15. Dezember 2015
Als Science-Fiction-Fan finde ich alles spannend, was sich imaginär im Weltraum abspielen könnte. Star Wars gehört als Space Opera mit in diesen Kosmos, ohne dass ich es je zu einer echten Star-Wars-Jüngerin geschafft hätte.
Bemerkenswert finde ich heute, dass im ersten Star Wars Film die zentrale Frauenfigur schon recht fortschrittlich geprägt war und eine geschickte Gratwanderung zwischen Action und Fashion absolviert hat. Leia, die sich weiß und bodenlang gewandet auf dicksohligen Boots wie ein Racheengel, und dennoch nonnengleich, ihren Weg durch den Todesstern freischießt, während sich ihre Haarschnecken in Wohlgefallen auflösen - rein emanzipatorisch und ikonographisch war das schon sehr visionär.
Anders mein wunderbarerer Gatte Mister Mo, der einer frühkindlichen, generellen Star Wars Verzückung erlegen ist. Irrungen und Wirrungen der lichten wie der finsteren Seite der Macht hatte er bereits zur Einschulung verinnerlicht. Da wir zusammen wohnen, kann ich mich seiner konstant aufrechterhaltenen Faszination nicht entziehen. Geschätzt 15 Kubikmeter unserer Behausung teilen wir mit Star Wars Artikeln, Kopfgeldjäger-Figuren schmücken unsere Sidboards mit grimmigen Entschlossenheit und der Action-Figuren-Sammelkatalog hat als Klo-Lektüre einen Stammplatz bezogen.
Angesichts der stellenweise dramaturgischen Schwächen kann man den Kult um die Filme zwischenzeitlich sogar noch mehr bewundern als die Filme selber. Spannend ist für mich die Frage, wie und warum 1977 Episode vier die Gemüter so massiv und nachhaltig beeinflusst hat, dass sich daraus eine ungebeugte Anhängerschaft entwickeln konnte. Aber offensichtlich war der Film zu seiner Zeit so außergewöhnlich und vor allem so erfolgreich, dass diese Fantasiewelt in das frühkindliche Bewußtsein einer dafür empfänglichen Zielgruppe förmlich eingestanzt wurde. Ich akzeptiere, dass es sich um ein kulturelles Phänomen unserer Zeit handelt und seine Berechtigung im Lebens meines Mannes und damit zwangsläufig in meinem hat.
Am Rande sei erwähnt, dass eins unserer ersten Dates der Besuch von Episode III war (ich analysierte, er lauschte).
Seitdem die Informationen über den Rechteverkauf von Lucas an Disney ruchbar wurden, war Mister Mo schon latent elektrisiert und befindet sich seit der Veröffentlichung des ersten Episode 7 Teasers in einem rauschhaften Zustand. Selbst mir ist klar, dass in der imaginären Star-Wars-Welt ein neues Zeitalter anbricht. Endlich kann die Menschheit auf eine respektable Weiterführung des Epos und weitere Filme hoffen. Der Kunstgriff, die Menschheit mit spärlichen Teasern auf die Neuwerdung der Geschichte vorzubereiten, die alte Krieg-der-Sterne-Welt auf Null zu setzen und das extended universe (die Geschichten zwischen den Geschichten) wie eine lästige Staubflocke abzuschütteln, ist eine für die Fangemeinde recht radikale Angelegenheit. Und ein genialer Trick, um Spannung und Vorab-Merchandising-Verkäufe ins Unermessliche zu steigern. Wie uns schon die Schwiergereltern in den letzten Wochen aufgeregt mitzuteilen wußten, "gibts bei Aldi wieder so Krams zu kaufen, mit Dark Vatter und Sturmtrippern", so gut hat die frühe Indoktrination also nachgewirkt.
Natürlich blieb es nicht aus, dass Mister Mo und ich die Teaser und Trailer im Einzelbild-Modus untersuchten und wir uns von den hingehauchten Textfetzen und Sounds in einen wohligen Gänsehaut-Zustand versetzen liessen. Und ja: offensichtlich wird es wieder eine starke weibliche Figur geben. Rey ist ihr Name und sie hat einen mächtigen Stock an ihrer Seite und eine süße Droiden-Knutschkugel.
