1. August 2017
Jede Auftragsarbeit mit Kunstharz ist eine Herausforderung. Meistens werde ich mit Umsetzungswünschen konfrontiert, die mir neu sind. Ein Auftrag ist daher immer mit dem Abwägen verbunden, ob ich mir zutraue, diese Umsetzung erfolgreich hinzukriegen, oder ob die Risiken zu hoch sind. Denn Harz ist Harz, einmal gegossen gibt es kein zurück, und was auch immer eingeharzt wurde, ist unwiderbringlich eingeschlossen und kann nicht wieder ausgelöst werden.
Die heute gezeigte Auftragsarbeit für die Einbettung von zwei Drahtringen in Harzringe war so eine, bei dem ich erst gezögert habe, ihn anzunehmen. Auch wenn ich im Kopf mit meiner große-Größe-Ringe-und-Armreif-Kollektion schon fast fertig bin, in der Realität hinke ich immer noch im Anfangsstadium herum. Nicht, weil ich es handwerklich nicht realisieren kann, sondern schlicht aus Zeitmangel.
Und das war dann wiederum der Ausschlag, den Auftrag doch anzunehmen. Denn sich einen Erfahrungsschritt zu erarbeiten - das mit einer gehörigen Portion Erfolgsdruck - und bezahlt, das ist schon einen Kopfsprung ins Ungewisse wert.
Wie ich die Aufgabe gelöst habe zeige ich Dir im heutigen Post, in dem es hauptsächlich um Überlegungen zum Silikon-Formenbau geht. Wie sich am Ende zeigt, habe ich mich äußerst vorsichtig von Erkenntnis zu Erkenntnis gehangelt und weiß nun, welche Mühsal ich mir durchaus auch hätte sparen können.
Gewünscht sind zwei Ringe in unterschiedlichen, aber definierten Größen (Ringgröße 62 und 66).
Diese sollen eine bestimmte Breite und Dicke aufweisen, damit etwas eingebettet werden kann.
Die Einbettung sind zwei ringartig verzwirbelte, mit einer dünnen Kunststoff-Isolierung versehenen Kupferdrähte, offensichtlich schon etwas älter.
Problemstellung
Viele Fragen stehen am Anfang:
1) Passende Silikonformen habe ich natürlich nicht griffbereit.
Wie erfinde ich Harzringe in exakten Ringgrößen?
2) Wie verhält sich die Drahtring-Einbettung zum fertigen Ring?
3) Wie löse ich das Problem, dass die Drahtschlaufen kleiner als die gewünschte Ringgröße sind?
Methoden zu 1)
- Man fixiert die Einbettung in einen Harz-Klumpen egal welcher Form und erarbeite die endgültige Form durch Fräsen und Schleifen.
Nachteil: Methode ist relativ unpräzise.
- Man erstellt eine eigene Silikonform mithilfe einer Vorlage, die zufälligerweise exakt die gewünschte Form aufweist
Nachteil: Methode ist nur von Erfolg gekrönt, wenn man zufälligerweise eine geeignete Vorlage zur Hand hat.
- Man erstellt zunächst eine grobe Vorlage und macht davon eine Silikonform.
Das Zwischenergebnis wird durch Fräsen, Schleifen und Polieren zu einer perfekten Vorlage umgearbeitet, und davon wird eine zweite Silikonform gemacht. Erst dann kommt die Einbettung dazu.
Nachteil: Methode ist langwierig
Methode zu 2)
Wenn man im Kopf die einzelnen Arbeitsschritte abgeht, wird man an eine kleine Stolperstelle kommen:
Egal wie perfekt eine Silikonform ist, es besteht immer die Wahrscheinlichkeit, dass trotzdem noch ein Endschliff erfolgen muss, um eine perfekte Brillanz zu erzeugen.
Beim Endschliff wird aber Material abgenommen, die Ringe werden im Durchmesser also größer. Dadurch wird unglücklicherweise die Ringgröße verändert.
Im Grunde brauche ich also eine Silikonform mit einer perfekten hochglänzenden Ring-Innenseite (damit entfällt der Endschliff). Oder eine unperfekte Form mit einem etwas kleineren Durchmesser, der dann beim Schleifen noch manuell angepasst wird.
