24. Februar 2018
Seit meinem letzten ausführlichen Beitrag zur Kunstharz-Nachbearbeitung habe ich weiter an technischen Möglichkeiten getüftelt, der makellosen Oberfläche von Gießlingen habhaft zu werden.
Der Dremel ist zwar mit seinen kleinen Werkzeugspitzen schon mal nicht schlecht, um die scharfkantigen Ränder an kleinteiligen Gießlingen abzuschleifen oder Vertiefungen für die Anbringung von Metallteilen einzufräsen. Für die reine Oberflächenbearbeitung ist mir das kleine Monster aber persönlich viel zu schnell, denn man baut zweifelsfrei ein paar mehr Dellen ein, als man möchte. Und vor allem - viel zu laut. Für die Benutzung mit dem Handstück sollte der Dremel wegen des wenig flexiblen Verbindungsschlauches von oben hängend geführt werden - das ohrenbetäubend kreischende Ding baumelt einem wegen der eingeschränkten Kabellänge also direkt vor dem Gesicht und pustet einem Motorenabluft ins Auge. Rein logistisch ganz toll getüftelt, sag ich da nur. Ein echtes Männergerät: hauptsache Wumms, aber im Detail eher wenig flexibel einsetzbar. Daher bleibt der Dremel bei mir meist auf dem Bohrständer, denn bohren kann der kleine Racker hingegen ganz gut.
Andererseits wäre es schön, Endschliff auf gewölbten Oberflächen komplett maschinell erledigen zu können. Derzeit mit Tennisarm und sowieso immer durch maximal mechanisch beanspruchte Hände gehandicapt, wäre es einfach bequem und luxuriös, sich da etwas Schonung zu verschaffen. Schleifkappen bis 2.500 Körnung? Man wird doch mal träumen dürfen.
Daher habe ich in meinem unermüdlichen Forscherdrang ein neues Gerät ausprobiert: es wird im normalen Leben von professionellen Podologen bedient, dient also zur Pflege von Füßen. Im Detail: Hornhaut abzusägen und verhornte Nägel glätten. Was für Hornhaut geeignet ist (und jede Frau weiß, wie man sich damit im Schweiße seines Angesichts abmühen kann), kann für Gießharz nicht schlecht sein.
Die Recherche war schon ein gutes Stück Arbeit. Zu teuer sollte es nicht sein, da ich nicht wußte, ob mein Wunsch, in für die Gießharz-Oberflächenbenutzung einzusetzen und vielleicht alle Schleifschritte damit erledigen zu können, am Ende erfüllt werden würde.
Langsamer als 5.000 Umdrehungen pro Minute und stufenlos einstellbar waren meine beiden Hauptkriterien. Dazu sollte die Wattleistung eher im oberen Bereich angesiedelt sein. Das ist wichtig, damit auch bei kleiner Umdrehung eine gewisse Zugstärke gegeben ist. (Bei der Wattzahl scheidet sich übrigens das Amateur- vom Profigerät, Amateurgeräte haben nur rund 10 Watt Leistung). Robust, da das gute Ding auch schon mal ein, zwei Stunde am Stück am Laufen ist. Daher auch Netzstecker statt Batteriebetrieb. Und, wenn möglich, Schleifaufsätze mit verschiedenen Durchmessern waren außerdem meine Wünsche.
Am Ende habe ich mich für ein Gerät entscheiden, dass ich wegen seiner Vintage-Ästehtik in "Orbiter" getauft habe.
Erinnerst Du dich noch an die deutsche Serie aus den 70ern "Raumpatrouille Orion"?. Da wurden auch die Kulissen aus den absonderlichsten Haushaltsgerätschaften zusammengebaut.
Da passt der Orbiter optisch nahtlos hinein. Für die Fotodokumentation musste ich förmlich Composings mit futuristischem Touch erstellen, in denen der Orbiter wie eine dicke Weltraumknutschkugel durch die Gegend saust.
Der Orbiter besteht aus einem Motorteil mit Netzstecker. Das Handstück wird mit einem kurzen Zwirbelkabel vorne am Motorteil eingestöpselt. Zusätzlich gibt es noch ein Fußteil, das man ebenfalls bei Bedarf am Motorteil hinten anstöpseln kann.
Mit 60 Euro liegt der Orbiter preislich im Rahmen. Im Vergleich: der günstigste Dremel (ohne Handstück) liegt bei 70 Euro. Und: falls das Gerät für meine Harz-Zwecke untauglich sein sollte, kann ich es immerhin noch für die Fußpflege benutzen.
Bezugsquelle des Orbiters über Ebay. Der Lieferant sitzt in Polen und heißt mega-nails, die korrekte Bezeichnung lautet Nagelfräser JD500 35 W.
Besonders gut gefällt mir am Orbiter das Handstück. Es hat einen sagenhaft verchromten Griff und eine wunderschöne Form. Dreht man die geriffelte Manschette, wird das Futter freigegeben, so dass der Aufsatz gewechselt werden kann. Mit einem Dreh zurück ist der Aufsatz fest arretiert.
Aber am allerbesten ist der Sound. Der Orbiter macht nämlich fast keinen. Er ist sauleise und hat eine angenehme Frequenz, die man auch bei längererm Einsatz kaum als störend empfindet.
Beim Online-Kauf ist man ja immer gespannt, welches Ding man bei Lieferung auspackt, aber hier war ich eher positiv überrascht. Robust, gut verarbeitet und unkompliziert.
