29. Dezember 2014
Bei Formaform denkt man zunächst an ein obskures Fitnessgerät, bei dem die Muskelstränge am Körper rausschnellen, sobald man mit den Zehen wackelt. Oder eine dieser vielversprechenden Schlankheits-Wunderpillen. Aber weit gefehlt, es geht um eine Abformmasse der Firma Sculptare, die über Bösner vertrieben wird.
Mit den Formenbaumassen von Bösner bin ich eigentlich nicht so ganz glücklich. Im Vergleich zu anderen Herstellern sind die Produkte vergleichsweise schlecht zu verarbeiten und teuer. Der arme Pott Formaform stammte noch aus anderen Zeiten und hat bei mir völlig vergessen im Schrank gestanden. Und da faule Tage noch viel schöner sind, wenn sie von kleinen Wellen des Aktionismus durchspült werden, habe ich neben der Makronenherstellung auch noch eine kleine Formaform-Erlebnis-Session eingebaut.
Es handelt sich laut Bösner um eine
"Synthetische, gummiartige Abformmasse, die wie Wachs im Wasserbad auf der heißen Herdplatte eingeschmolzen und danach sofort zum Abformen von Gegenständen aus Holz, Glas, Metall, Kunststoff, Stein, Gips etc. verwendet wird. Eine nicht gelungene Form kann wieder eingeschmolzen und für die Herstellung der nächsten Form verwendet werden (ca. 5–8 Mal)."
Das mit dem Einschmelzen klingt vielversprechend, so ähnlich wie die Wunderpille. Was habe ich schon kiloweise Silikonschrott produziert. Wäre ja schön, wenn misslungene Formen eine zweite Chance bekommen könnten. Eine Fixierung der Formaform-Formen mit dem beigefügten Thermolan ist möglich, werde ich aber zunächst zurückstellen.
Ansonsten hat die Abformmasse laut Herstellerangaben eine Shore-Härte von 42, ist also relativ hart. Für Formen mit Hinterschneidungen also eher nicht geignet. Als Abformobjekt wähle ich aus meinem Fundus vier Teile Strandgut, die aus Kunststoff und relativ flach sind und eine hübsche Kette ergeben. Für die Gießkästen sammle ich Umverpackungen und Blister aus der gelben Tonne, die für den Formenbau bestens geeigenet sind. Zwei davon mit passender Größe wähle ich aus. Damit die Mutterteile beim Gießen nicht davonschwimmen, werden sie am Boden der Umverpackungen mit Doppelklebeband festgeklebt.
Die vier Ur- oder Mutterformen als Kette konfektioniert. Darunter die vier Teile auf die beiden Gießkästen verteilt.
Zur Erklärung: das eine Teil ist gewölbt. Um eine Hinterschneidung (Darunterfließen der Abformmasse) zu vermeiden, wird ein keilförmiger Knetsockel daruntermodelliert.
Die Bedienungsanleitung startet mit einem endlosen Kapitel, welche Trennmittel verwendet werden müssen, damit das Mutterteil auch wieder sauber ausgelöst werden kann. Zum Glück habe ich einigermaßen Erfahrung mit Abformmassen, so dass ich nicht in Panik gerate, weil ich natürlich keins der geforderten Artikel in Griffweite habe. Es ist eine gummielastische Masse, sie sollte sich also von vielen Untergründen, die mit ihr in Berührung kommen, selber lösen. Sicherheitshalber streiche ich meine Kästen und Formen aber mit etwas Vaseline ein. Die hat man immer irgendwie im Haus und die kostet auch vergleichsweise wenig. In größter Not kann man sicher auch ein Gleitmittel verwenden, die Vielseitigkeit solcher Mittelchen sollte man nicht unterschätzen.
Jetzt wirds spannend: das Abmessen der benötigten Zutaten. Bei der Erstschmelze kommen 10 Teile Formaform-Granulat auf vier Teile Formaform-Liquid. Dies ist ein Verflüssigungshelfer. Da das Granulat einigermaßen umständlich abzumessen ist und sich beim Ausdücken aus der Tüte eine Spur gummielastischer Brotkrumen auf der Arbeitsplatte verstreut, sollte man das nicht zu umständlich machen. Ich wähle ein Schnapsglas, da quetsche ich das Granulat rein. Vom Liquid messe ich im Glas etwas weniger als die Hälfte dann im zweiten Arbeitsschritt ab.