Da im Film absolut nichts ein Zufall ist, kann man sich über Rey's Erscheinung und ihr Wirken in der noch unbekannten Geschichte köstlich den Kopf zerbrechen. Ihr Kostüm deutet vielversprechendes zu ihrer Figur an: Kniebundhosen (kein Kleid! Und ja, Kniebundhosen. Wie lange ist das her, dass dieses Kleidungsstück modische Relevanz bewiesen hat?), wenig Haut (na bitte, es geht doch auch ohne Bauch und Brüste), eine jedimäßig geschlungene Schärpe (mit der man auch ohne Kleid einen feminine Aura verströmt), dazu das lange Haar in einen abgewandelten Knoten der klassischen asiatischen Kampfkunst-Tradition geschlungen. Ich würde sagen, die Göre hat es faustdick hinter den Ohren. Und zwischenzeitlich weiß man sogar, dass Rey eine Schrottsammlerin ist. Das erklärt zwar die funktionale Kniebundhose, lässt aber in Punkto "gewickelte Schärpe" wieder viele Fragen offen. So vordergründig wie Leias Erscheinung kann man Reys wohl nicht herleiten. Komplexität ist angesagt!
Ich möchte dieser Ära meinen Respekt zollen! Und so war meine Idee schnell geboren, eine Verwandlung in Rey und eine fotografische Inszenierung zu kreieren. Und zwar, solange der Film noch nicht veröffentlicht und die Geschichte noch nicht enthüllt war. So gerne ich in diese Figur geschlüpft wäre - aber die Zeit bis zum Filmstart war zu kurz, um selbst zu Rey zu werden. So habe ich mich nach einem anderen Modell umgesehen. Eines, das jederzeit verfügbar ist und sich nicht wehren kann.
Mir blieb notgedrungen nur übrig, eines meiner textilen Modells zu Hilfe zu holen. Meine Affinität zu reinen Fantasiewelten bezieht sich nicht nur auf den Weltraum, sondern auch auf Püppchen und Viecher und ist hier und da ja auf diesem Blog schon zur Sprache gekommen. Herr Bimbo ist der Einzige, der mit seiner schlanken Figur und seiner gazellenhaften Beweglichkeit imstande ist, Rey zu verkörpern. Er ist zwar dunkelhäutig und ein Mann und passt damit nicht ganz ins Profil der Figur. Mir ist das ja gleich. Herr Bimbo ist ein begnadeter Schauspieler und lässt uns diese kleinen Nebensächlichkeiten schnell vergessen.
Natürlich hätte ich mit Herrn Bimbo als Modell auch eine andere Figur aus der SW7-Welt verkörpern können. Finn beispielsweise, der ja von Natur aus männlich und dunkelhäutig ist. Unglücklicherweise hat mich aber auch rein gar nichts gereizt, diese Figur zu erkunden (ein abtrünniger Sturmtruppler...na ja nü, erst Uniform und dann ...kuckt euch mal die langweiligen Klamotten an...also ehrlich...). Und so ist in meiner Fotostrecke Rey eben eine andershäutige Gazelle, meine Güte, was solls (Herr Bimbo hat übrigens entschieden, sich als Hauptdarsteller für den nächsten Bond-Film zu bewerben).
Die Verwandlung von Herrn Bimbo in Rey war aus vielen Gründen ein wahrhaft abenteuerlicher Ritt (mehr zur Umsetzung im "Making of" im Anschluß). Da das Disney-Bildmaterial spärlich gesät war, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit und von Interpretationsvermögen. Eigentlich war "Bimrey" (so der interne Arbeitstitel) schon fertig, als der japanische Trailer veröffentlicht wurde und viel mehr Details am Kostüm aufzeigte. Die Schärpe, der Zopf...da lag ich doch glatt daneben. Also noch mal von vorn.
Gerne hätte ich ein weiteres der lustigen Viecher, Herrn Tonas, als Sidekick ergänzend in Kaylo Ren verwandelt, denn das ist wiederum ein sehr spannende Figur. (Herr Tonas ist ein gestricktes Wesen, das an einen sehr kurzbeinigen Elefanten erinnert). Nach der Anprobe des ersten Capes (ja, der Kaylo hat gar kein Cape sondern nur einen Kopfputz, aber das weiß man dann auch erst nach dem japanischen Trailer) war klar, dass Herr Tonas einfach nicht wie ein Nazy-Priester aus der Matrix aussieht, sondern nur wie eine schwarze Kartoffel mit Strickrüssel, insofern wurde das Nebenprojekt begraben.
Da für meine Nachstellung eine bestimmte Szene aus dem Trailer vor meinem geistigen Augen schwebte, mussten parall noch weitere Requisiten angefertigt werden: der Waffenstab und natürlich BB-8, der knuffelige Kugeldroide, der sicherlich die komische Rolle im Film verkörpern wird. Und so wurde aus einer Idee eine recht zeitfüllende Angelegenheit, die mich zwischendurch in schiere Verzweiflung stürzte und am Ende in einem wunderbaren Shooting ihren Abschluss gefunden hat. Und wie es scheint, bin ich irgendwie doch noch zum guten Schluß zu einem echten Star Wars Nerd geworden.