Was nicht geklappt hat beim Modell meiner Preisstufe ist, Schleifaufsätze mit verschieden Schaftdicken benutzen zu können, das Futter hat also eine feste Größe. Einen Teil der Dremel-Aufsätze kann man damit auch am Orbiter verwenden, aber leider nicht alle.
Was es jedoch nur im Podologiebedarf gibt, sind Schleifausfätze in drei Körnungen, 80, 120 und 200, wobei mir die Wirkung von der feinsten Körnung für meinen Erstschliff absolut ausreicht.
Rein technisch betrachtet habe ich mich richtig entschieden. Die Umdrehungszahl von 0 bis 3.000 ist klasse. Ich nutze meistens die Umdrehungszahl 1.500, und damit kann ich sehr präzise arbeiten.
Ich nutze den Orbiter zusammen mit der Schleifkiste. Da die Kiste ursprünglich für den Dremel gebaut wurde, habe ich an der rechten Seite kein Armloch für die Arbeit mit einem Handstück. Statt dessen lasse ich die Seite der Kiste einfach einen Spalt auf und stecke die Hand mit dem Handstück hinein.
(Ich bin das eingemummte Michelin-Männchen links. Bei eisigen Außentemperaturen sind es nur rund 16 ° C im Atelier. Wenn man länger sitzt, wird einem so kalt, dass man irgendwann alle verfügbaren Pullover übereinander zieht.)
Also: für den Erstschliff an gewölbten Gießharzteilen ist der Orbiter knorke!
Scharfkantige Ränder, vor allem an den Innenrändern von Armreifen und Ringen kann man damit sehr präzise angleichen und glätten. Diesen Arbeitsschritt müsste man alternativ mit einigem Kraftaufwand von Hand (120er Schleifpapier über ein Rundholz gewickelt) und nass erledigen (oder mit dem Dremel, wobei der eben ziemlich ungenau ist und mehr Beulen rein als wegmacht).
Ich war mir nicht sicher, ob ich das Feature mit dem Fußteil überhaupt benötige, jetzt weiß ich: aber ja doch. Ohne Fußteil geht das Handling mit dem Orbiter eigentlich gar nicht. Meine beiden Hände sind ja irgendwo in meiner Schleifkiste verbaut (Schutz vor Flugstaub), so dass es eine Notwendigkeit ist, den Motor nur mit einem leichten Fußtippen anzustupsen.
Ausgerüstet mit mehreren Mandrellen (das sind die Metallkörper, auf denen die Schleifkappen aufgesteckt werden), habe ich mich daran gemacht, die Weiterbearbeitung mit feinerem Schleifpapier auszuprobieren. Natürlich gibt es herstellerseitig keine fein gekörnten Schleifkappen. Aber mit Doppelklebeband und Schleifpapierschnipseln kann man basteltechnisch durchaus etwas improvisieren.
Leider haben meine Erstversuche keine brauchbaren Ergebnisse abgeliefert. Ich habe die umgebauten Schleifaufsätze an der Innenkante von Ringen und Armreifen ausprobiert und danach von Hand poliert. Die Kanten wurden zwar glänzend, waren aber durchgängig fein facettiert, so dass optisch kein schönes Ergebnis damit erzielt wurde.
Bin ich nun gekniffen, weil ich 50 Euro in ein Fußpflegegerät investiert habe, mit dem ich nicht spontan die totale Endbearbeitung von gewölbten Gießharzflächen erledigen kann? Kein Bißchen.
(Nebenebei ein großartiger Schnappschuß von Mister Mo im Atelier. Die Viele-Pullover-Übereinander-Technik bringt so manche Stilblüte hervor.)
1) Der Orbiter ersetzt für mich an der Stelle des Erstschliffs den Dremel. Per se erzeugt der Orbiter ein feineres Ergebnis als der Dremel. Nach dem Orbiter mit 200er Schleifkappe geht es dann von Hand direkt mit dem 600er Nass-Schleifpapier weiter.
2) Ich überlege, ob es sinnvoll wäre, das Handstück des Orbiters zu fixieren, so dass man das Werkstück über die rotierende Schleifkappe führt. Derzeit habe ich ja das Werkstück in der einen und das Handstück in der anderen Hand, also eine doppelte Koordinationsarbeit zu erledigen. Ich könnte mir vorstellen, dass man da durchaus noch optimieren kann. Aber dass ist sicher nichts ist, was man auf Anhieb gelöst bekommt.
3) Für Kunstharz-Newbies wäre so ein Fußpflegegerät aber eine gute Einstiegsdroge in die maschinelle Endbearbeitung, sofern gewölbte Flächen ein Thema sind.
Frau Edna an der Schleifscheibe. Solange es sich um ebene Gießharz-Flächen handelt, ist die Nass-Schleifscheibe mein großer Trumpf. Damit kann ich alle Schleifschritte maschinell erledigen. Um das auf gewölbten Flächen anzuwenden muss ich aber wohl noch weiter forschen.
Wie löst Du das Bearbeiten der Innenkanten von Ringen oder Armreifen, hast Du noch einen Tipp für mich?
Völlig ge-orbiterte Grüße sendet Dir
Edna Mo
Mehr ausführliche Beiträge zur Oberflächenbearbeitung von Gieß- oder Kusntharz findest Du hier:
Schleifen und Polieren: Hand- vs Maschinenschliff
Schleifen mit der Nass-Schleifscheibe
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