Methode zu 3)
Ein sehr kniffliger Punkt. Normalerweise liegt eine Einbettung immer in der Mitte des Harzes.
Bei einem Ring von ungefähr 13 mm Breite und 4 mm Dicke müsste die Einbettung also zu allen Seiten gleichmäßig viel Platz haben, um von Harz vollständig umschlossen zu sein.
Einbettungen, die direkt an der Harzoberfläche eines Ringes liegen, werden über kurz oder lang durch die mechanische Beanspruchung abgelöst und gehen verloren. Es macht einfach viel zu sehr Spaß, an einem feinen Spalt mit den Fingernägeln herumzuknibbeln.
Nach Rücksprache mit dem Kunden habe ich die Drahtringe vorsichtig auseinandergezogen, um sie für die Silikonform und den späteren Ring passend zu machen. Dadurch wurde ihre ursprüngliche Erscheinung zwar etwas verändert, aber es war die einzig mögliche Alternative. Trotzdem war nicht genug Draht vorhanden, um die Einbettung mittig zu legen.
Umsetzung
1) Ich starte mit der Herstellung eines Rings aus breitem Aluminiumdraht. Bereits in diesem DIY-Beitrag habe ich die Herstellung von Ringen in dieser Technik vorgestellt. Daher habe ich dieses Verfahrenfür den ersten Arbeitsschritt genutzt.
Der Draht lässt sich kinderleicht biegen und dank einer Messhilfe in die richtige Größe bringen.
Ein zweiter Aluminium-Ring definiert die Außenform.
2) Mithilfe von Textiltape werden die beiden Aluminiumringe zueinander fest positioniert.
3) Der Zwischenraum wird mit Kunstharz ausgefüllt. Nach dem Härten wird das Tape abgezupft und es ist eine massive Form entstanden.
4) So könnten die Ausmaße der fertigen Kunstharzringe aussehen.
5) Für eine erste Silikonform nehme ich Knetsilikon, dass im Verhältnis 1 : 1 gemischt wird und binnen 15 Minuten eine fertige Silikonform ergibt.
6) Ich modelliere das Knetsilikon um die Harz-Aluminiumringe auf einer Glasscheibe und kontrolliere, ob die Ränder sauber abgeformt wurden.
7) Die Silikonform ist fertig.
8) Und hier die ersten Ringvorlagen aus Harz, die mithilfe der Form entstanden sind.
Erstes Fazit:
- die Ringe sind zu dünn
- die Aluminiumringe liefern keine präzisen Rundungen, es muss also auf jeden Fall ein egalisierender Schliff auch auf der Innenseite erfolgen. Dafür fehlt jedoch zwei Millimeter mehr Volumen an Harz.
- wie erwartet ist das Knetsilikon unpräzise in der Abformung und addiert Fehler in die Oberfläche. Für diesen Zwischenschritt ist das allerdings nicht so entscheidend.
Um mehr Ringdicke zu bekommen, habe ich zwei weitere Harzringe mit diesen Silikonformen hergestellt. Je zwei der Harzringe wurden nach einem Grobschliff aufeinander geklebt.
Mit einem Stück PVC wurde der Innendurchmesser wieder verkleinert und eine zweite Silikonform hergestellt, diesmal mit Fließsilikon.
9) Links die erste Ringvorlage, daneben die zweite Ringvorlage, und rechts daneben die zweite Silikonform.
10) Mit dieser Silikonform wurden erneut Ringe aus Kunstharz hergestellt, die jetzt rundum zuviel Masse haben.
11) Durch Fräsen, Schleifen und Polieren wurde aus der zweiten Vorlage zwei perfekte Harzringe mit einem etwas zu kleinen Innendurchmesser erarbeitet.
12) Völlig aufgeweicht ist zwischenzeitlich die Messhilfe, mit deren Unterstützung die Ringgröße bei jedem Arbeitsschritt kontrolliert wird.
Von diesen schönen Harzringen wurde eine dritte Silikonform aus Fließsilikon angefertigt.