Alles kommt
nicht ins Wasserbad, wie von der Bedienunsganleitung gefordert, sondern in meinen Seifentopf. Der wird nur für chemisch eklige Dinge verwendet. Aus meinen Erfahrungen mit Seife weiß ich, dass Schmelzen auch im Topf hervorragend funktioniert und das umständliche Wasserbad besonders für Ungeduldige auch elegant umschifft werden kann.
Die Temperatur wird schwach eingestellt, zwischen drei und vier (am E-Herd) und - wichtig - der Deckel muss drauf, damit die Hitze nicht entwischen kann.
Wer mit dem Topf arbeitet, sollte auf jeden Fall dabei bleiben und im Minutentakt das Vorgehen kontrollieren. Denn das geht jetzt ziemlich schnell. Binnen drei Minuten wird das Granulat gelartig und fängt an, sich zu verflüssigen. Auch wenn die Bedienungsanleitung vor "zu viel Einrühren" von Luftblasen warnt: noch feste Bestandteile sind einer makellosen Form auch nicht gerade zuträglich. Daher rühre ich mit meinem Holzstäbchen gründlich.
Das Ganulat schmilzt schon bei geringer Hitze, zwischen 40 ° und 50 ° C und ist dann wie dünnflüssiger, von feinen Blasen durchsetzter Honig. Danach fängt die Masse leicht an zu rauchen. Dann sofort den Topf vom Herd ziehen, noch einmal die Konsistenz überprüfen (flüssig und ohne erkennbare Klümpchen), und mit einem dünnen Strahl in die Formen gießen.
Meine erste "Ladung" war nicht ausreichend. Ich messe direkt eine zweite Menge Granulat und Liquid ab und mache im ungereigten Topf weiter.
Statt der in der Bedienungsanleitung erwähnten 30 - 60 Minuten wird die Masse in meiner kühlen Küche schon nach ein paar Minuten fest. Die zweite Schicht wird auf die bereits erkaltete Masse aufgetragen. Um das Abühlen weiter zu beschleunigen, stelle ich die fertigen Formen für 10 Minuten auf den Balkon. (Der Kühlschrank geht auch, da passt nur feiertagsbedingt gerade nichts mehr rein.)
Nach ingesamt 30 Minuten ist die Masse so fest, dass ich die Formen auslösen kann. Das geht ganz prima und ich kann mit einer Schere überstehende Ränder sehr gut abschneiden. Die Form ist momentan noch sehr flexibel.
Die Eigenschaften in punkto Abformgenauigkeit und Harz-Handling nehme ich nun auch in den Blick und gieße am nächsten Tag die Formen mit Harz aus.
Was mir direkt nach einem Tag Harz-Trocknung auffällt ist, dass sich die Formaform-Formen (dieser Begriff besticht durch seine totale Einprägsamkeit) sich recht ordentlich verzogen und in Richtung der Gießöffnung hochgewölbt haben.
Als Zweites fällt auf, dass sich Harz und Formaform nur schwer voneinander trennen mögen und man an Stellen mit leichten Verzahnungen die beiden Teile mehr oder weniger auseinander ziehen muss. Was bei einigen winzigen Details der Gießform dazu führt, dass sie unglücklicherweise mit abgerissen werden.
Im direkten Vergleich bemerkt man außerdem, dass die gegossenen Teile merklich kleiner sind als die Mutterteile. Das bedeutet, dass sich bei der Formherstellung die Masse beim Trocknen zusammenzieht, und zwar rund um die Mutterform in einem anderen Verhältnis als an den Rändern.
Ich ahne schon, dass Formaform mehr ein Spielzeug denn eine ernstzunehmende Abgussmasse ist und probiere als nächstes den Ernstfall. Dazu mache ich von einem technisch anmutenden Teil mit sauberen Kanten und Flächen einen Formaform-Abguss und danach im gleichen Gießkasten einen Silikonabguss. Ich verwende jetzt gar kein Trennmittel mehr.
