26. Mai 2017
Mit dem Argument "Leidenschaft" bin ich unheimlich gut aus der Reserve zu locken. Kein Wunder, dass ich bei der Aktion fashionpassion der ü30Blogger mitmache.
Was ich tagsüber trage, fällt bei mir in die Kategorie "Anziehsachen" und da habe ich einen maximalen Anspruch an Komfort und Bequemlichkeit, aber als "Mode" oder "Fashion" möchte ich das nicht bezeichnen.
Daher habe ich erst kürzlich die Mode-Rubrik auf meinem Blog gelöscht. Ich mag Mode als abstrakte Idee, was man mit stilistischem Können und einem menschlichen Körper an Fiktion erschaffen kann, wie ich auch für Kunst und Fotografie brenne. Im Kopf habe ich mich aber davon befreit, dass meine Mode-Ideen auch Eingang in meinen Alltag finden (müssen).
Ein dickes Lob an jede Frau, die sich jeden Morgen hübsch und attraktiv stylt, mir ist mein Mode-Anspruch als "zu anstrengend" zum Verhängnis geworden. Mit Jeans, Hemd und Sneakers komme ich aber glücklicherweise prima durch den Tag. Zu besonderen beruflichen Anlässen schlüpfe ich in eins meiner Messe-Outfits und bin selbst damit besser angezogen als die meisten Menschen um mich herum (Fluch der Großstadt!).
Um so hemmungsloser lebe ich meine Leidenschaft für das extravagante Outfit in meinen Fotostrecken aus. Fashion und Fotografie ist sowieso die allerbeste Kombination. Da bin ich Perfektionistin, kaufe sogar extra Kleidungsstücke ein (auch wenn ich höchstwahrscheinlich wenig davon im Alltag tragen werde) und probiere stundenlang die Kombination verschiedener Einzelteile aus (und stöhne hinterher beim Aufräumen der Kleiderberge). Trends berühren mich dabei nicht so sehr, denn in uniformierter Mainstream-Massenware sehe ich mich weniger, eher als modischer Exot.
Das Ergebnis darf alles, aber bitte nicht alltäglich sein. Ich liebe die Verwandlung in ein anderes Ich, und ein gewagtes Styling ist die entscheidende Maßnahme dafür. Und genauso liebe ich es, danach wieder in Jeans und Sweater zu schlüpfen und mich wie bolle zu freuen, dass ich das Rumgehampel mit komplizierten Kleidungsstücken nicht unnötig aushalten muss.
Im heutigen Post zeige ich drei Outfits, die alle auf dem Prinzip des "Kleidungsstücke übereinander schichten" beruhen. Ich habe mich auch von vielen Ideen der ü30Blogger aus der Aktion "Layering-Look" inspirieren lassen.
Ergänzt wird die Mode mit den handgefertigten Mixed-Media-Ohrringen, daher gibt es neben den Ganzkörperaufnahmen viele, viele Close-Ups.
Und natürlich werde ich Dir auch etwas über die fotografische Umsetzung erzählen, die mir wieder einmal besonders viel Kopfzerbrechen große Freude bereitet hat.
Zuunterst befindet sich ein Kleidungsstück, welches im Ursprung mal ein Kleid war und von mir mit breiten Satinstreifen zu einer weiten Hose upgecycelt wurde. Das Muster der Hose findet sich wieder in der seitlich geschlitzten Leinentunika, die mit handgefertigten Schablonen farblich passend selbst bedruckt wurde und bereits hier und hier im Blog zu sehen ist.
Darüber eine Lederweste (auch zu sehen in diesem Beitrag) mit einem breiten Ledergürtel. Jener ist bestimmt schon 30 Jahre alt, ich habe ihn mal in den 80er von meiner Schwester geschenkt bekommen. Schmaler Oberkörper, unten springt die Silhoutte in Schichten auf, ein insgesamt schönes und durch die Lederelemente leicht kriegerisches Outfit.
Ergänzt wird das Outfit durch lange Pendel-Ohrringe mit Elementen aus Kaltporzellan und Messingröhrchen.
Schlicht und ergreifend, es wurden "nur" zwei Unterkleider übereinander gezogen. Das weiße, lange hatte ich im Fundus. Das obere Kleid mit der weißer Spitze ist Vintage ist im Original ein dunkles Orange und ist mir freundlicherweise auf dawanda begegnet.
Passend dazu trage ich weiße, fingerlose Spitzenhandschuhe und an den Füßen orangefarbene Söckchen in den Plateau-Schnürschuhen von Karl Lagerfeld.
Sehr eindrucksvoll, was Abnäher an der richtigen Stelle bewirken können. Das ich so eine Sanduhrfigur bekomme, hätte ich diesem Unterkleid nicht zugetraut. Passend zu den entblößten Schultern kommen hier die langen Pendelohrringe aus Kupferblech und Kaltporzellan zum Einsatz.
Diesmal hat mich Eva von Blog Ladylike zur fotografischen Umsetzung angeregt. Nach der letzten Blogaktion "Frühlingsfrisch" haben wir uns einige Mails geschrieben, in denen es um die Lösung des Problems Unschärfe beim Fotografieren ging. Da kam in mir der Gedanke auf, einmal eine Fotostrecke mit dem Thema Bewegungsunschärfe zu machen.