13) Jetzt erst werden die eigentlichen Ringe hergestellt.
Nach einer dünnen Grundschicht aus Kunstharz, die vollständig aushärtet, werden vorsichtig die Drahtringe positioniert. An keiner Stelle dürfen sie den inneren Rand der Silikonform berühren. Nur so kann ich gewährleisten, dass sie nicht angeschliffen werden.
Mit zwei Tropfen Harz werden die Drahtringe fixiert, erst dann folgt die Endschicht Kunstharz.
14) Nach dem Auslösen sehen die Ringe schon ganz gut aus. Allerdings ist die Form insgesamt noch etwas kantig.
Durch manuelles Schleifen wurde die Form noch angepasst, vor allem die Kanten auf der Ringinnenseite wurden noch weiter abgerundet, um den Ring bequemer zu machen.
Und so sehen die fertigen Ringe aus:
Ich bin sehr zufrieden mit dem optischen Endergebnis. Da mir die Ringe viel zu groß sind, hat mein Mann freundlicherweise den Funktions-Test durchgeführt, und er empfand den ihm passenden Ring als äußerst bequem. Von seiner Seite gab es keine Verbesserungsvorschläge für die Innen- und Außenkanten.
Beim Herstellungsweg habe ich einen Arbeitsschritt zuviel gemacht. Es wäre sinnvoller gewesen, bei Schritt 1 direkt eine Vorlage mit kleinerem Innendurchmesser zu erstellen. Dadurch hätte ich Silikonform 2 sparen können. Aber das weiß ich nun für das nächste Mal, wenn ein Ring in einer bestimmten Größe zur Umsetzung ansteht.
Erst als die Ringe schon längst die Hände der neuen Besitzer schmückten, ist mir eingefallen, dass ich tatsächlich eine ringartige Silikonform in petto habe, die Schritt 1 bis 10 gnadenlos eingekürzt hätte. Du kennst diese Silikonform von diesen Kunstharz-Armreifen mit Typo-Elementen, es ist das O des Schriftzuges LOVE aus einer Pralinen-Silikonform.
Allerdings hat das Auflegen auf die Messhilfe gezeigt, dass das O leider einen zu großen Innendurchmesser hat, nämlich exakt passend für die Ringgröße 62 (ohne zusätzlichen Spielraum für einen Polierschliff). Damit hätte ich zwar den 66-er-Ring umproblematisch gemäß Methode 1) umsetzen können, wäre aber für den 62-er-Ring immer noch auf Methode 3) angewiesen gewesen. Zumindest kann ich mit dieser Silikonform Ringwünsche ab Ringgröße 64 umsetzen!
Und auch andere, bulligere Außenformen können damit realisiert werden. Dafür werden jeweils zwei oder drei Ringe aufeinander geklebt. Von diesem Rohling ausgehend, können Fräse und Schleifpapier ihr Wunderding tun und eine andere Form kreieren.
Ich freue mich, wenn ich allen Harzfans einen Einblick in das freie Erfinden konkreter Formenwünsche geben konnte. Manchmal ist man ja einfach blockiert und kommt nicht auf die einfache Lösung. Aber sich so ausgiebig mit so einer Sache auseinander zu setzen, hat einen viel größeren Lerneffekt. Bei mir ist der Ringe-in-großen-Größen-Knoten auf jeden Fall geplatzt. Und schöner Nebeneffekt: ich hab eine traumhafte Silikonform für Ringe in zwei Größen für weitere kreative Kunstharz-Ring-Umsetzungen!
Verschlaubergerte Grüße sendet Dir Edna Mo!
PS: Der Auftraggeber hat sich mit dem folgenden, sehr reizenden Foto für die Umsetzung bedankt. Vielen Dank, dass ich es für diesen Blogbeitrag benutzen darf!
PPS: Der Beitrag wird verlinkt beim Creadienstag!
PPPS: Wer noch nicht genug Formenbau gesehen hat, hier die Liste der bisher veröffentlichten Tutorials:
- Silikonform herstellen 1 - einfache Form
- Silikonform herstellen 2 - Form mit Hinterschneidung
- Silikonform herstellen 3 - Mutliples