24. November 2015
Achtung liebe LeserInnen, Spoiler-Alarm: das hier ist ein durch und durch handwerklicher Blogpost ohne jeden glamourösen Touch. Es geht um eins der großen Geheimnisse in der Giessharz-Schmuck-Herstellung.
Jeder kennt es, der mal renoviert oder umgebaut hat: Silikon. Aus der Quetschpistole.
Tatsächlich arbeite ich für die Schmuckherstellung ebenfalls mit Silikon. Es ist die ideale Formenbaumasse, um eine Urform zu kopieren, die dann mit einer Gussmasse wie beispielsweise Giessharz, dupliziert wird.
Ich habe aber noch keinen Eintrag dazu gemacht, wie man Silikonformen selber herstellt. Das hat sicher den Grund, dass mein Formenbau-Know-How jetzt erst langsam in ein vorzeigbares Stadium kommt. Und auch, weil es ein ganz umfangreiches Thema ist (wie ich nach den ersten Absätzen beim Schreiben merke).
Leider kann man so ein Thema wie Silikon-Formenbau in keinem VHS-Kurs lernen, da muss man sich irgendwie alleine durchkämpfen. Hoffentlich kann mein Blogpost die zögerlichen Crafter überzeugen, doch einen Schritt nach vorne zu wagen und sich mit der Materie zu beschäftigen.
Denn: Es macht einen höllischen Spaß, Formen zu kopieren, und den ursprünglichen Zusammenhang dann völlig zu verändern. Bestes Beispiel ist immer noch die Harz-Replik vom gebrauchten Teebeutel, die jetzt als Schmuckanhänger ein neue und glamouröse Existenz führt.
Wozu braucht der Mensch Silikonformen?
Grundsätzlich ist der Silikon-Formenbau für alle Menschen interessant, die etwas Dreidimensionales mit einer Gussmasse herstellen möchten. Beispielsweise für Seifen und Kerzen, aber auch Backwaren und Schokolade-Artikel, sowie für die Herstellung von Skulpturen.
Warum Silikon als Formenbaumasse?
Silikon wird immer dann als Werkstoff für den Formenbau verwendet, wenn ein Original exakt kopiert werden soll, die Gussmassen klebrig, anhaftend und schwer auszulösen sind, die Form mehrfach genutzt werden soll und die Oberfläche des späteren Giesslings eine Rolle spielt.
Wenn das alles keine so große Rolle spielt, arbeitet man einfacher mit sogenannten "verlorenen" Formen, die nach dem Aushärten der Gussmasse zerstört werden - wie Verpackungsmaterialien oder Gips.
Besondere Eigenschaften des Silikons
Silikon gibt es mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften. Erste Eigenschaft ist die sogenannte Shore-Härte, die etwas über die Elastizität der späteren Silikonform aussagt. Man unterscheidet zwischen weich (SH 15), mittel (SH 25) und hart (SH 40 und darüber).
Weitere Kriterien sind die Viskosität (dünnflüssig, dickflüssig, zum Kneten oder Spachteln), die Hitzebeständigkeit (für heiße Gussmassen bis maximal 200 °C) und die Resistenz gegen bestimmte Chemikalien. Für den späteren Einsatz mit Schokolade oder Teig gibt es spezielles, Lebensmittel-geeignetes Silikon. Alle diese Informationen finden sich im Produkt- oder auch technischen Datenblatt, dass bei den verschiedenen Anbietern im Internet immer zu finden ist.
Silikon für den Formenbau wird meist in Form von zwei zähfließenden Komponenten angeboten, die miteinander vermischt werden. Dadurch wird eine chemische Reaktion ausgelöst und das flüssige Silikon vernetzt sich und wird fest.
Für die Fälle, in denen möglichst genaue Abbildungen vom Original gemacht werden, sind weitere folgende Eigenschaften wichtig (warum, lest bitte unten in den FAQs):
- ein einfaches Anmischverhältnis wie 1 : 1 oder 1 : 3
- eine etwas längere Verarbeitungszeit, ca. eine Stunde.
Und jetzt?
Man startet damit, dass man Form und Beschaffenheit der "Urform" bewertet, die man kopieren möchte. Jede Urform verlangt eine spezielle Herangehensweise an die Silikonform-Herstellung. Wen man am Anfang die richtigen Entscheidungen trifft, wird die Form gut gelingen und einem lange Jahre Freude bereiten.
