28. Dezember 2020
Manche Auftragsarbeiten sind besonders und haben es verdient, hier im Blog vorgestellt zu werden. Heute zeige ich Dir, wie Saschas Idee, einen Anhänger im Look einer Schneekugel mit Kunstharz zu gestalten, in die Tat umgesetzt wurde. Und welche handwerklichen Hürden es dabei zu meistern galt.
Ich fertige öfters transparente Anhänger aus Kunstharz an, in denen ein Erinnerungsstück eingebettet wurde. In Saschas Fall sollte eine kleine Locke das zentrale Element sein. Statt einer transparentem Umgebung wünschte Sie sich jedoch eine Gestaltung, die an eine Schneekugel erinnern sollte. Dafür hat sie nicht nur eine Skizze angefertigt, die den Querschnitt durch eine Schneekugel zeigt, sondern auch das zu nutzende Material dazugelegt. Neben Kunstschnee für den Boden sollten Papiersterne und Styroporkügelchen rund um die Locke angeordnet sein, und ein rotes Pailletten-Herz dazuarrangiert werden.
Ihre Mission: erstellen Sie einen transparenten Anhänger mit Haarlocken-Einbettung und Anmutung einer Schneekugel. Diese Nachricht zerstört sich in 5 Sekunden selbst!
Viele Leute wissen nicht, dass Dinge im Kunstharz sehr massiv ihr Aussehen verändern können. Kunstharz ist flüssig, und so fallen saugende Materialien dunkler aus. Pailletten können im Harz farbig "ausbluten", weil das Lösungsmittel die Beschichtung anlöst. Daher starte ich einen Auftrag mit verschiedenen "Fremdstoffen" damit, einen Testgießling anzufertigen, in dem es nur darum geht abzuschätzen, welchen Veränderungsprozess das einzubettenden Material unterläuft.
Beim Test wird offensichtlich, wo die Hürden liegen. In Saschas Fall konnte man sehen, dass der Kunstschnee nicht funktionieren würde, weil er im Harz nicht blickdicht genug wird. Papierstern und Paillettenherz hingegen haben im Harz gut funktioniert. Die Styroporkügelchen schwimmen im Harz nach oben - daher haben sie sich im Test am Rand als Gruppe zusammengerottet. Für den Einsatz als einzelne Schneeflocken muss man diese Eigenschaft im Hinterkopf behalten und ein bißchen tricksen.
Statt des Kunstschnees habe ich vorgeschlagen, einen blickdicht weißen Boden zu gießen und mit den Styroporkugeln zu dekorieren. Dazu wurde die runde Form auf eine schräge Ebene gelegt und nur soviel weiß gefärbtes Harz in die untere Rundung eingefüllt, dass es nicht herausläuft. Nach dem Härten wurde die Oberfläche mit vorgeliertem Kunstharz benetzt und mit der Pinzette einzelne Styroporkugeln aufgelegt. Durch die schräge Oberfläche ergibt sich ein leicht räumlicher Effekt.
Im Foto kann man die "schräge Bodenfläche" in der Silikonform gerade so erkennen, darunter der Materialtest.
Nach dem Härten des weißen Segments wurde die Silikonform plan gelegt und eine dünne, transparente Harzschicht auf den Boden der Silikonform gegossen. Nach dem Härten dieser Schicht wurde die Gestaltung anhand der Skizze in trockenem Zustand in der Silikonform probegelegt. Das Haar wurde vorab mit einem roten Bindfaden zu einer Locke gebunden.
In der Skizze stimmen die Proportionen nicht ganz - daher sind in der "Trockenübung" nur drei Papiersterne enthalten. Beim Arrangieren der Styroporkugeln durfte ich kaum atmen - wegen des geringen Gewichts wurden sie auf der glatten Harzoberfläche beim Ausatmen glatt weggepustet.
Nach der Freigabe des Arrangements kam der entscheidende Gießschritt. Zunächst wurden alle Elemente entfernt und eine dünne Schicht Harz eingefüllt. Die Locke, das Herz und die Papiersterne wurden eingelegt. Dann abwarten - wenigstens 30 Minuten, damit das Harz zäh wurde. Erst dann wurden die Styroporkügelchen einzeln auf die klebrige Oberfläche geheftet. So kann man sie grob an Ort und Stelle fixieren.