Jetzt ist Bewegungsunschärfe an sich schon etwas Feines, allerdings führt sie in der Regel dazu, dass das bewegte Objekt unscharf und daher nicht besonders detailliert zu erkennen ist. Für Mode und Ohrringe also ganz schlecht.
Jetzt kommt allerdings wieder ein fotografischer Kniff, der es erlaubt, trotz Unschärfe zumindest ein teil-scharfes Bild zu bekommen
Bewegungsunschärfe beruht auf dem Prinzip, dass sich das Objekt während einer längeren Belichtungszeit schnell bewegt. Die hier gezeigten Aufnahmen wurden mit einer Viertelsekunde belichtet.
Der Kniff sind die zwei unterschiedlichen Lichtquellen bei der Aufnahme: einmal die Neonröhre an der Decke links von mir als Dauerlicht, und einmal eine Blitzlampe rechts von mir, als kurzer Lichtimpuls.
Während der Viertelsekunde zeichnet die Neonröhre meine Bewegung unscharf nach, und die Blitzlampe erzeugt mit dem kurzen Blitzlicht ein scharfes Bild.
Man fabriziert also gleichzeitig ein scharfes und ein unscharfes Bild in einer Aufnahme. Dafür muss der Hintergrund einigermaßen dunkel sein.
Und da sich die beiden Lichtquellen einmal links und einmal rechts von mir befinden, ist der linke Teil von mir unscharf und der rechte scharf.
Klar soweit?
Diese spezielle Mischlicht-Situation ist nur im Studio zu realisieren, weil man gezielt mit Richtung und Intensität der Lampen herumdoktert. Und weil man es da dunkel machen kann. Es sollte aber auch eine Ganzkörperaufnahme mit dem Eindruck eines großen Raums werden. Insofern blieb als Location nur das Atelier übrig.
Und daher sind die Aufnahmen schwarz-weiß geworden. Nicht nur, um den Unschärfe-Effekt besser in den Gradationskurven herausarbeiten zu können, sondern auch, weil es im Atelier so kunterbunt chaotisch ist. Brauner Teppichboden - so sexy! Aber dafür passen die Aufnahmen zufälligerweise perfekt zum Teaser-Visual, das Ela vom Blog Elabloggt so wunderbar grafisch gestaltet hat. Danke dafür!
Hast Du es gesehen? Beziehungsweise nicht gesehen: das Kabel für den Fernauslöser?
In meinem Haushalt gibt es seit Anfang des Jahres eine Zweitkamera: klein, leicht und mit einem Zeiss-Objektiv für maximale Schärfe. Und da dies eine nahezu moderne Kamera ist, ist ein Funkauslöser erhältlich! Sehr toll!!!!
Auch wenn das bedeuted, dass ich mich selber nicht am Laptop sehen kann, sondern allein das (nicht besonders aussagekräftige) Display an der Kamera zur Kontrolle zur Verfügung habe. Zu gut deutsch: Ich habe keine so rechte Ahnung, was am Ende dabei herauskommt. Und so wurde der Zufall wieder mein bester Freund und Helfer bei diesen Aufnahmen.
Man nehme: Rock von Maison Martin Margiela for H&M, positioniert ihn völlig verkehrt unter den Achseln, und eine Lederhose von Alexander Wang for H&M. Fertig.
Den bodenlangen Rock mit Nadelstreifen kennst Du aus diesem Blogpost. Die Hose ist beidseitig an den Außennähten mit Druckknöpfen geschlossen. Falls ich also jemals bei den Chippendales als Praktikantin genommen werde, kann ich mir wenigstens profimäßig mit einem Ruck die Hose vom Leib holen.
Für die Kombination mit dem Rock darüber wurden die Hosenbeine bis zum Knie geöffnet, um die Waden vorblitzen zu lassen.
Der Rock ist so weit, dass man ihn in die Hosentaschen stecken und damit formvollendet raffen kann. Eine Vintage-Krawatte als Halsschmuck und die schwingenden Ohrringe aus Kunstharz und Kupferblech runden den Look ab .
Das Wochenende des Shootings habe ich unter dem Motto "move it" verbracht. Denn natürlich muss man in Bewegung sein, um eine sichtbare Bewegungsunschärfe auf dem Foto zu produzieren. Dabei sind Pendelbewegungen von links nach rechts vor der Kamera besser sichtbar als Bewegungen auf die Kamera zu.
Die Pendelbewegung wird koordiniert mit dem Autofokus der Kamera, denn natürlich löst das dumme Ding auch aus, wenn es nicht scharf gestellt hat (was eine Kombination aus zwei unscharfen Aufnahmen ergibt und somit den Zweck ganz und gar verfehlt!).
Ich hab eine ganze Zeit gebraucht, um meine Körper-Wipp-Bewegung und den Autofokus miteinander in den Einklang zu bringen. Beim Hochrechnen bin ich auf eine stolze Anzahl von 2.800 mal hin-und-herwippen gekommen (die Kamera ist auch noch neu für mich, wir brauchen einfach etwas Zeit, um bei Aufnahmen dann einer Meinung zu sein). Aber das erklärt meinen Muskelkater!
Bitte schau auch bei den anderen Bloggerinnen vorbei, die einiges an leidenschaftlichen Argumenten für ihren bevorzugten Umgang mit Mode zusammengetragen haben.
Muskulär gestählte Grüße sendet Dir
Edna Mo