Wir starten in diesem Post mit der Herstellung einer einfachen Form.
Die Urform
sind in diesem Fall drei große, runde Plexiglas-Zuschnitte. Nein, das wird kein Schmuck, dafür sind sie ein wenig zu groß. Die später daraus hergestellten Giesslinge sollen Deko-Scheiben sein: fürs Fenster oder für Lampen.
Die Plexischeiben sind hochglänzend - diese Eigenschaft soll das Silikon genau abbilden.
Die Plexischeiben sind groß und die Giesslinge nicht mehr federleicht - die Giessform sollte stabil sein und sich auch bei längerem Einsatz nicht verziehen.
Das gewählte Silikon
Da die Scheiben gerade Seitenwände haben, muss das Silikon nicht flexibel sein. Insofern wähle ich ein hartes Silikon mit einer SH 40.
Faustregel eins: Je schlichter die Urform, desto härter darf das Silikon sein.
Der Formenbaukasten
Dummerweise ist das Silikon, dass die Oberflächen sehr genau abbildet, immer flüssig. Daher benötigen wir ein Gefäß, in dem das Silikon seine spätere Außenseiten bekommt (Giesskasten oder Formenbaukasten).
Faustregel zwei: Der Giesskasten muss passen.
Damit wird garantiert, dass die Form stabil bleibt und trotzdem nur ein Minimum an Silikon vergossen wird. Wie gesagt, es ist kein ganz so günstiges Material.
Das heisst: wenn man nicht total Glück und gerade eine passende Karton oder Kunststoffverpackung in der richtigen Größe hat, muss man den Giesskasten selber bauen.
Aus Karton ist das schnell erledigt. Wie hübsch die Silikonform von außen ist, ist völlig ohne Bedeutung. Hauptsache, die Negativform im Silikon ist makellos.
Wir brauchen also: Verpackungskarton, Malerkrepp und Doppeltape, Cutter, Schere und eine Schneideunterlage.
Als Giesskasten benötigen wir ein rundes Behältnis. Damit das Behältnis exakt passt, sollte um das Original nach links und rechts ein Abstand von mindestens 5 bis 7 mm stehen bleiben.
Aus Karton schneiden wir also zunächst einen Kreis mit größerem Durchmesser als das Original.
Die Öffnung der späteren Silikonform wird dadurch gebildet, dass man das Original auf dem Boden des Gießkastens festklebt. So kann kein Silikon darunter fließen.
Damit also eine mindestens 5 - 7 mm starke Bodenfläche entstehen kann, muss der runde Giesskasten einen höheren Rand bekommen als das Original. Aus Karton wird ein breiter Streifen geschnitten, der dann zum Rand gebogen und mit Krepp zusammen- und am Kartonboden festgeklebt wird.
Der Giesskasten muss einer dünnflüssigen Masse widerstehen. Daher müssen alle Ritzen und Öffnungen sorgfältig von allen Seiten mit Malerkrepp zugeklebt werden.
Im nächsten Schritt wird die Urfomen mit Doppelklebeband auf den Boden der Gießform geklebt. Bitte darauf achten, dass der Raum zwischen Original und Kartonwand möglichst überall gleich groß ist.
Die fertig vorbereiteten Giesskästen. Die drei Plexischeiben sind jeweils am Boden mit Doppel-Tape fixiert.
Jetzt ist das Anmischen des Silikons an der Reihe. Dafür benötigt man eine Wage, einen Mischbecher aus Plastik, einen Plastiklöffel und ein stabiles Holzstäbchen zum Umrühren.
Und ganz viel Kleenex, weil alles tropft und klebt.
Mein gewähltes Silikon wird im Verhältnis 1:1 angemischt, was mithilfe einer Waage einfach zu bewerkstelligen ist. Aber wieviel Silikon mischt man an?
Faustregel drei: Lieber mehrere kleine Portionen
Hintergrund: Silikon ist ein zähes Zeug. Meiner Erfahrung nach kann man ein Masse von 150 bis 200 ml Silikon gerade noch so zusammen mischen, ohne sich das Handgelenk zu brechen. Größere Portionen sind schwerfällig beim Rühren und die Gefahr besteht, dass die beiden Komponenten nicht vollständig mit einander vermengt werden - was sich in Form von Rissen oder Falten in der Silikonform bemerkbar macht.