Viel Spaß bei
Für alle, die Herrn Bimbo noch nicht kennen lernen konnten, folgt hier eine kurze Einführung. Herr Bimbo ist älter als ich und eine textile Antiquität. Er stammt aus einer Zeit, als es schick war, ethnische Minderheiten in aller ihrer Klischeehaftigkeit zum Thema von Kinderspielzeug zu machen (mir sind mehrere Versionen dieser Art von Puppen geläufig, es muss also mal sehr "in" gewsen sein). Seine Identität als "Feldarbeiter / Hausboy / Sarotti-Mohr" wurde ihm in Form einer lustigen roten Latzhose, einem blauweiß kariertem Hemd und einer gelben Fliege ganz charmant auf den Leib geschneidert. Seine jetzt blanken Metallknopf-Augen waren tatsächlich vor grauer Vorzeit kohlrabenschwarz lackiert. Und diese Ohren... böse ist eigentlich gar kein Ausdruck für diese Darstellung eines Afrikaners.
Heutzutage würde man sich eher beide Hände abhacken als in dieser überzeichneten Form ein Spielzeug auf den Markt zu bringen (man denke nur an den pädagogischen Effekt). Entstanden aus einem gänzlich anderen Bewußsein in der damaligen "Exoten-Püppchen-Welle" kann dieses Wesen nichts für seine Erscheinung und auch nichts dafür, dass es vor über 45 Jahren auf den Namen "Bimbo" getauft wurde, als es Mister Mo ins Kinderbettchen gelegt wurde. Aus Bimbo ist zwischenzeitlich Herr Bimbo geworden, denn auch wenn der Name anhaftet wie Pech, so hat jedes betagte Püppchen huldvollen Respekt verdient.
Diese Erscheinung hat es mir etwas schwer gemacht, die Verwandlung vom Herrn Bimbo im Rey zu vollziehen. Denn zuerst mussten alle Spuren seiner Vergangenheit gelöscht und seine lächerliche "Verkleidung" unkenntlich gemacht werden. Dies gelang mit einem paar brauner Socken, die als Bodysuit angepasst wurden. Es hat sehr gut getan, nach 45 Jahren Herrn Bimbo ertsmalig zu einem neutralen Wesen zu machen. Insofern ist Bim-Rey nicht nur ein Star-Wars-Projekt, sondern gleichzeitig auch ein Manifest für Fremdenfreundlichkeit sowie eine Transgender-Cinderella-Story.
Im zweiten Schritt wurde aus einem Lederrest Stiefel und Gürtel gefertigt. Die Stiefel haben es Herrn Bimbo besonders angetan!
Die Kniebundhose wurde aus einem weichfallenden Jersey und das Shirt aus einer leichten Baumwolle gefertigt. Meine Schneiderkünste waren sehr gefragt: Herr Bimbo verfügt über außergewöhnliche anatomische Abweichungen. Das Fehlen von Schultern wird durch einen sehr großen Kopf ausgeglichen. Das Shirt wurde daher noch einmal verbreitert und an den oberen Nähten komplett offengelassen. So konnte man es über die ebenfalls stattlichen Füße fummeln und am Ende von Hand an den Schultern schließen. (Hah! Die Schulterpolster in den Maßanzügen für die Bond-Rolle will ich mal sehen!)
Ergänzend wurden aus schmalen Streifen Baumwollstoff die Armbinden gewickelt.
Hier kann man die erste Version der Schärpe sehen, die zwar schon jedimäßig aussieht, aber leider überhaupt nichts mit der Vorlage zu tun hat. Zu dunkel, zu kurz, zu maskulin. Wäre Herr Bimbo eine männliche Jedi-Figur, hätte man jetzt aufhören können. Inwiefern Farbwahl, Material und Haarschmuck dazu beitragen, aus einer Mann- eine Frau-Erscheinung zu machen, war an Herrn Bimbos Verwandlung in Rey spannend zu beobachten.
Verwandlung in Rey: Armbinden und erste misslungene Version der Schärpe. Herr Bimbo nimmts noch gelassen.
Die erste Version der Haare, die zunächst nur zu einem einfache Pferdeschwanz gebunden waren, wurde aus einem zum Schlauch genähten Stück Kunstleder improvisiert. Offen getragen wirkte das schon sehr fraulich. In der Zopf-Version ähnelte der Kopfputz aber mehr einem glänzenden Helm als Haar. Die gerade Stirnlinie hat das sehr verstärkt.
