28. Mai 2019
Manchmal liegen wohlklingende Titel für Blogeinträge nahezu auf der Straße. Auch wenn der dann ganz ungoogelisch auf Keywords verzichtet. Manchmal fließen Wörter einfach aus mir raus, ob Monsieur Duden sich dann stöhnend im Grab windet, ist mir dann schnurz.
Jetzt wohne ich schon etliche Jahre in Düsseldorf und habe es erst letzte Woche das erste Mal auf den Japan-Tag geschafft. Das ist eine Art Stadtfest, in dem die japanische Kultur zelebriert wird. Da ich in "Little Tokio" arbeite, wie der Düsseldorfer Stadtteil rund um Immermann- und Klosterstraße genannt wird, habe ich sogar jeden Tag direkten Zugang zu japanischer Esskultur.
Was den Japan-Tag aber ausmacht, sind weniger die diversen asiatischen Leckereien, sondern die vor allem jungen Besucher/-innen, die sich als Manga-, Anime- und Film-Held/-innen kostümiert in großer Stückzahl einfinden. Entweder perfekt kostümiert oder dem Original liebevoll angenähert. Hauptsache bunt, hauptsache schräg: Frolleins werden zu martialischen Kriegern und Männer zu zarten Elfen, und bei manchen Kostümen lässt sich beim besten Willen nicht erahnen, wer oder was sich darunter verbergen könnte. Alles ist erlaubt.
Trotz massiver Suche habe ich die Bühne für den Cosplay-Wettbewerb nicht gefunden, aber es genügte vollauf, einfach lässig herumzustehen und sich mit vor Staunen heraustretenden Augäpfeln der Quadrille des Fantastischen hinzugeben.
Zunehmend stelle ich fest, dass ich ein Fan kostümierter Menschen bin. Schon im letzten Jahr war ich bei der Han-Solo-Premiere in München völlig geflasht von den Star-Wars-Kostümen. Zwar habe ich jetzt auf dem Japan-Tag nur etwa 5 % der gezeigten Figuren überhaupt zuordnen können, aber ich bin schlicht überwältigt von der Liebe zum Detail, von der die Fans sich tragen lassen. Unsereiner denkt ja, er würde sich Mühe geben und für ein Shooting Vollgas geben, aber das ist nichts im Vergleich zu dem Aufwand, den diese Cosplayer betreiben.
Bei tropischen Temperaturen trotzen sie der Hitze, eingepackt in Dutzende von Lagen Stoff, Tüll und Plüsch, mit überdimensionalen Perücken, dicken Make-up, angeklebten Ohren, gigantisch großen Waffen (ich habe mich gefragt, warum so viele Kostümierte ihre Bügelbretter mitschleppen. Es handelte sich aber um XXL-Schwertklingen aus Styropor) und ausladenden Körperverlängerungsteilen (meistens Flügel in jeder nur erdenklichen Form).
Vieles ist mir völlig rätselhaft geblieben: was das für ein fassgroßes, kloßrundes Plüschtier war, das viele der "Schulmädchen" unter dem Arm trugen. Wer diese mirakulöse Figur mit schwarzem Mundschutz sein könnte, die ein großes "Hug me" Schild auf die Brust gepinnt hat. So viel freie Liebe wie hier Schilder gab es wahrscheinlich selbst bei Woodstock nicht.
Auch wenn im Lauf des Tages der Glamour und die aufwändige Schminke etwas verfloß, hier und da ein Flügel in der Tür eines Dixie-Klos festzuklemmen drohte, so manches Schulmädchen - die goldenen Pumps unter den anderen freien Arm geklemmt - auf einst blütenweißen Strümpfen weitermarschierte, und die grotesk großen Waffen am Wegesrand ausruhen durften, war es doch ein fortwährender Augenschmaus. Meine herzlicher Dank gilt allen Künstlerinnen und Künstlern unbekannterweise, die sich und ihre Schöpfung für Fotos zur Verfügung gestellt haben.
Hingegen ich: zur Abwechslung schlicht als Enda Mo kostümiert! Seit letzten Sommer bin ich ein großer Jumpsuit-Fan, und diese Version in optisch sozialistisch angehauchter Ausführung in bezauberndem Kolchose-Petrol war ideal für den heißen Tag. Meine Key Pieces: eine übergroße Sonnebrille und eine leuchtende Strandgut-Kette, eins meiner ersten Kettenfädelerezugnisse, in der sich neben Fimo-Perlen und angeschwemmten, kunterbunten Plastikteilen auch ein kriegsversehrter Spielzeugoldat befindet.
Nicht nur, dass er bei seiner Wanderung durchs Meer Arme und Beine eingebüßt hat, um in der Kette seinen Platz zu finden, musste ich ihm auch den Schädel lobotomisieren, das habe ich wirklich nur sehr ungern gemacht. Allein der symbolische Akt war mir schon unangenehm. Um selbst beim Cosplay bügelbrettgroße Waffen zu tragen, bin ich vielleicht doch nicht geschaffen.
Da ich diese Kette demnächst in gute Hände abgeben werde, war es mir ein Anliegen, sie noch einmal zu einem schönen Anlass zu zeigen.
Mir ist klargeworden, dass man in Düsseldorf dank Karneval und Japan-Tag wenigstens zweimal im Jahr Gelegenheit hat, sich völlig unbekümmert absurd verkleidet in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Und dass ich bis zum 19.12.2019 nun doch ganz dringend ein Star-Wars-Kostüm brauche. (Irgendwas, was zu mir als mittelgroße, grauhaarige Frau mit Brille passt. Auf Stelzen kann ich vielleicht als kurzsichtiger Chewbacca durchgehen. Für einen Java bin ich zu groß. Auch weiß ich nicht, wie ich die ganze Zeit Feuerzeuge unter die Brillengläser halten soll. Sollte ich mir vielleicht selbstleuchtende Kontaktlinsen anschaffen?)
Und dass ich zu Episode 9 auf jeden Fall zur Premierenvorstellung gehen werde, weil die kostümierten Menschen, die alle kommen werden, um mich zu unterhalten, viel aufregender sind als der Film.
Wer eine Idee hat, um welche Anime/Manga/Serien/Graphic Novel/Film-Figuren es sich auf den Fotos handelt, oder eine Empfehlung für eine adäquate Star-Wars-Kostümierung aussprechen will, darf mir gerne einen Kommentar hinterlassen (bei nicht-Wissen natürlich auch).
Herzlich grüßt
Edna Mo