Faustregel vier: Muße ist die Mutter aller Silikonformen
Wir wollen keine Luftblasen in unserer Silikonform haben, Luftblasen sind unser Feind.
Durch das Anmischen wird aber zunächst ganz viel Luft in das Silikon eingerührt, so dass die angesetzte Mischung sehr blasig ist. Die angesetzte Mischung darf also 5 bis 10 Minuten stehen, damit die Luft entweichen kann. Das Aufklopfen des Mischbechers auf dem Tisch hilft dabei, die Blasen freizurütteln.
Hier ein Beispiel für ein Silikon mit Shore-Härte 40 in der Verpackungseinheit und nach dem Anmischen
Mit einem dünnen Strahl (damit Luft entweichen kann) wird soviel Silikon in den Abstand zwischen Original und Kartonwand gegossen, dass der Boden etwa 3 - 5 mm hoch bedeckt ist.
Damit die Form möglichst makellos wird, werden mit 2-3 minütigen Pausen dünnen Schichten Silikon eingegossen. In den Pausen klopft man die Giessform auf der Tischfläche auf, damit Luft entweichen kann.
Faustregel fünf: Klopfen und Pusten
Das klingt zwar albern, aber kleine Bläschen an der Oberfläche platzen beim Aufpusten auf und verschwinden. Wer eine Vakuumkammer hat, kann das Entlüften aber auch damit vornehmen.
Durch das Arbeiten in kleinen Portionen und dünnen Schichten kann man den Materialbedarf auch sehr gut einschätzen. Man mischt so lange Silikon in immer kleineren Portionen an, bis die Form fertig gegossen ist. Dazu benutze ich auch immer den gleichen Mischbecher und mache ihn zwischendurch auch nicht sauber, das ist nämlich echt eine schleimige Angelegenheit.
(Bei großen Silikonformen mit hohem Materialbedarf benutze ich nach einer halben Stunde einen neuen Mischbecher, weil die Silikonreste vom ersten Ansatz dann schon anfangen auszuhärten.)
Fertig gegossen ist, wenn die oberste Schicht Silikon etwa 5 - 7 mm Abstand zum Original hat. Wie beim Kuchenbacken kann man das mit einen Zahnstocher testen.
Erste Schicht Silikon und mit kurzen Pausen langsam weitergiessen, bis die Oberfläche geschlossen ist und sich das Silikon egalisiert hat.
Zum Abschluß nochmal klopfen und pusten, und klopfen und pusten.
Und zum Aushärten auf einen möglichst ebenen Untergrund stellen.
Nach 24 Stunden ist die Silikonform fertig und kann aus dem Giesskasten ausgelöst werden. Bei Karton ist das einfach, den kann man einfach aufreißen.
(So reinigt man auch die Mischbecher und Werkzeug: einfach aushärten lassen, dann kann man die Reste einfach in dünnen Schichten abziehen.)
Meistens bleibt das Original am Boden kleben, und die Silikonform kann durch etwas aufbiegen abgelöst werden. Selbst hartes Silikon ist immer noch in Maßen biegbar.
Wie der Lichtreflex beweist, wurde eine wunderschöne Silikonform mit hochglänzender Oberfläche hergestellt.
Zum Abschluss wird auf der Unterseite der Form der Rand begradigt - dort bildet das Silikon einen kleinen Wulst beim Auftrocknen. Die Form steht deutlich besser, wenn dieser Rand einfach plan mit der Schere abgeschnitten wird.
Ein kleines Beispiel zeigt, wie der Giessling aussehen könnte, der mit so einer Form hergestellt werden kann. Er ist in Größe, Form und Beschaffenheit identisch zum Plexiglas-Original, kann aber individuell gestaltet werden.
Für diesen ersten Test des Fenster-Deko-Talers habe ich flüssigen Harzfarben benutzt, um den quallenartigen Effekt herzustellen. Das sieht doch schon ganz vielversprechend aus.
Weitere Blogposts zur Silikonherstellung für kompliziertere Formen sind in Vorbereitung und folgen in Bälde.
Wer Fragen zur Silikonverarbeitung hat, die hier oder unten in den FAQs nicht geklärt werden konnten, darf mich gerne über die Kommentarfunktion oder per Mail ansprechen: mail(at)ednamo.com.
Wo findet man Silikon für den Silikon-Formenbau?