Klingt banal, aber tatsächlich muss man noch weitere 20 Minuten wie ein Luchs danebensitzen. Zu gerne machen sich in der Phase die Elemente noch aus dem Staub. Auch bei den Styroporkugeln hatte ich größte Mühe, sie davon abzuhalten, sich aneinander zu schmiegen.
Nach dem Härten dieser "Befestigungsschicht" kommt die Deckschicht, die einige Millimeter hoch ausfallen muss.
Beim Grobschliff ist mir dann aufgefallen, dass natürlich Schleifkanten der weißen "Bodenfläche" die dort sitzenden Styroporkugeln angeschliffen werden. Das birgt die Gefahr, dass beim Herumfingern am Anhänger die weichen Kügelchen ausgeknibbelt werden. Also: da muss noch was Harz drauf.
Damit das Harz nicht unkontrolliert auf die Unterseite läuft, wie es in der Silikoform meist der Fall ist, löse ich solche Deckschichten meist mit einem Streifen Doppeltape um den Gießling.
Es wird eine feine Deckschicht auf beiden Seiten des Anhängers gegossen (natürlich nacheinander). Ich habe nachgezählt, dass ist die siebte Schicht Harz, die fließt. Das würde man dem Anhänger gar nicht zutrauen.
Härten - grob Schleifen. Auf der seitlichen Kante hatten sich noch einige Luftblasen versteckt, diese wurden aufgebohrt und in zwei weiteren Geßdurchgängen eliminiert. Jetzt erst ist der Anhänger fertig für den Endschliff, bei dem die finale Höhe, die gerundeten Kanten und die Transparenz entstehen.
Ich bin entzückt über das Ergebnis. Nicht nur, dass Sascha eine feine Idee hatte, und es mir gelungen ist, diese nahezu 1 : 1 im Kunstharz nachzuempfinden. Insgesamt gefällt es mir sehr gut, wie die Kügelchen und die schräge Bodenfläche tatsählich die Anmutung einer Schneekugel wiederspiegeln.
Und wie schön passt das Ergebnis in den Dezember! Ein tolles Motiv für das Jahresende!
Das einzige, was mein Glücksgefühl etwas schmälert, ist der Umstand, dass sich beim Gießschritt 7 (Finale Deckschicht auf der Oberseite) eine Wolke feinster Luftblasen auf der Oberseite der darunter liegenden Schicht abgesetzt hat. In Natura ist diese kaum sichtbar, dem Makroobjektiv der Kamera entgeht so ein Detail aber nicht.
Was war geschehen? Der Blick aufs Thermometer gibt Auskunft: Unterschreitung der für den Harzbetrieb optimalen Raumtemperatur, dadurch deutlich schlechtere Entlüftungseigenschaften. Da es sich dabei nur um zwei Grad handelt, bekommt man das nur mit, wenn man aktiv darauf achtet. Gerade die neutralfarbigen Kunstharze sind ganz versessen auf gemäßigte Temperaturen!
Unglücklicherweise hat sich der Einbruch des Winterwetters nicht nur auf diesen Gießling ausgewirkt. Ich bin sonst kein Fan von Übertechnisierung im Atelier, schließlich geht es um Handarbeit und ein kleiner meschlicher Faktor darf sich in jedem Stück zeigen. Aber die Häufung von Auftragen im Dezember mit Haarlocken und Luftblasen in großen Verbänden haben mich bewogen, dann doch Hilfe zu ersuchen. Vakuumpumpe und Heizplatte wurden angeschafft. Soviel vorab: Ergebnisse wurden danach besser! Doch dazu später mehr.
Verschneite Grüße sendet Dir
Edna Mo
PS: Weil es so perfekt dazu passt, füge ich den Link zu einem meiner Lieblings-Weihnachtssongs ein, "Winter Weather", ein tolles Swing-Stück aus den 40ern.