An den weniger werdenden Dokumentationsfotos kann man schon ablesen, wie die Zeit langsam knapp wurde. Ich bin ja sonst ein planerischer Mensch, der seine Einträge gerne auch vier Wochen vor Veröffentlichung fertig hat. Aber das Projekt Bimrey habe ich etwas unterschätzt, und daher haben die letzten Handgriffe in fliegender Hast stattgefunden. Kein Tageslicht für die Dokumentation, keine Zeit die Blitzköpfe aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen. Und immer ein Auge auf den Shooting-Tag, an dem die Sonne scheinen und alles fertig und parat sein muss.
Zuerst wurde die Schärpe neu gemacht: heller, länger und an einer Seite offen. Sie zu wickeln ist mir eigentlich überhaupt nicht geglückt. Wenn ich den Film sehe, wird mir die Schnittechnik sicher wie Schuppen aus den Haaren fallen. Aber so habe ich einfach mehr oder wenig frei improvisiert. Ein transparentes Material gab es leider nicht mit Crinkle-Optik, so dass die Faltenwürfe an Schultern und Hüfte manuell gerafft und von Hand angenäht wurden.
Verwandlung in Rey: die neue Schärpe. Die helle Ton-in-Ton-Umsetzung des Kostums trägt sehr zum femininen Eindruck bei.
Neuer Ansatz für die zweite Version der Frisur. Diesmal schwarz statt dunkelbraun für einen besseren Kontrast zur Haut, matt und aus Veloursbändchen-Meterware gefertigt. Dafür wurden die Bändchen-Abschnitte einzeln eng an eng auf ein Stück Paketklebeband geklebt, danach mit der Nähmaschine fixiert und diese Fransenmatte auf Herrn Bimbos Kopf aufgenadelt.
In der Detailaufnahme kann man den wunderschönen, umgeschlagenen Zopf sehen. Toll, wie feminin diese kunstvolle Frisur mit den kurzen Ponyfransen an Herrn Bimbo wirkt und die Verwandlung in Rey glaubhaft macht.
Zum guten Schluß hat es für die Umsetzung der anderen Elemente fotografisch gar nicht mehr gereicht. Nur zum Kugeldroiden BB-8 gibt es ein Foto aus einem Zwischenstadium. Es ist auf jeden Fall sehr meditativ, winzige farbige Flächen auf eine Styroporkugel zu pinseln. Die gewölbten "Augen" für den rotierenden Droiden-Kopf habe ich kurzerhand aus zwei Giessharz-Schmucksteinen improvisiert, die mit der Fräse und schwarzem Sprühlack in Form gebracht wurden.
Der Waffenstab wurde aus einem Stück Aluminumrohr und schwarzem Klebeband hergestellt. Wegen der fehlenden Schulter des Herrn Bimbo konnte der Stab aber leider nicht über eine Schulter hängend fotografiert werden. Rein statisch war nur die "Stab wird mit Haltegurt quer über die Brust getragen"-Befestigung überhaupt machbar. Um den Tragegurt anlegen zu können (ich erwähnte schon Herrn Bimbos sehr, sehr großen Kopf) musste ein winziger Klettverschluss angebracht werden.
Die Herstellung eines Marionettenkreuzes war zwingend notwendig, um Herrn Bimbo überhaupt posieren lassen zu können. Erwähnte ich schon den großen Kopf? Dieser sorgt nämlich dafür, dass die Puppe stets und immerdar nach vorne umkippt. Aber dank Mister Mo hat Herr Bimbo bei 4 ° C Außentemperatur auf einem matschigen Lehmhügel auf dem Parkplatz des Tennisvereins sein ganzes Talent in die Waagschale geworfen, um die Illusion eines Sandplaneten glaubhaft werden zu lassen.
Ich hoffe, euch hat die Reise so gut gefallen wie mir!
Und jetzt können wir auf den Film gespannt sein.
Viel Vorfreude wünscht euch
Edna Mo
Nachtrag vom 04.01.2015:
Wie klasse ist das? Herr Bimbo als Rey kommt sogar ins Star Wars Magazin! Ein redaktioneller Beitrag ist für die Rubrik "Echo-Basis" geplant, für Heft 81, das Anfang März erscheint!
Vielen Dank an Gabi von made with Blümchen, die mich angeregt hat, diesen Beitrag auf der Nerd 'n' Geek Love Linkparty zu verlinken!