Frag das Internet. Der Suchbegriff ist Silikon UND Formenbau. Es gibt ganz viele Anbieter, die auch an Privatkunden Silikon verkaufen. Und es gibt enorme Preisunterschiede. Achtet beim Preisvergleich immer auch auf die Verarbeitung (Mischverhältnis in Abhängigkeit von der Verarbeitungszeit). Im Zweifel das teure Material bevorzugen, wenn es einfacher zu verarbeiten ist. Denn es gilt:
Faustregel sechs: Was schief gehen kann, geht schief
Ich habe ein Silikon gefunden, bei dem der Vernetzer zu 2 g pro 100 g Silikon angemischt werden soll. Warum empfiehlst du das nicht?
1 g entspricht 40 Tropfen Vernetzer. 100 g Silikon benötigen also 80 Tropfen Vernetzer. 150 g Silikon benötigen also 120 Tropfen Vernetzer. Wenn die Dosierpipette der Vernetzerflasche murks ist und nur alle 30 Sekunden ein Tropfen rausplumpst, man dann endlich 120 Tropfen abgezählt hat und dann auch noch geschafft hat, diese beiden sehr unterschiedlichen Substanzen miteinander perfekt unterzurühren, vergehen schon mal gerne 15 Minuten. Wenn dieser Mischvorgabe noch mit einer kurze Verarbeitungszeit gekoppelt ist, verklumpt das Silikon direkt schon im Mischbecher. Eine genaue Abbildung der Oberfläche kann dann gar nicht mehr stattfinden.
Bei ausreichender Verarbeitungszeit ist dieses Mischverhältnis jedoch OK.
Bei manchen Formenbaumassen wird der Einsatz eines Trennmittels angeraten. Was ist das?
Ein Trennmittel verhindert, dass sich Original und Formenbaumasse miteinander verbinden. Wahlweise gibt es das als pastöses Wachs oder flüssige Tinktur.
Für den Einsatz mit Silikon als Abformmasse würde ich darauf verzichten. Silikon trennt sich schon ganz famos von fast allen Materialien (außer von Silikon). Insofern ist das überflüssig. Das Trennwachs beispielsweise verfälscht darüber hinaus die Oberflächenbeschaffenheit.
Mein Silikon hat eine Verarbeitungszeit von 15 Minuten. Kann das trotzdem was?
Wenn die Oberfläche nicht so exakt sein soll, dann ja. Bei kurzer Verarbeitungszeit besteht die Gefahr, dass Luftblasen nicht mehr entweichen können, die noch im Silikon eingerührt sind.
Was spricht dagegen, eine Portion von 500 g Silikon anzurühren und eine Form "in einem Guss" herzustellen?
Dann bitte per Bohrmaschinen-Aufsatz mischen, da diese Menge von Hand gar nicht mehr bewegt werden kann. Und mit einer Vakuum-Kammer arbeiten, da bei dieser großen, schweren Masse Luftblasen ebenfalls kaum entweichen können.
Warum benutzt du kein knetbares oder spachtelbares Silikon?
Mit knetbarem Silikon habe ich schon gearbeitet. Tolles Zeug, nur nicht unbedingt für die detailgetreue Abbildung geeignet, wegen dem üblichen Luftblasen-Alarm. Aufgrund der Zähigkeit der Masse entweicht da gar nix mehr. Bei sehr zerklüfteten Oberflächen knetet man auf jeden Fall Luftblasen mit ein.
Auf Youtube findet man Anregungen, dass man auch Badezimmer-Silikon für den Formenbau benutzen kann. Ist das nicht viel günstiger?
Aber sowas von! Badezimmer-Silikon ist grob und zäh und tendenziell für einfache Formen geeignet. Für einen Einstiegstest ist das auf jeden Fall einen Versuch wert. Feine Oberflächen kann das Badezimmersilikon allerdings nicht so gut abbilden.
Was ist eine einfach Form?
Eine Form, die keine Hinterschneidungen aufweist, also zylindrisch, quaderartig oder kegelförmig ist. Hier ist gewährleistet, dass man die Urform wieder aus dem Silikon herausbekommt. Bei komplizierten Formen verzahnen sich Original und Silikon mechanisch so, dass ein einfaches Rausziehen nicht mehr möglich ist.
Allen Silikonbauneulingen und Nerds wünsche ich gutes Gelingen für ihre Projekte!
Viele Grüße sendet
Edna Mo