Meine Befürchtungen sind wahr: ein mit den Abschlußkanten bündiger Guss ist dank Suppen-Teller-Effekt nicht möglich. Im direkten Vergleich mit dem Silikon kann man sehen, dass die Oberfläche des Mutterteils in der Formaform-Form (!!) mit leichten Wellen und Unebenheiten wiedergegeben wurde.
Dritter Test: eine Form mit hoher Schichtdicke. Diese konnte trotz hoher Flexibilität nicht ohne Einreißen an den Kanten aus dem Gießkasten gelöst werden (ohne Foto).
Auch beim zweiten Werkstück: Suppenteller-Effekt. Darunter: Formaform-Abguss von einem klaren Harz-Teil, links unten die Formaform-Form (!!) rechts davon die Silikonversion von gleichen Teil.
Ich fasse die Ergebnisse meines Formaform-Tests wie folgt zusammen:
Formaform ist eine Abgussmasse, die ideal ist für flache Formen ohne Hinterschneidungen. Sie ist für Harze bedingt geeignet. Möglicherweise liegen ihre Stärken bei keramischen Abgussmassen, Gips oder Gießholz.
Formaform ist besonders dann zu empfehlen, wenn die Abformgenauigkeit kein maßgebliches Kriterium ist und optimal für den einmaligen und experimentellen Einsatz.
Vorteile:
- Man erhält sehr schnell fertige Formen, die nach zwei Stunden bereits benutzt werden können. Zum Vergleich: Silikon benötigt wenigstens 12 Stunden für die erste Nutzung.
- das Schichten von fester und flüssiger Masse geht sehr gut, die Masse verbindet sich nahtlos.
- nach zwei Tagen sind meine Formen bei einer Shore-Härte von ungefähr 25 angelangt
(wohlgemerkt: wir haben Winter, in meinem Arbeitsräumen ist es kühl und die Luftfeuchtigkeit ist mit 70 % relativ hoch)
- das Einschmelzen einer bestehenden Form funktioniert prima. Man sollte mit einer Schere die Schnipsel so klein wie möglich und gleichmäßig groß schneiden. Je dicker einige Klumpen, desto länger brauchen sie zum Schmelzen.
- Topf und Utensilien können mit warmen Wasser direkt nach Benutzung problemlos gereinigt werden. Laut Hersteller sind die Produktbestandteile ungiftig. Allerdings riecht es in der Küche leicht nach verbranntem Gummi.
- Für Kunststoffe und Objekte mit glatten Oberflächen ist Trennmittel aus meiner Sicht nicht nötig.
- 800 g Granulat wiedereinschmelzbar für 18 Euro ist ein durchschnitllich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Nachteile:
- Herd, Topf, warmes Wasser. In meinem Arbeitsräumen habe ich so etwas nicht. Der Test musste also in die Küche verlagert werden. Ich hoffe doch, dass nichts von der Gummimasse in meinem Makronenteig geraten ist.
- die Formenbaumasse reagiert auf Wärme und wird dann klebrig. Es kann sein, dass durch die Reaktionswärme im Harz die Masse angelöst wird und sich daher die Harz-Abgüsse so schwer ausformen lassen.
- Die Form verzieht sich stark, was ein nachträgliches Nacharbeiten der Rändern mit Schleifpapier nötig macht. Diese Arbeit ist bei einer formbeständigen Abformmasse viel geringer. Ob sich diese Verzieh-Eigenschaften mit einer Thermolan-Behandlung aushebeln lassen, ist und bleibt unklar.
Fazit:
Das war ein lustiges Abenteuer und das Brötscheln in der Küche mit dem Einschmelzen war richtig nett. Allerdings überzeugt mich die Qualität der Formen nicht. Ich habe am Ende nur die flachen Formen der vier Strandgut-Kettenteile aufbewahrt und noch im Einsatz, den Rest habe ich wieder zum Einschmelzen weggelegt. Leider fällt mir nichts mehr ein, was ich mit dieser Masse noch abgiessen könnte.
Bezugsquelle: www.boesner.com
Hinweis: dies ist kein Affiliate-Link.
Die hier gezeigte Abformmasse wurde selbst gekauft.