekringelt vor Lachen, wie ich mit tropfender grüner Pampe im Gesicht durchs Atelier geflitzt bin, um meinen - wie immer zur unrechten Zeit stattfindenden - fototechnischen Breakdown in den Griff zu kriegen. Ist manchmal schon sehr lästig mit der Selfie-Knipserei! Da lob ich mir die Leute, die nur Tübchen und Tiegelchen mit dekorativer Perlenkette und Farn auf Glasplatte ablichten.
"Mein Weib wird grün" (in Anspielung an "the Hulk") und "Der Schrecken vom Amazonas" (in Anlehnung an den legendären Jack-Arnold-Film aus den 50ern) kichert es fortwährend aus der anderen Ecke des Raumes, während ich in meinem Foto-Aufbau vermutlich vergeblich um Fassung bemüht bin.
Ergebnis: die Haut ist weich. Ich finde beim darüber fahren mit den Fingerspitzen keine verhornten Stellen oder körnige Strukturen mehr. Ein schönes Gefühl!
Ich bilde mir auch ein, dass gerötete Stellen gemildert wurden und der Teint im Ton einheitlich rosig wirkt. Ich könnte auch sagen, dass die Augenringe nicht mehr so ausgeprägt sind und die feinen Falten am Kinnbereich verschwunden sind, aber das ist ein ganz subjektiver Eindruck.
Vielleicht ist es auch einfach heilsam für mein Gemüt, mal wieder im Mittelpunkt zu stehen und sich mit mir selbst beschäftigen zu dürfen. Ein sinnliches Erleben mit neuen Reizen, Empfindungen, Geschmack und Geruch macht mich auch im Herzen wieder empfindsam. Insofern kann ich nicht beurteilen, ob die Maske wirklich so phänomenal ist, wie ich meine, oder ob das nur ein Nebeneffekt meiner getätschelten Pschüche ist. Aber im Grunde ist das auch völlig Wumpe. Hauptsache, ich fühl mich gut.
Von beiden Masken habe ich die Reste im Kühlschrank aufbewahrt und noch in den Folgetagen aufgebraucht. Jeweils abends habe ich eine Kurz-Anwendung mit beiden Masken gemacht. Die Wirkung morgens war jeweils ebenso positiv wie beim ersten Mal. Und auch ein paar Tage später (so meine ich) sieht mein Gesicht im Spiegel noch immer erstrafft und erfrischt aus.
Ich bin rundum zufrieden. Nicht nur, dass ich etwas Neues, Simples ausprobiert habe, auch mein Wunsch, meine Erscheinung zu verbessern und oder mich zu verwöhnen, hat prachtvoll funktioniert. Ich habe ein für miche neues Schönheitsmittel in mein Portfolio aufgenommen, dass zu meiner Art von Hautpflege hervorragend passt. Die Packung Tonerde reicht noch die nächsten 20 Jahre! Den Tee werde ich wahrscheinlich schon bald aufgeschlürft haben, der ist einfach zu köstlich.
Besuch auch die anderen ü30-Bloggerinnen und lass Dich in ihre Welt mitnehmen. Sie haben im Rahmen der aktuellen Aktion Ihre Meinungen und Positionen zusammengestellt, wie man mit weniger auskommen und trotzdem glücklich und zufrieden sein kann. Und das betrifft nicht nur die Hautpflege, sondern weit mehr Aspekte des Lebens.
Samtweiche Grüße sendet Dir
Edna Mo
Der Beitrag wird außerdem verlinkt bei:
PS: alle meine Rezepte und Anleitungen findest Du hier in der Rubrik
"Hautpflege selbst gemacht"